Neue Regierung
"Es muss viel schneller gehen"
10.10.2008
Börsen sind in Panik, die Wirtschaft steht vor einem Abschwung: Immer mehr Polit-Promis fordern jetzt rasch eine neue Regierung.
Die ÖVP dürfte mit ihrer Strategie, bei den anlaufenden Regierungsverhandlungen auf Zeit zu setzen, von den Ereignissen überrollt werden.
Österreich-Gespräch erst am Dienstag
Tatsächlich wurde
gestern erst einmal ein Österreich-Gespräch mit allen Parteichefs für
kommenden Dienstag angesetzt – die Regierungsverhandlungen sollen überhaupt
erst in zwei Wochen starten. Doch angesichts purzelnder Aktienkurse und
immer neuer negativer Prognosen steigt der Druck auf die Schwarzen, einen
Zahn zuzulegen. Der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky forderte beide
Parteien auf, Gas zu geben. Vranitzky im Gespräch mit ÖSTERREICH: „Wenn
jetzt von einer Regierung zu Weihnachten die Rede ist, muss ich sagen: So
viel Zeit haben wir nicht. Vor uns liegen zwei Drittel des Oktobers und der
ganze November. Ich wäre dafür, dass es angesichts der Finanzkrise schneller
geht.“ Und: Vranitzky übt scharfe Kritik an der zaudernden ÖVP: „Zuerst wird
die Regierung in die Luft geblasen und dann sagen dieselben Herrschaften
angesichts der Krise, wir hätten ohnehin eine arbeitsfähige Regierung.“
Nicht minder scharf bringt es der frühere Finanzminister und Industrielle Hannes Androsch auf den Punkt: „Die Feuerwehr kann doch nicht zum Brandbekämpfungskurs gehen, während es brennt“, spielt er auf die bevorstehenden langwierigen Koalitionsverhandlungen an.
Kein zweites Gusi-Schicksal
Und auch der Wiener Bürgermeister
Michael Häupl sagt im ÖSTERREICH-Interview: „Das Wichtigste ist das, was
sich die Leute denken, und da merkt man natürlich schon die
Erwartungshaltung, dass es möglichst bald eine handlungsfähige Regierung
gibt.“ Wenngleich Häupl auch klar macht: Ein zweites Gusenbauer-Schicksal
werde die SPÖ nicht erleben: „Dann sind wir halt nicht in der Regierung.“
Doch auch die Polit-Altvorderen in der ÖVP sind gegen endlose Koalitionsverhandlungen. So sagt der frühere EU-Kommissar Franz Fischler auf Anfrage von ÖSTERREICH: „Natürlich haben wir nicht viel Zeit. Bis Weihnachten sollte es schon eine neue Regierung geben – auch wenn natürlich gut verhandelt werden muss und das seine Zeit braucht.“ Und der frühere ÖVP-Chef Erhard Busek übt Kritik an SPÖ und ÖVP, beide sollten möglichst schnell ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen auf den Tisch legen, denn: „Es hat doch überhaupt keinen Sinn, eine Regierung anzugeloben, wenn die nicht weiß, wohin die Reise geht“, so der Ex-Vizekanzler.
Allein Nationalbankpräsident Claus Raidl sieht die Situation gelassen: „Wir haben eine Regierung – und dass sie funktioniert, haben wir in den letzten Tagen gesehen.“