Erwin Pröll

Ein Landes-
Kaiser 
mit 
starker 
Ansage

02.09.2011

NÖs Landeshauptmann startet große Diskussion: Wie Regierungs-Stillstand beenden?

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Er hat den Sommer durchgearbeitet, ist durch ganz Niederösterreich getourt – ist trotzdem braun gebrannt, bestens erholt, blendend gelaunt und so angriffslustig wie selten zuvor.

Landeshauptmann Erwin Pröll präsentiert in Niederösterreich die besten Wirtschaftsdaten: Höchststand mit 590.000 Beschäftigten, Nummer 1 im Wachstum, Zuwachs in der Kaufkraft.

Gerade deshalb geht er jetzt in einem bemerkenswerten ÖSTERREICH-Interview in die Offensive und spricht als erster Landes-Chef das aus, was die große Mehrheit der Österreicher denkt. Pröll sagt völlig unverblümt: „Wenn dieses Management by Chaos des Bundeskanzlers so weitergeht, fährt diese Regierung in den nächsten Wochen an die Wand.“ Die Regierung, so Pröll, streite „wie ein Hühnerhaufen“, es fehle jedes „Polit-Management“.

Pröll präzisiert erstmals einen gewagten Vorschlag: Er will – „noch vor der nächsten Wahl 2013“ – eine Verfassungsänderung in Österreich, wonach künftig alle im Parlament vertretenen Parteien auch in der Regierung sind und die Regierung künftig ihre Beschlüsse im Ministerrat nicht mehr einstimmig, sondern mit Mehrheit fasst.
Sprich: Mal beschließen die Minister von ÖVP und SPÖ ein Gesetz, dann jene von SPÖ, Grünen, FPÖ.

Pröll verspricht sich damit „ein Ende der Blockade und des Stillstands, der unerträglich wird“. Pröll: „Es käme wieder Dynamik in die Regierungsarbeit.“
 

Pröll: »Regierung droht an Wand zu fahren!«

ÖSTERREICH: Herr Landeshauptmann, wir haben einen Zitter-Sommer erlebt. Auf der einen Seite die Angst vor einer neuen Krise. Auf der anderen Seite die guten Arbeitsmarkt- und Wachstumsdaten bei Ihnen in Niederösterreich. Warum können Sie jubeln, während Europa zittert?
Erwin Pröll: Wir konnten uns gut von der internationalen Entwicklung abkoppeln, weil wir gleich zu Beginn der Krise mit großen Konjunkturpaketen gegengesteuert haben, weil wir auch in eine Reihe von Konjunkturmaßnahmen viel investiert haben. Und das macht sich bezahlt. Wir haben in Niederösterreich 590.000 Beschäftigte, das sind 13.000 mehr als im vergangenen Jahr, und das ist in Niederösterreich der Höchststand in der 2. Republik.

ÖSTERREICH: Überall bricht das Wachstum ein – bei Ihnen nicht?
Pröll: Die Wirtschaftsforscher prognostizieren für Niederösterreich heuer ein Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent, das ist noch deutlich besser als der sehr gute Österreich-Schnitt von 3,0 Prozent. Wir sind im Wachstum jetzt Nummer eins, und wir sind nach Wien auch bei der Kaufkraft schon Nummer zwei.

ÖSTERREICH: Haben Sie eigentlich Angst vor der Eurokrise?
Pröll: Angst habe ich prinzipiell nie, denn Angst ist ein schlechter Begleiter für einen Politiker. Aber ich glaube, jetzt sind Vorsicht und Umsicht angesagt. Die Zeiten sind unsicher geworden – und niemand darf heute in der Politik zu viel riskieren oder zu viel versprechen.

