Vorläufiges Ergebnis

EU-WAHL-BEBEN: FPÖ auf Platz 1, aber nur 1 % vor ÖVP

08.06.2024

Die EU-Wahl hat die FPÖ erstmals bei einem bundesweiten Urnengang zur stärksten Kraft gemacht.

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© Fotomontage/APA
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Nur knapp dahinter folgte trotz Rekordverlusten die ÖVP. Ihr schlechtestes Ergebnis auf Europa-Ebene musste die SPÖ bei der ersten Bundeswahl unter Andreas Babler einstecken. FPÖ und ÖVP blieben aber in Sichtweite. Die Grünen schafften ein zweistelliges Ergebnis, die NEOS dürften das durch die Briefwähler noch erreichen. KPÖ und DNA scheiterten.

Der Wahlabend war wie bei EU-Wahlen üblich lange spannend, dürfen doch die Ergebnisse erst veröffentlicht werden, wenn europaweit die letzten Wahllokale schließen und das war um 23 Uhr in Italien. Daher war man vorläufig auf eine gemeinsame Trendprognose von FORESIGHT, ARGE Wahlen und Peter Hajek für APA und ORF angewiesen, die der FPÖ einen recht deutlichen Vorsprung auf Volkspartei und SPÖ zuschrieb.

Die Auszählung ergab dann zwischen Freiheitlichen und ÖVP noch ein gewisses Zusammenrücken. Die FPÖ blieb mit 25,7 Prozent trotz eines Plus von 8,5 Prozentpunkten doch recht deutlich unter ihrem Rekordergebnis von 1996 (27,5 Prozent), was dennoch zu Platz eins reichte. Die ÖVP büßte mit 24,7 Prozent stolze 9,9 Prozentpunkte ein, ein historischer Verlust. Der SPÖ droht mit 23,2 Prozent das schlechteste Ergebnis bei einer EU-Wahl. Die Grünen kamen mit 10,7 Prozent nach den Turbulenzen um Spitzenkandidatin Lena Schilling mit einem blauen Auge und einem Verlust von drei Prozentpunkten davon, die NEOS erreichten zwar nicht ihre guten Umfragewerte, schafften aber dennoch mit 9,9 Prozent jetzt schon fix das beste Ergebnis ihrer Geschichte.

Noch rund 109.000 Wahlkarten nicht enthalten

Leichte Verschiebungen könnte es noch durch 109.000 Wahlkarten geben, die erst am Montag ausgezählt werden. Die ÖVP könnte da ein wenig näher an die Freiheitlichen heranrücken. Ein Wechsel auf den Spitzenplätzen ist aber so gut wie ausgeschlossen. Die Wahlkarten-Prognose geht letztlich von einem Abstand von 0,8 Prozentpunkten aus. Die NEOS dürften demnach knapp die Zweistelligkeit erreichen, nämlich 10,1 Prozent. Ansonsten gibt es kaum Änderungen. Die Wahlbeteiligung dürfte letztlich bei 55,8 Prozent liegen und damit unter jener vor fünf Jahren (59,8).

Die KPÖ steigerte sich von 0,8 auf knapp drei Prozent (2,9 Prozent) und verpasste die Vier-Prozent-Hürde. Spitzenkandidat Günther Hopfgartner sieht dennoch "ein gewisses Sprungbrett im Hinblick auf die Nationalratswahlen". Die Listenerste der erstmals kandidierenden DNA, Maria Hubmer-Mogg, zeigte sich über die erreichten 2,7 Prozent enttäuscht und will nicht für den Nationalrat kandidieren.

