Ratspräsident

Schüssel am Weg zum EU-Kaiser

29.10.2009

Wolfgang Schüssel ist nun Favorit für den hächsten EU-Job.

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Die Chancen für Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) als EU-Kompromisskandidat für den Posten des EU-Ratspräsidenten steigen. In Brüssel mehren sich die Hinweise, dass die Sozialdemokraten bei ihrem Parteitreffen vor dem EU-Gipfel am Donnerstag einen oder mehrere Kandidaten für das Amt des EU-Außenpolitik-Beauftragten vorschlagen werden, wie die APA in informierten Kreisen erfuhr. Als mögliche Kandidaten gelten der britische Außenminister David Miliband und der spanische Chefdiplomat Miguel Moratinos.

Zuletzt waren in Medienspekulationen auch der frühere Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der deutsche Ex-Außenminister Frank Walter Steinmeier als mögliche Anwärter der EU-Sozialdemokraten auf den Posten genannt worden. Mittlerweile haben Österreich und Deutschland aber mit Johannes Hahn (ÖVP) bzw. dem CDU-Politiker Günther Öttinger Kandidaten für den Kommissarsposten nominiert. Da der Hohe Beauftragte für die EU-Außenpolitik nach dem Lissabon-Reformvertrag in Personalunion auch Vizepräsident der EU-Kommission wäre, wäre ein weiterer Posten für Österreich und Deutschland aber ausgeschlossen.

Nach Angaben von EU-Diplomaten werden die Posten des Ratspräsidenten und des EU-"Außenministers" im Paket von den Staats-und Regierungschefs entschieden. Dies bedeutet, dass voraussichtlich den Konservativen der Posten des Ratspräsidenten zufallen dürfte, wenn die Sozialsten den "Außenminister" stellen.

Gegen den frühzeitig als Favorit für den Ratspräsidenten gehandelten und von der Londoner Regierung unterstützen britischen Ex-Premier und Labour-Politiker Tony Blair hat sich zuletzt der Widerstand verstärkt. Die Benelux-Staaten und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sowie laut EU-Diplomaten auch andere kleinere Länder hatten sich gegen Blair ausgesprochen. Auch die EU-Sozialdemokraten selbst wollen Blair offenbar verhindern. SPE-Fraktionschef, Martin Schulz, sagte der "Berliner Zeitung", der künftige EU-Ratspräsident sollte aus einem Land kommen, das der Euro- und der Schengenzone angehört. Auf Großbritannien trifft das nicht zu.

Juncker bekräftigt Interesse
Der christdemokratische Luxemburger Premierminister und Eurozonenchef Jean-Claude Juncker hat kürlich sein Interesse an dem Amt des Ratspräsidenten bekräftigt und damit Blair direkt den Kampf angesagt. "Wenn es einen Aufruf an mich gäbe, hätte ich keinen Grund, ihn nicht zu hören", sagte der dienstälteste EU-Regierungschef am Dienstag der Zeitung "Le Monde". Beobachter in Brüssel vermuten allerdings, dass sich am Ende weder Blair noch Juncker durchsetzen werden. So sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Werner Langen, am Mittwoch, Berlin und Paris würden zusammenarbeiten "in der Verhinderung von Blair und Juncker" bei der Besetzung des EU-Ratspräsidenten. Langen brachte zugleich Schüssel als möglichen Kompromisskandidaten ins Spiel. Er fügte in Hinblick auf Blair hinzu, die EU-"Chefs" würden sich voraussichtlich einen "nicht so starken Ratspräsidenten wünschen". Beobachter in Brüssel sind sich einig, dass vor allem der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rolle einer "Königsmacherin" bei der Besetzung des Top-Postens zukommt.

Balkenende winkt ab
Der ebenfalls für den Posten des EU-Ratspräsidenten gehandelte konservative niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende hat laut der Nachrichtenagentur ANP erklärt, kein Kandidat für das Amt des EU-Ratspräsidenten zu sein. Balkenende sagte dem Bericht zufolge am Mittwochabend, er wolle sich nicht an einem "Gesellschaftsspiel in den Medien" beteiligen, er sei mit anderen Dingen betreffend die Zukunft seines Landes beschäftigt. Die Frage, ob er in Betracht käme als Ratspräsident, verneinte er. Zugleich wird in Brüssel aber nicht ausgeschlossen, dass sich Balkenende doch für diese prestigeträchtige Amt bitten ließe.

Kein Personalbeschluss beim Gipfel
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft plant keine formelle Debatte und keinen Beschluss über das EU-Personalpaket bei dem Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel, dennoch werden informelle Diskussionen der Staats- und Regierungschefs am Rande des Gipfels erwartet. Wolfgang Schüssel weilt derzeit noch in Tibet, um - wie er selbst sagte - "spirituelle Orte zu entdecken". Laut Angaben des ÖVP-Klubs kommt er nächste Woche vom Selbstfindungstrip zurück. Gerüchte über eine mögliche Ratspräsidentschaft wollte man nicht kommentieren, und auch ob es Gespräche gegeben hat, sei nicht bekannt. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hatte zuletzt bestätigt, dass Österreich "Interesse" an dem Posten des EU-Ratspräsidenten habe, aber Schüssel nicht namentlich genannt.

Buzek will Frau als Ratspräsidentin
EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek spricht sich hingegen für eine Frau an der Spitze der Europäischen Union aus. "Eine Frau als erste Präsidentin des Europäischen Rates wäre sehr bedeutsam", sagte Buzek am Donnerstagmorgen, wenige Stunden vor dem EU-Gipfel in Brüssel.

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