Bei EU-Gipfel soll der Reformvertrag besiegelt werden. Kanzler Gusenbauer meint, dass die Extrawünsche der Mitgiedsstaaten bis zum Abend gelöst sind.
SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer rechnet mit einer raschen Einigung der Staats- und Regierungschef auf den neuen Reformvertrag beim EU-Gipfel in Lissabon. Vor dem Beginn zeigte er sich optimistisch, dass es noch am Donnerstag zu einem Abschluss kommt. Die Sonderwünsche der einzelnen Mitgliedsländer würden bis am Abend unter Dach und Fach sein, so Gusenbauer. Der Vertrag ersetzt die gescheiterte EU-Verfassung.
Italien drohte mit Veto
Italien ist sauer, weil es im künftigen
EU-Parlament mit weit weniger Abgeordneten vertreten sein soll als bisher.
Gusenbauer findet die Sitzordnung gut ausbalanciert, immerhin bekommt
Österreich ein Mandat dazu. Der Kanzler zeigt aber auch Verständnis für die
italienische Position. Das Argument, für die Sitzverteilung anstelle der
Wohnbevölkerung eines Landes die Staatsbürger zu nehmen, sei
nachvollziehbar.
Polen drohte mit Verzögerung
Den Streit mit Polen um die
Aufschiebemöglichkeit bei EU-Mehrheitsbeschlüssen hält Gusenbauer auch für
lösbar. Die Drohung des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski mit weiteren
Verzögerungen beim EU-Vertrag sieht der Bundeskanzler "in Blickrichtung der
Wahlen" in Polen am Sonntag.
Uni-Quote auch am Tapet
Gusenbauer bekräftigte, dass er die Frage
des Uni-Zugangs noch einmal beim Gipfel ansprechen werde. Es sei gut, den
Europäischen Rat zu informieren, wie wir gemeinsam mit der Kommission
gedenken, das Problem zu lösen, so der Kanzler. Er geht auch davon aus, dass
Kommission-Präsident Barroso in der Sache das Wort ergreift. Dieser
hatte gestern angekündigt, das Vertragsverletzungsverfahren für fünf Jahre
auf Eis zu legen, um Österreich mehr Zeit zu geben, mehr Daten zu
beschaffen.
Gusenbauer gegen Volksabstimmung
Den neuen Reformvertrag einer
Volksabstimmung zu unterziehen, lehnt Gusenbauer grundsätzlich ab. Der
Vertrag sollte - so wie alle anderen EU-Verträge auch - vom Parlament
ratifiziert werden. Österreich habe alle anderen Verträge auch keiner
Abstimmung unterzogen.
Mit Gusenbauer ist ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik in der portugiesischen Hauptstadt.