Die Grünen gehen mutig in den EU-Wahlkampf.
Auf dem Hauptsujet der am Mittwoch präsentierten ersten Plakate sind die beiden Spitzenkandidaten Werner Kogler und Sarah Wiener mit dem Slogan "Mutig für Europa" zu sehen. Auf den Plakaten setzen sich die Grünen für Klimaschutz, gesundes Essen und Frieden ein. Auf allen vier Sujets werden die Wähler eingeladen, "am 26. Mai: Zurück zu den Grünen" zu kommen.
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Gebucht haben die Grünen rund 17.000 Flächen, vor allem kleine. Das ist angesichts der beschränkten Mittel der Grünen nur rund ein Drittel der Menge früherer Wahlkämpfe. Und die Aktivisten der Grünen müssen dafür auch selbst Hand anlegen. Bei der Präsentation am Mittwoch gingen Kogler und Wiener gleich mit gutem Beispiel voran und klebten selbst die ersten Plakate.
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Wahlkampfleiter Thimo Fiesel, selbst Landesgeschäftsführer der Tiroler Grünen, kündigte kräftige Unterstützung der Landesparteien im Wahlkampf an, die auch für das Aufstellen der Plakatständer zuständig sind. Ansonsten soll sich der Wahlkampf vor allem online und auf social media abspielen, Fernseh- oder Kinowerbung wird es nicht geben. Und die Grünen wollen vor allem den direkten Kontakt mit den Wählern suchen und mit Klingelpartien auch zu Hause anläuten.
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Zum Sujet "Wer braucht schon Klimaschutz? Du?" bekräftigte Kogler das Ziel, von der fossilen zur erneuerbaren Energie zu kommen. Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos zugelassen werden. Das Ziel sei 100 Prozent erneuerbare Energie.
Der Slogan "Wer braucht schon Frieden? Du?" steht für Kogler für die EU als Friedensprojekt und die Grünen als Friedenspartei. Der Spitzenkandidat betonte, dass damit vieles mehr gemeint sei, etwa auch Demokratie und bürgerliche Grundfreiheiten, die nicht mehr selbstverständlich seien. Er erinnerte daran, dass die Rechten in Europa die EU zerstören wollten und ernst gemeinter Nationalismus zu Krieg führe, wie schon der frühere französische Präsident Francois Mitterrand gesagt habe. Die Grünen seien hier ein Teil der Gegenbewegung. Kogler verwies auch darauf, dass die Unionsmitglieder 280 Milliarden Euro für Rüstung ausgeben.
Das Sujet "Wer braucht schon gesundes Essen? Du?" hat für Wiener mit gesunden Tieren, gesunden Böden und einer nachhaltigen Landwirtschaft zu tun. Die Listenzweite plädierte für eine europaweite Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel und dafür, dass gesundes Essen ein Menschenrecht sein sollte. "Wir wollen weniger vom Schlechten und mehr vom Guten", fasste Wiener ihr Credo zusammen.
Grünes Programm mit den Themen Klimaschutz & Gerechtigkeit im Mittelpunkt
Die Grünen stellen in ihrem Wahlprogramm für die EU-Wahl die Themen Umwelt- und Klimaschutz, gesunde Lebensmittel, Gerechtigkeit, Grund- und Menschenrechte sowie Jugendperspektiven in den Mittelpunkt. Bei der Präsentation des 31-seitigen Papiers, mit dem das europaweite Programm der Grünen ergänzt wird, war von der Vision einer "ökologischen, sozialen Friedensrepublik Europa" die Rede.
Das Programm nennt sich "Mutig für Europa!". Die Grünen wollen die EU-Wahl zur "Klimawahl" machen, wie sie auch zuletzt bei ihrer Kandidatenkür betont haben. Entsprechend ist dem Thema Umwelt- und Klimaschutz gleich das erste Kapitel des Papiers gewidmet. Europa solle eine globale Führungsrolle beim Klimaschutz einnehmen, hundert Prozent erneuerbare Energie sind das Ziel.
Es soll der Schienenverkehr gefördert und der Flug- und Schiffsverkehr um Steuerprivilegien gebracht werden. Auch dem Umwelt-, Wasser- und Naturschutz ist ein prominenter Platz gewidmet, inklusive Befreiung Europas vom Plastikmüll.
Bei den gesunden Lebensmitteln fordern die Grünen einen Strukturwandel im Agrarbereich. Sie soll nachhaltig und ökologisch werden. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU soll reformiert werden, um den Übergang von der industriellen Landwirtschaft und gentechnisch veränderten Organismen auf nachhaltige Anbauformen voranzutreiben.
Gerechtigkeit ist für die Grünen Überbegriff für Forderungen zum fairen Handel, nach Abschaffung von Steuerdumping und gezügelten Finanzmärkten hin zu nachhaltigem Wirtschaften, und nicht zuletzt zur Verankerung sozialer Grundrechte für Europas Bürger in einer Sozialunion. Auch Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern und mehr Verbraucherschutz kommen hier vor.
