Paukenschlag
Erwin Pröll tritt zurück
17.01.2017
Niederösterreichs Landeshauptmann gibt Abschied bekannt.
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"Landespolitische Verantwortung sagt, man muss auch wissen, wann es Zeit ist." Mit diesen Worten hat Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt. Die Nachfolge soll am Mittwoch im Landesparteivorstand geklärt werden. Als Favoritin gilt LHStv. Johanna Mikl-Leitner. Sie wäre die erste Frau an der Spitze des größten Bundeslandes.
Dass Pröll gut ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl das Zepter aus der Hand gibt, kam nicht unbedingt erwartet. Er werde beim Landesparteitag, der voraussichtlich im März stattfindet, nicht mehr als Obmann kandidieren, kündigte er an. In der Landtagssitzung danach werde er auch als Landeshauptmann abtreten.
"Politisches Handeln heißt auch entsprechende Verantwortung übernehmen", sagte Pröll in einem Statement im NÖ Landhaus. Es gehe darum, "zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Schritt in die richtige Richtung" zu setzen. Er habe "zeitgerecht übergeben" wollen. "Das werde ich tun."
"Sehr persönliche Entscheidung"
Er habe eine "sehr persönliche Entscheidung" getroffen, erläuterte Pröll. Er sei seit 37 Jahren in der NÖ Landesregierung, 36 davon "in einer der beiden höchsten Funktionen" und im 25. Jahr als Landeshauptmann. Er stehe "im 71. Lebensjahr" und somit "im sechsten Jahr über dem Pensionsalter: "Bei der Landtagswahl 2018 wäre ich im 72. Lebensjahr"Seine Entscheidung sei über Weihnachten und Neujahr, mit der Fixierung des Termins der Vorstandssitzung und mit der Familie gefallen, ließ der scheidende Landeshauptmann wissen. Er habe "klare Verhältnisse" durch drei absolute Mehrheiten in drei Wahlgängen erhalten, erinnerte Pröll. Er fühle sich der niederösterreichischen Bevölkerung verpflichtet, ebenfalls klare Verhältnisse zu schaffen. "Das habe ich heute getan."
Im Landesparteivorstand am Mittwoch werde es um "alle Schritte im Zusammenhang mit meinem Schritt" gehen. Zu einer Nachfolgerin bzw. einem Nachfolger nahm Pröll am Dienstag nicht Stellung.
37 Jahre in der NÖ Landesregierung seien eine "spannende Zeit" gewesen. Er sei "unglaublich dankbar", sagte der scheidende Landeschef. Niederösterreich habe tolle Ziele erreicht. Das Land sei "dynamisch aufgestellt und international positioniert". Sein Regierungsteam bilde "eine ausgezeichnete Grundlage für den Weg in die Zukunft".
Wenn er im März das Amt als Landesparteiobmann übergebe, sei es noch ein Jahr bis zur Landtagswahl. Das sei die selbe Situation, die er erlebt habe, erinnerte Pröll. Er hatte im Frühjahr 1992 die ÖVP Niederösterreich übernommen und ein Jahr später seine erste Wahl zu schlagen.
"Respekt und Anerkennung"
ÖVP-Bundesparteichef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sprach Pröll "im Namen der gesamten Volkspartei seinen Respekt und seine Anerkennung" aus. Der scheidende Landeshauptmann habe für Niederösterreich "enorm viel geleistet und erreicht" und sein Amt "vorbildlich" wahrgenommen. "Gerade seine vielen herausragenden Wahlerfolge haben bestätigt, wie sehr die Menschen diesen Einsatz honorieren", erklärte Mitterlehner.
Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sprach seinen Respekt für Prölls politisches Lebenswerk aus. "Er hat die Politik in Österreich über die Grenzen seines Bundeslandes hinaus geprägt."
"Für mich steht heute der Respekt vor der Lebensleistung Erwin Prölls im Mittelpunkt", reagierte Mikl-Leitner. "Und zu diesem Respekt zählt für mich auch, heute keine weiteren Kommentare abzugeben."