ÖSTERREICH: Wer ist schuld an der Krise in Europa?
Pröll: Die Schuld liegt ausnahmslos bei allen Ländern, die jetzt große Probleme mit ihrer Wirtschaft haben, sie haben sich selbst in diese Situation gebracht. Und deshalb muss man als Erstes auch fordern, dass sie selbst die Maßnahmen setzen, mit denen sie aus der Misere wieder herauskommen. Wir können nicht jedem helfen, der sich in die Pleite manövriert. Aber ich bin auch Realist und weiß, dass wir gut daran tun, diese notwendige Überbrückung zu unterstützen, denn den Euro und den Euroraum jetzt infrage zu stellen, das wäre ein fürchterlicher Rückschritt. Gerade wir Österreicher verdanken das Wachstum, über das wir uns jetzt freuen, dem Euro. Deshalb müssen wir ihn gemeinsam retten.

ÖSTERREICH: Heißt das, Sie sind letztendlich auch dafür, die gefährdeten Länder mit ­Eurobonds zu stützen?
Pröll: Nein, davor würde ich warnen – Eurobonds kommen nicht infrage, weil sie für Österreich extreme Nachteile hätten. Ich bin aber sehr wohl dafür, dass einerseits Banken, andererseits auch wohlhabende Investoren einen ordentlichen Anteil bei der Euro-Rettung mittragen. Nicht unbedingt in Form neuer Steuern – sondern eher, indem zum Beispiel die Banken wirklich die Kredite, die ­Griechen oder andere Länder brauchen, mittragen müssen.

ÖSTERREICH: Sind Sie eigentlich ein Freund der Vermögenssteuer? Sollen die Reichen in Zukunft einen Anteil bei der Bewältigung der Krise leisten?
Pröll: Ich bin ein vehementer Gegner jeder Vermögenssteuer. Die Vermögenssteuer, wie sie die SPÖ will, würde den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich verschlechtern und breite Schichten treffen. Und dann ist mir noch etwas wichtig: Ich halte es für sehr gefährlich, in der jetzigen wirtschaftlich unsicheren Situation eine neue Steuerdiskussion vom Zaun zu brechen und zusätzlich zu verunsichern.

ÖSTERREICH: Irritiert es Sie, dass die SPÖ jetzt gegen die ­Finanzministerin eine neue Steuer-Diskussion startet? Die SPÖ kämpft für Gerechtigkeit – und die ÖVP bleibt über.
Pröll: Nicht die ÖVP – Österreich bleibt über. Mich irritiert es wirklich fürchterlich, dass derzeit fast täglich ein anderes SPÖ-Regierungsmitglied – meist mit dem Kanzler an der Spitze – mit einem Sachvorschlag in die Öffentlichkeit geht und einen Ballon steigen lässt, ohne das vorher in der Regierungs­koalition auch nur im Geringsten verhandelt zu haben. Raus kommt dann, dass diese Vorschläge sachlich nicht umzusetzen sind, dass alle wie ein Hühnerhaufen zu streiten beginnen und ein fürchterliches Bild dieser Regierung entsteht. Ich will es einmal ganz deutlich sagen: Wenn das so weitergeht, dann fährt diese Regierung in den nächsten Wochen oder Monaten an die Wand. Ich halte das, was in dieser Regierung derzeit tagtäglich passiert, für ein dramatisches Versagen des politischen Managements des Regierungschefs.

ÖSTERREICH: Ihnen geht das ganze politische Hickhack dieser Regierung auf die Nerven. Auch bei der Wehrpflicht?
Pröll: Mir geht die Wehrpflicht-Debatte unglaublich auf die Nerven. Der Bundeskanzler muss sich doch einmal fragen: Was will er? Und er muss sich im Klaren sein, dass sein politisches Management derzeit nur mehr ein „Management by Chaos“ ist.

ÖSTERREICH: Sind Sie für die Abschaffung der Wehrpflicht?
Pröll: Nein, ich glaube, dass schwere Katastrophensituationen ohne Bundesheer nicht bewältigbar sind, und gerade hier in Niederösterreich sind wir mit den schlimmen Hochwasserkatastrophen schwer geprüft. Wir würden heute noch an den Folgen des Hochwassers von 2002 leiden, wenn wir das Bundesheer mit seinen vielen Tausend Präsenzdienern nicht gehabt hätten.

