Die von der Uni Wien beauftragte Kommission hat die Vorwürfe entkräftet.
Die Dissertation des früheren Wissenschaftsministers und nunmehrigen EU-Kommissars Johannes Hahn (V) ist kein Plagiat. Das hat nach einem Experten der Uni Zürich, der die Arbeit im Jahr 2007 überprüft hat, auch die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) festgestellt. "Bei der Dissertation von Herrn Dr. Hahn handelt es sich nicht um ein Plagiat. Entsprechend liegt auch kein wissenschaftliches Fehlverhalten vor", heißt es in der Stellungnahme, die die Universität Wien am Freitag veröffentlicht hat. Das Plagiatsprüfungsverfahren wurde daher eingestellt.
Schlampig zitiert, aber nicht abgeschrieben
Das Zitieren von Texten anderer Autoren in Hahns Dissertation "Die Perspektiven der Philosophie heute - Dargestellt am Phänomen Stadt" aus dem Jahr 1987 würde zwar nach heutigen allgemein anerkannten Standards "nicht den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis" entsprechen, heißt es wörtlich in der Stellungnahme der OeAWI, die u.a. auf den Gutachten dreier ausländischer Philosophieprofessoren basiert. Nach 25 Jahren sei aber nicht mehr zu verifizieren, ob die Arbeit damals an der Uni Wien geltenden Standards entsprochen habe.
Rektor: So eine Dissertation würde heute nicht mehr akzeptiert
"Heute würde eine solche Dissertation nicht mehr angenommen", betonte allerdings der Rektor der Uni Wien, Heinz Engl. "Die Standards waren damals offenbar lockerer als jetzt." Die Aufgabe der OeAWI sei aber nicht gewesen, festzustellen, ob Hahns Arbeit "eine gute, mittelmäßige oder nicht so gute Dissertation war", sondern ob die Zuerkennung des Doktortitels auf Täuschung beruht habe, so Engl.
Hahn gab sich überzeugt, dass "mit der eindeutigen Feststellung, dass es sich bei meiner Arbeit um kein Plagiat handelt und dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten meinerseits vorliegt, dieses Kapitel nun endgültig abgeschlossen ist".
Heftige Kritik vom Salzburger Plagiatsjäger Weber
Kritik kam indes vom Salzburger Medientheoretiker Stefan Weber, der in beiden Fällen maßgeblich dafür mitverantwortlich war, dass die Uni Wien Hahns Doktorarbeit überprüfen ließ und selbst in einem Gutachten zum Schluss kam, dass ein Fünftel der Arbeit Hahns abgeschrieben sei. Er nannte es "wissenschaftlich skandalös", dass die OeAWI-Stellungnahme zu Hahns Entlastung nur "15 magere Zeilen" umfasse, die Gutachten der drei externen Experten aber nicht veröffentlicht würden. "Das ist eine Form der Wissenschaftskommunikation, die intransparent ist."
Grünen-Politiker Pilz vermisst "ernsthafte" Prüfung
Aus Sicht des Grünen-Abgeordneten Peter Pilz, der Weber im Frühjahr mit einer umfassenden Untersuchung von Hahns Arbeit beauftragt hatte, hat die Uni Wien eine "ernsthafte Prüfung verweigert" und "sich damit unnötig blamiert". ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch sah dagegen eine Niederlage "für den grünen Pseudo-Aufdecker Pilz", dessen Glaubwürdigkeit nun "endgültig dahin" sei.
Leserunfreundlich, aber redlich
Die Uni Wien hatte das Gutachten zu Hahns Abschlussarbeit bei der OeAWI in Auftrag gegeben, nachdem der EU-Kommissar im Zuge der Plagiatsaffäre um den deutschen Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg erneut beschuldigt worden war, in seiner Doktorarbeit plagiiert zu haben. Bereits 2007 hatte die Uni Wien Teile von Hahns Arbeit durch einen Experten der Uni Zürich prüfen lassen. Schon damals kam der Gutachter zu dem Schluss, dass Hahns Zitierweise zwar "leserunfreundlich", aber "redlich" gewesen sei.
