Die 28 Staats- und Regierungschefs beraten in Brüssel über die Nachfolge von Barroso.
Vor Beginn des Gipfels in Brüssel stellt sich das EU-Parlament unerwartet deutlich hinter den konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker. Die Fraktionschefs des Europaparlaments beschlossen Dienstagmittag eine Erklärung, in der Juncker als Kandidat der größten Fraktion (EVP) ermächtigt wird, als erster Anwärter auf das Amt des Kommissionschef die erforderliche Mehrheit zu finden.
Schulz für Juncker
Auch sein bisheriger Widersacher Martin Schulz, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, stellte sich hinter den luxemburgischen Christdemokraten. "Ich hoffe, dass die EVP Juncker als Kandidaten nominieren und der Rat das respektieren wird", sagte Schulz in Brüssel. Erst wenn dieser keine Mehrheit für seine Wahl im Parlament finde, werde er sich darum bemühen. Die Sozialdemokraten (S&D) sind hinter der konservativen EVP zweitstärkste Kraft im EU-Parlament.
Bei dem informellen Treffen am Dienstagabend wollen die Staats-und Regierungschefs über die Bestellung des nächsten Kommissionspräsidenten reden. Der Europäische Rat muss einen Kandidaten dafür vorschlagen, das EU-Parlament muss den Kommissionspräsidenten mit mehr als der Hälfte der Abgeordneten wählen. Erstmals traten heuer für das Amt des Kommissionschefs europaweite Spitzenkandidaten an.
Briten dagegen
Der britische Regierungschef David Cameron hat seinen Widerstand gegen die Wahl eines der Spitzenkandidaten deutlich gemacht. Die europakritisch Fraktionen ECR rund um Camerons Konservative Partei und die EFD der britischen EU-Gegner UKIP trugen als einzige die Erklärung der Fraktionschefs zur Unterstützung Junckers nicht mit, hieß es in Parlamentskreisen. Laut Bericht der "Financial Times" will Cameron insbesondere den als pro-europäisch geltenden Juncker verhindern. Der britische Premier versucht demnach, andere EU-Spitzen im Europäischen Rat für einen anderen Kandidaten zu gewinnen. Er habe am Montag mit den Regierungschefs von Deutschland, Schweden, Irland, Ungarn und anderen Staaten gesprochen, hieß es aus London.
Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, forderte die Staats- und Regierungschefs auf, Juncker als Chef der stärksten Fraktion umgehend ein "klares Mandat" für die Suche nach einer Mehrheit zu erteilen. Es sei nun "keine Zeit für eine Nabelschau", so der SPÖ-Politiker. Die Konservativen um Juncker müssten den Sozialdemokraten ein Angebot zur Kooperation machen und ein gemeinsames Arbeitsprogramm erstellen, das Prioritäten wie Investitionen und Arbeitsplatzbeschaffung enthalte, sowie eine europäische Migrations- und Integrationsstrategie und einen effizienten Plan zur Bekämpfung der Steuervermeidung.
Swoboda und der Fraktionschef der EVP sollen noch am Dienstag Gespräche mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy führen. Am Nachmittag treffen sich Regierungs- und Parteichefs der EVP sowie der Sozialdemokraten in Brüssel. Danach beginnt am Abend der Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der bis in die Nachtstunden dauern könnte. Es ist die erste Aussprache der EU-"Chefs" nach den Europawahlen und zur Frage des nächsten EU-Kommissionspräsidenten. Van Rompuy hat vor den Gipfel die Erwartungen gedämpft. Eine Entscheidung über den Kommissionschef soll erst im Juni fallen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat sich für Juncker ausgesprochen.
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14:37 Uhr: 645 Abgeordnete für Juncker
Der Spitzenkandidat der EVP Jean-Claude Juncker hat mit überwältigender Mehrheit die Unterstützung des EU-Parlaments für die Nominierung zum EU-Kommissionspräsidenten erhalten. Laut EU-Parlament stehen hinter dem Beschluss der Fraktionschefs 645 der derzeit 766 Abgeordneten. Die Fraktionsspitzen hatten sich dafür ausgesprochen, dass Juncker als Erster sich um eine Mehrheit bemühen soll.