"Erwin Pröll ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit und hat unglaublich viel für unser Bundesland geleistet und erreicht. Dies ist daher zuallererst der Moment der Dankbarkeit", sagte Agrarlandesrat Stephan Pernkopf (ÖVP). Er ist ebenfalls ein Kandidat für die Pröll-Nachfolge.
Sobotka nimmt sich aus dem Rennen
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat sich am Montagabend in der "ZiB 2" selbst aus dem Rennen genommen. Er sei kein Kandidat, sagte der frühere Landesvize und Finanzlandesrat. "Ich bin gerne Innenminister und unterstütze Hanni Mikl-Leitner." Sobotka und Mikl-Leitner gehören dem ÖAAB an. Pernkopf ist Bauernbündler. Von den sieben NÖ Landeschefs seit 1945 war nur Siegfried Ludwig ein Vertreter des Arbeitnehmerbundes.
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) würdigte die "unglaubliche Lebensleistung" Prölls. Die "Erfolgsgeschichte Niederösterreichs" sei untrennbar mit dem Namen Erwin Pröll verbunden. Salzburgs Wilfried Haslauer (ÖVP) strich die "hervorragenden" Verdienste des scheidenden Kollegen heraus. "Mit Landeshauptmann Erwin Pröll verlässt eine der prägendsten Persönlichkeiten die politische Bühne." Burgenlands Hans Niessl (SPÖ) betonte in einer Stellungnahme, ihn verbinde mit Pröll eine "langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit über Bundesländergrenzen und Parteigrenzen hinaus".
"Wenn man mit jemanden seit 1988 sehr intensiv zusammengearbeitet hat, dann ist es noch nicht wirklich durchgesickert, dass dieser politische Partner tatsächlich in einer absehbaren Zeit nicht mehr zur Verfügung steht", reagierte Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). "In Niederösterreich geht eine Ära zu Ende", stellte Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner (ÖVP) fest.
SPÖ NÖ "überrascht"
Die SPÖ NÖ bezeichnete den Rückzug als "überraschend". Pröll habe sich zweifellos viele Verdienste um das Land erworben, "aber die Sozialdemokratie war mit seiner Politik - insbesondere im sozialen Bereich - nicht unumschränkt einverstanden, etwa zuletzt bei der Kürzung der Mindestsicherung", erinnerte Landesparteivorsitzender Matthias Stadler. Als Bürgermeister von St. Pölten stellte er fest, dass mit Pröll "eine prägende, aber auch polarisierende Person die Politbühne" verlasse.
"Auch wenn es in der Politik unterschiedlichste Auffassungen gab, so muss man eine 25-jährige Amtszeit als Landeshauptmann mit Respekt betrachten", teilte der Obmann der FPÖ NÖ, Walter Rosenkranz, mit. "Erwin Pröll war sicher Machtpolitiker, was nicht nur die ÖVP intern, sondern bei Föderalismusdebatten die Bundesregierung in Wien praktisch zu spüren bekam."
Mit grenzüberschreitendem Agieren und pro-europäischem Denken habe Pröll das Land Niederösterreich vom Rande ins Zentrum Europas geführt, erinnerte Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im NÖ Landtag. Als "Schattenseite" wertete sie "fehlende Transparenz und ein bemerkenswertes Demokratiedefizit. Kontroll- und Mitbestimmungsrechte sind in der Ära Pröll nie ein Thema gewesen." Jetzt habe Niederösterreich "die Option auf einen Demokratieschub".
Die Liste Frank bezeichnete den Rücktritt Prölls in einer Aussendung als "riesige Chance". Klubobmann Ernest Gabmann forderte mehr Transparenz, ein faires Miteinander, moderneres Arbeiten und effizientes Wirtschaften. Der Pröll-Rücktritt mache den "Weg frei für ein neues Niederösterreich", teilte NEOS-Landessprecherin Indra Collini mit.