Lesen Sie die Chronologie der Plagiatsvorwürfe auf Seite 2 >>>
"Bei der Dissertation von Herrn Dr. Hahn handelt es sich nicht um ein Plagiat": Zu diesem Schluss kommt die von der Universität Wien beauftragte Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) in einer heute, Freitag, präsentierten Stellungnahme. Folgend eine Chronologie der Plagiatsvorwürfe gegen den ehemaligen Wissenschaftsminister und nunmehrigen EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP), die ihren Ursprung vor mehr als vier Jahren hatten:
24. Mai 2007: Der als "Plagiatsjäger" bekannt gewordene Salzburger Medienwissenschafter Stefan Weber wirft Hahn"seitenweises unzitiertes Abschreiben" in Teilen von dessen 254 Seiten umfassenden Dissertation zum Thema "Perspektiven der Philosophie heute - dargestellt am Phänomen Stadt" aus dem Jahr 1987 vor. Hahn habe "absolut schlampig gearbeitet" und aus Leopold Kohrs einige Jahre zuvor erschienenem Buch "Die überentwickelten Nationen" "abgeschrieben". Webers Vorwürfe bescheren Hahn eine der schwersten Krisen seiner Amtszeit. Auch der Experte für wissenschaftliches Fehlverhalten, Gerhard Fröhlich, Professor am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Universität Linz, spricht daraufhin von einem "laxen Umgang mit Textübernahmen" aus Kohrs Werk.
1. Juni 2007: Die Uni Wien lässt die von Weber inkriminierten Passagen durch die für Fragestellungen der guten wissenschaftlichen Praxis zuständigen Ombudsstelle der Universität Zürich prüfen.
11. Juni 2007: Die Universität Wien verzichtet nach Vorliegen des Gutachtens der Uni Zürich auf die Einleitung eines Plagiatprüfungsverfahrens. Studienpräses Brigitte Kopp begründet dies damit, dass die untersuchten Passagen laut Gutachten "nicht plagiatverdächtig" sind.
12. Juni 2007: Nach einer "systematischen Überprüfung weiterer Unterkapitel" beschuldigt Weber Hahn nun erstmals des Plagiats.
22. Februar 2011: Im Zuge der Plagiatsaffäre des damaligen deutschen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg gerät Hahn, der mittlerweile EU-Kommissar ist, erneut ins Visier. Der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz gibt bei Weber ein neues, umfassendes Gutachten in Auftrag.
6. März 2011: Weil die Uni Wien auf die Vorwürfe gegen Hahn nicht reagiert, gründet Weber mit anderen Plagiatsexperten eine "Initiative für Transparenz in der Wissenschaft". Ziel ist "lückenlose und insbesondere transparente Aufklärung" von etwaigen Plagiatsfällen in Österreich.
18. April 2011: Die Uni Wien kündigt eine neuerliche Überprüfung von Hahns Dissertation an. Diesmal wird die österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) mit dem Gutachten beauftragt.
23. Mai 2011: Laut dem neuen Gutachten Webers hat Hahn rund ein Fünftel seiner Dissertation abgeschrieben. Hahn habe sich "offensichtlich seine Dissertation erschwindelt", interpretiert Auftraggeber Pilz das Ergebnis. Die OeAWI kündigt an, das Gutachten in ihrem Urteil zu berücksichtigen.
4. November 2011: Die OeAWI kommt zu dem Schluss, dass es sich bei der Dissertation Hahns nicht um ein Plagiat handelt. Basierend auf den Gutachten dreier ausländischer Philosophieprofessoren sowie in Einbezug von Webers Gutachten heißt es in der Stellungnahme, es liege entsprechend "auch kein wissenschaftliches Fehlverhalten vor". Das Zitieren von Texten anderer Autoren in der Arbeit aus dem Jahr 1987 entspreche zwar nach heutigen allgemein anerkannten Standards "nicht den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis", nach 25 Jahren sei aber nicht mehr zu verifizieren, ob die Arbeit damals an der Uni Wien geltenden Standards gerecht werde.