Vorratsdaten
EU-Kommissarin Reding rügt Österreich
18.02.2011
"So geht es nicht. Österreich hat dieses Gesetz anzuwenden."
EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat am Freitag in Wien betont, dass Österreich die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen müsse und man nicht das Argument ins Treffen führen könne, dass es bereits eine Debatte über eine mögliche Überarbeitung der Bestimmungen gebe. "Falls das Schule machen sollte, dürfen wir in Brüssel ja nie über Reformen nachdenken, weil ein Nachdenken über Reformen ja dann schon eine Aussetzung der gesetzlichen Obligationen mit sich bringen würde. Das darf doch nicht sein."
Richtlinie seit 2007 in Kraft
Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sei "von den Regierungen entschieden worden" und sei anzuwenden, "und zwar seit 2007", sagte Reding. Österreich sei ja schon einmal im Juli 2010 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt worden.
"Ist Österreich fähig, dieses neue Gesetz vorzulegen?"
"Das neue Gesetz soll her - ich weiß, da bestehen einige Auseinandersetzungen im Parlament, aber das ist nicht mein Problem. Mein Problem ist: Ist Österreich fähig - ja oder nein -, dieses neue Gesetz vorzulegen?" Reding wies darauf hin, dass in der Richtlinie Möglichkeiten enthalten seien, die "grundrechtschonende Umsetzungen" erlaubten. "Falls das nicht geschieht, glaube ich schon, dass ein neues Vertragsverletzungsverfahren angestrengt werden wird, das diesmal dann auf Geldbußen für Österreich hinauslaufen würde."
"So geht es nicht"
Unabhängig vom bereits bestehenden Recht analysiere die Kommission - auch angesichts der EU-Grundrechtscharta - mögliche Änderungen im Nachhinein. Dabei handle es sich um eine Analyse der Anwendung eines Gesetzes, das eben in Österreich noch gar nicht angewendet werde. "So geht es nicht. Österreich hat dieses Gesetz anzuwenden, und wir haben uns darum zu kümmern, dass die Gesetzgebung in Europa regelmäßig den neuen Bedingungen angepasst wird, und das eine kann und darf das andere nicht ausschließen."
Opposition geschlossen dagegen
Die Oppositionsparteien machen geschlossen Front gegen die Speicherung von Handy-, Internet und sonstigen Telekommunikationsdaten. Nach harscher Kritik des Grünen Peter Pilz am Freitag deponierten auch FPÖ und BZÖ in Aussendungen ihr Nein zur Vorratsdatenspeicherung. Die beiden schossen sich vor allem auf die EU ein, deren Richtlinie ja Anlass ist.
FPÖ: "EU-Forschungsprojekt"
FP-Verfassungssprecher Harald Stefan befand, die Europäische Union stelle "alle Österreicher unter Generalverdacht" und sah eine Gefahr für die Bürgerrechte. Er witterte überdies einen größeren Zusammenhang: Die Vorratsdatenspeicherung diene nur für ein EU-Forschungsprojekt, in dem "alle verfügbaren Daten europäischer Bürger verknüpft werden sollten". Dies wäre "der Anfang vom autoritären Superüberwachungsstaat", so das Bedrohungsszenario aus freiheitlicher Sicht.
Stadler (BZÖ) fordert Boykott
BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler forderte - ungeachtet dräuender Strafzahlungen - die Regierung dazu auf, die Umsetzung der Richtlinie zu boykottieren. "Es ist völlig unverantwortlich, dass SPÖ und ÖVP dem Brüsseler Überwachungswahnsinn zustimmen wollen", erklärte er. Telefonate und Ähnliches seien "Privatsache", hier hätten "staatliche Datenschnüffler nichts verloren".
Ein Nein der Oppositionsparteien würde einen Beschluss der für die Umsetzung nötigen Gesetzesänderungen freilich nicht verhindern, denn nach Auskunft des Infrastrukturministeriums ist dafür keine Verfassungsbestimmung notwendig, also auch keine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Sehr wohl Voraussetzung ist allerdings eine Einigung von SPÖ und ÖVP; kommenden Dienstag im Ministerrat probt man einen neuen Anlauf.
Experten sehen Kosten als Knackpunkt
Die Internet Service Providers Austria (ISPA) als Dachverband der Internet-Service-Anbieter sowie das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) sehen noch mehrere Knackpunkte bei den Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP zur Vorratsdatenspeicherung: Umstritten seien demnach die Fragen des Datenzugriffs und der Kostenaufteilung sowie die Frage, ob man auch zivilrechtliche Ansprüche in das Gesetz hinein nimmt. Die vom Justizministerium zuletzt geortete Verschlechterungen für Ermittler wurden erneut in Abrede gestellt.
Ablehnend stehen BIM-Mitarbeiter Christof Tschohl, zuständiger Koordinator des interdisziplinären Beratungsteams für das Infrastrukturministerium, wie auch ISPA-Generalsekretär Andreas Wildberger einer möglichen Verankerung von zivilrechtlichen Ansprüchen (etwa bei Urheberrechtsvergehen) im Gesetz gegenüber. Derartige Fragen müssten getrennt diskutiert werden, so Wildberger.
Er trete aber natürlich dafür ein, Urhebern ihre Rechte abzusichern, betonte der ISPA-Generalsekretär - aber eben auf anderem Wege. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) hatte derartige Bestrebungen indes bereits diesen Dienstag als "vom Tisch" bezeichnet.