ÖSTERREICH: Haben Sie einen Kompromissvorschlag in der Wehrdienst-Debatte?
Pröll: Mein Vorschlag ist: Verkürzen wir den Wehrdienst so, dass er keinem jungen Menschen wehtut. Mein Vorschlag war 5 Monate, ich könnte mir auch als Kompromiss nur 4 Monate Wehrdienst vorstellen. Wir haben ja ein völlig anderes Gefahrenpotenzial als vor 20 Jahren, wir brauchen eine neue Strategie. Wir brauchen eine völlig neue Form der Ausbildung – und diese Reform sollte die Regierung schaffen.

ÖSTERREICH: Blockiert sich diese Regierung nicht ständig? Nehmen wir die Bildung.
Pröll: Der Stillstand bringt genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen: eine bessere Ausbildung für junge Menschen. Nehmen Sie die Universitäten. Derzeit hat an unseren Unis niemand eine optimale Voraussetzung, die Studierenden treten sich gegenseitig auf die Zehen, um einen Sitzplatz im Lehrsaal zu ergattern. Das ist unwürdig. Über kurz oder lang gibt es keinen Weg vorbei an Studiengebühren plus einem Auswahlverfahren.

ÖSTERREICH: Also sind Studiengebühren ein Muss für Sie …
Pröll: Daran führt kein Weg vorbei. Studiengebühren müssen kommen. Ich hielte es für ein ideales Modell, so wie in einigen Staaten der Welt, jedem Studenten, der Studiengebühren nicht leicht zahlen kann, einen Kredit zu geben, den er erst zurückzahlen muss, wenn er mit dem Studium fertig ist und einen gut bezahlten Job hat.

ÖSTERREICH: Gibt es einen Kompromiss zur Gesamtschule?
Pröll: Ich schätze Kompromisse in allen Bereichen. Aber ich bin ein Gegner der Gesamtschule. Ich denke, dass diese sieben Milliarden Menschen auf unserer Erde nicht alle die gleichen Neigungen haben. Der Gleichmachung kann ich nichts abgewinnen. Mein Vorschlag für eine Schulreform ist mutiger: Verlängern wir die gemeinsame Schule – in Form einer ganz neuen, modernen Schule – bis zum 12. Lebensjahr. Erst dann soll die Entscheidung für Neue Mittelschule oder Gymnasium fallen. Und dann soll es ab dem 13. Lebensjahr ein wirklich leistungsorientiertes, mit Förderkursen verbessertes Schulsystem geben.

ÖSTERREICH: Frustriert Sie der Stillstand in der Regierung – die Menschen wenden sich von der Politik ab, sind frustriert.
Pröll: Genau das ist auch mein Eindruck, die Menschen in unserem Land sind zutiefst frustriert über die Bundespolitik. Wir haben eine neue Umfrage in Niederösterreich, die ein erschreckendes Bild zeigt: 75 Prozent aller Niederösterreicher bewerten die Arbeit der Bundesregierung in Wien als schlecht und sind enttäuscht. Dieselben Menschen bewerten die Arbeit der Landesregierung zu 80 Prozent positiv und sagen, es ist wunderbar, in diesem Land zu leben. Das ist ein Punkt, wo ich in Richtung Bundesregierung sagen muss: Freunde, so geht das nicht weiter! Und deshalb habe ich ja auch die Frage in den Raum gestellt: Soll man nicht die Verfassung weiterentwickeln? Ich glaube, wir sollten sehr ernsthaft die Diskussion über die Möglichkeit für eine Mehrparteien-Regierung führen. Meine Anregung ist, dass die Bundesregierung künftig nach dem Ergebnis der Nationalratswahl gebildet werden soll. Das heißt: Die Ministerämter der Regierung werden je nach Wählervotum aufgeteilt, und im Ministerrat gilt nicht mehr das Prinzip der Einstimmigkeit wie bisher, sondern in der Regierung bilden sich Mehrheiten. Mal stimmen die Minister von ÖVP und SPÖ für eine Ministerratsvorlage, dann jene von ÖVP und Grünen. Damit wären Stillstand und Blockade beendet. Wir hätten eine Regierung, in die wieder Dynamik und Handlungsfähigkeit kommen, in der sich Mehrheiten bilden können.
 

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