Nimmt man die neue Periode des Europaparlaments ab 1. Juli aufgrund des Ausgangs der jüngsten EU-Wahlen als Grundlage, stehen nach Berechnungen des EU-Parlaments 561 von 751 Mandataren hinter dem Beschluss für Juncker.
13:49 Uhr: Auch Schulz - ehemaliger Konkurrent - für Juncker
Der sozialdemokratische Europa-Spitzenkandidat Martin Schulz macht sich für seinen konservativen Kontrahenten Jean-Claude Juncker als ersten Anwärter auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten stark. Es werde eine Empfehlung der Fraktionsvorsitzenden und des EP-Präsidenten dafür geben, Juncker das Mandat zu erteilen, sagte EU-Parlamentspräsident Schulz am Dienstag in Brüssel.
13:34 Uhr: Der Fahrplan für heute
Die Fraktionschefs der Konservativen und der Sozialdemokraten, Joseph Daul und Hannes Swoboda, wurden beauftragt, noch am heutigen Dienstag mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy über Juncker als möglichen neuen EU-Kommissionspräsidenten Gespräche zu führen. Sie sollen Rompuy bereits um 14.00 Uhr noch vor dem EU-Gipfel treffen.
12:48 Uhr: EU-Parlament für Juncker
Das EU-Parlament stellt sich hinter den Luxemburger Jean-Claude Juncker als Kandidat für den nächsten Kommissionspräsidenten. Die Fraktionschefs des Europaparlaments beschlossen soeben eine Erklärung, in der Juncker als Kandidat der größten Fraktion (EVP) ermächtigt wird, als erster die erforderliche Mehrheit zu finden.
Die Führer der europakritischen Fraktionen ECR und EFD, Martin Callanan und Nigel Farage, trugen die Erklärung der Fraktionschefs nicht mit, hieß es in Parlamentskreisen
12:30 Uhr: Faymann-Statement vor dem Treffen in Brüssel:
Dass beim informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs am Dienstag in Brüssel schon eine Entscheidung fallen könnte, schloss Faymann aus. Wesentlich werde aber die Definition der politischen Schwerpunkte der neuen Kommission - etwa die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - sein. "Es geht um Personen, aber nicht der Personen wegen sondern der Inhalte wegen", so Faymann.
11:59 Uhr: Österreich für Juncker
Österreich wird bei der Kür des Kommissionspräsidenten den EVP-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl Jean-Claude Juncker unterstützen. Das machten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag nach dem Ministerrat klar. Faymann ist dafür, die Kritiker notfalls zu überstimmen: "Da darf nicht ein Querulant stärker sein als die Mehrheit."
10:54 Uhr: Cameron gegen Juncker
Der britische Premierminister David Cameron lobbyiert bei seinen EU-Amtskollegen gegen den siegreichen Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker. Cameron sehe Ungarn, Litauen, Irland, Schweden, Slowenien "und möglicherweise Deutschland" als Verbündete gegen eine Nominierung Junckers als EU-Kommissionspräsident, heißt es.
10:00 Uhr: Protest aus Budapest
Der ungarische rechtskonservative Premier Viktor Orban hat offen Stellung gegen die Kandidatur des luxemburgischen Ex-Premiers Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident bezogen. Orban lehnt den Spitzenkandidat der christdemokratisch-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die ungarische Regierungspartei Fidesz-MPSZ angehört, ab, da Juncker Ungarn nicht beigestanden hätte.
09:15 Uhr: Es wird ein Tauziehen geben
Das Verfahren ist kompliziert, denn das Vorschlagsrecht liegt bei den Staats- und Regierungschefs - doch das Parlament muss zustimmen. Das Erstarken populistischer und rechter Parteien erschwert eine Mehrheitsfindung. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel rechnet mit wochenlangen Verhandlungen über die Besetzung aller Führungsämter.
09:00 Uhr: Die 28 Spitzen-Politiker kommen heute am Abend zu einem Abendessen zusammen. Ein Kandidat wird dabei aber noch nicht bestimmt, wie es aus Diplomatenkreisen heißt.