Beim Thema Grund- und Menschenrechte geht es um Asyl, Migration und Integration, aber auch um Rechtsstaatlichkeit, die Stärkung von Medienvielfalt und Zivilgesellschaft, die Aufwertung der demokratischen Strukturen der EU, eine gemeinsame Außen- und Friedenspolitik und den Schutz der Daseinsvorsorge. Das letzte Kapitel widmet sich unter anderem der Bildung, der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit, der europäischen Forschungsförderung sowie dem Thema Kunst und kulturelle Vielfalt.
EU-Wahl: Steckbrief von Werner Kogler
Steckbrief von Werner Kogler, der am 26. Mai 2019 als Spitzenkandidat für die Grünen bei der Wahl zum Europaparlament antritt.
Werner Kogler (57 Jahre)
Geboren am 20. November 1961 in Hartberg/Steiermark
Wohnorte: aufgewachsen in St. Johann in der Haide, lebt in Graz und Wien
Erlernter Beruf: Volkswirt, Umweltökonom
Familienstand: Lebensgemeinschaft
Lieblingsmusikstil: Rock/Pop, von Bilderbuch über Amy Winehouse bis Rolling Stones
Lieblingsbücher: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von Milan Kundera
Lieblingsfilme: schwarze Komödien aus Italien und Frankreich
Hobbys: ausgedehnte Spaziergänge, Radfahren, Champions League schauen und lesen
Lieblingsgetränk im Café Anzengruber: Espresso oder ein steirisches Puntigamer
Werdegang:
1981/82 Gründungsmitglied der Alternativen Listen Graz, Steiermark und Österreich
1985 bis 1988 Gemeinderat in Graz
1994 bis 1999 Mitarbeiter im grünen Klub im Parlament
1999 bis 2017 Abgeordneter zum Nationalrat
War Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen, stellvertretender Klubobmann und stellvertretender Bundessprecher
Nach dem Scheitern der Grünen bei der Nationalratswahl wurde er 2018 zum Bundessprecher gewählt
Hoffnung auf Verbleib im EU-Parlament bei den Grünen
Die Grünen haben sich im Laufe ihrer Geschichte von EU-Gegnern zu glühenden Verfechtern der europäischen Integration entwickeln. Bei den Wahlen zum EU-Parlament schnitten sie oft überdurchschnittlich gut ab. Die letzte Wahl 2014 brachte ihnen mit 14,52 Prozent das beste Ergebnis bei einer Bundeswahl überhaupt. Diesmal kämpfen sie um den Verbleib im Europaparlament, zwei Mandate sind das Ziel.
In die erste EU-Wahl 1996 gingen die Grünen mit dem Salzburger Parteigründungsmitglied Johannes Voggenhuber an der Spitze, der schon vom Beginn 1995 an als vom Nationalrat entsandter Mandatar im Europaparlament vertreten war. Das angestrebte zweite Mandat schafften sie nicht, sie kamen auf 6,8 Prozent der Stimmen.
Bei der zweiten Wahl 1999 legten die Grünen auf 9,3 Prozent zu. Neben Voggenhuber schaffte es damit auch die Schauspielerin Mercedes Echerer ins Europaparlament.
Im Jahr 2004 holten sie erstmals die Zweistelligkeit mit 12,9 Prozent, mehr als zwei Sitze schauten für die Grünen dennoch nicht heraus. Das zweite Mandat wanderte von Echerer zur Tirolerin Eva Lichtenberger, einst Österreichs erste grüne Landesrätin.
Fünf Jahre später rutschen die Grünen bei der Wahl 2009 wieder unter zehn Prozent (9,9), retteten aber ihr zweites Mandat. Erschwert wurde ihr Wahlkampf durch die Ausbootung Voggenhubers durch die Parteidelegierten, die Ulrike Lunacek den Vorzug als Spitzenkandidatin gaben. Ab diesem Zeitpunkt führte Voggenhuber eine lautstarke Kampagne gegen seine Heimatpartei, heuer tritt er mit der Liste EUROPA JETZT gegen sie an.
Die fünfte Europawahl 2014 brachte den Grünen einen Triumph. Lunacek setzte in der zweiten Spitzenkandidatur den Bundeswahl-Rekord auf 14,5 Prozent hinauf, die Riege wuchs auf drei Mandate. Die Grünen blieben klar Vierte vor der neuen Konkurrenz, den NEOS. Michel Reimon (als Nachfolger Lichtenbergers) und Monika Vana waren die Neuen im Europaparlament. Nach dem Debakel bei der Nationalratswahl 2017 trat Lunacek zurück, auf sie folgte Thomas Waitz.
Die nun sechste Europawahl am 26. Mai 2019 ist für die Grünen eine besonders wichtige, wollen sie nach dem Parlamentsrauswurf durch die Wähler doch die Trendumkehr schaffen und beweisen, dass sie eine bundesweite Wahl wieder positiv meistern können. Wichtigstes Ziel ist daher, sich im Europaparlament zu halten - wofür beinahe fünf Prozent Stimmanteil notwendig -, doch auch mit einem zweiten Mandat wird geliebäugelt. Spitzenkandidaten sind Bundessprecher Werner Kogler und die Promiköchin und Landwirtin Sarah Wiener.