Kickl feierte "demütig" ein "historisches Ergebnis"

Deutlich besser war die Stimmung bei den Freiheitlichen. Spitzenkandidat Harald Vilimsky nahm ein Votum für mehr nationale Selbstbestimmung wahr. Die Angstkampagne der Konkurrenz sei ins Leere gelaufen. Parteichef Herbert Kickl feierte "demütig" ein "historisches Ergebnis" und sah ein "Etappenziel" erreicht. Hoffnungsfroh stimmt die Freiheitlichen wohl eine Wahltagsbefragung für ATV/Puls24. 69 Prozent der Personen, die bei der EU-Wahl FPÖ gewählt haben, wollen dies demnach nämlich sicher auch bei der Nationalratswahl tun. Das ist mit Abstand der beste Wert aller Parteien. Zu denken gibt der FPÖ wahrscheinlich, dass sie in Wien wieder nicht überzeugen konnte. Dafür reichte es in den Flächenbundesländern Oberösterreich und Steiermark sowie in Kärnten zu Platz eins.

VP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka nannte die starken Einbußen "bitter", erkannte aber auch eine "gute Basis" und die "riesige Chance", das im Herbst schon wieder gut zu machen. Parteichef und Kanzler Karl Nehammer fand das Ergebnis hingegen "überhaupt nicht erfreulich". Die "große Unzufriedenheit" in der Bevölkerung will er aufnehmen und in konkrete Politik gießen - etwa über entschlossenes Vorgehen gegen illegale Migration und Überregulierung. Später am Abend war die Stimmung bei der Volkspartei dann sogar richtig gut, hatte man doch die von Umfragen geschürten Erwartungen übertroffen. Erster ist man in den drei westlichen Bundesländern sowie in Niederösterreich.

Durchhalteparolen von der SPÖ

Durchhalteparolen kamen von der SPÖ. Parteichef Andreas Babler meinte spät am Abend: "Die SPÖ ist stabilisiert." Auch wenn man sich etwas mehr erwartet hätte, sei man mit der FPÖ "in Schlagdistanz". Bei der Nationalratswahl peilt man weiter Platz eins an. Realistisch äußerte sich Spitzenkandidat Andreas Schieder: "Rückenwind wäre besser gewesen." Die SPÖ befinde sich weiter in einer schwierigen Phase. Die burgenländischen und die Wiener Sozialdemokraten erwiesen sich in ihren Heimatbundesländern immerhin als stärkste Kraft.

Fehler werde man aufarbeiten und verbessern, versprach Grünen-Bundessprecher Werner Kogler nach einem turbulenten Wahlkampf. Mit dem Ergebnis konnte der Vizekanzler unter den gegenwärtigen Umständen leben: "Wir sind Gegenwind gewöhnt, und wir lassen uns nicht umblasen." Die Kür von Schilling zur Spitzenkandidatin lobte er als "sehr gut und richtig". Schilling selbst will nach einem für sie "argen" Wahlkampf in Brüssel nun mit Herz für die Klimagerechtigkeit kämpfen.

Nicht schlecht reden lassen wollte sich NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter sein "hervorragendes Ergebnis", obwohl dieses hinter den Umfragen-Werten blieb. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich begeistert: "Wir sind Gewinner heute." Das Wahlziel sei mit dem zweiten Mandat voll erreicht.

Österreich mit 20 Mandataren in Straßburg bzw. Brüssel

Statt wie bisher mit 19 Abgeordneten wird Österreich nach der Wahl künftig mit 20 Mandataren in Straßburg bzw. Brüssel vertreten sein. Grund dafür ist die für die kommende Legislaturperiode beschlossene Erhöhung der Gesamt-Mandatszahl im EU-Parlament, das in Zukunft 720 statt 705 Sitze stark sein wird.

Die Freiheitlichen würden nach derzeitigem Stand drei Mandate dazugewinnen, die NEOS eines. Die ÖVP verliert im Gegenzug zwei, die Grünen eines. Die SPÖ bliebe gleich.

Wenig begeistert vom Ausgang in Bezug auf den Sieg der FPÖ war Österreichs scheidender EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP): "Ein Reputationsschub war das nicht. Das Ergebnis der Freiheitlichen sei "keines, über das man sich freuen kann".

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