Beim Visa-Prozess am Dienstag patzte der Angeklagte Miess seine ehemaligen Kollegen an und betonte, überfordert gewesen zu sein.
Mit der Befragung des angeklagten früheren Botschafters in Kiew zu konkret von ihm erteilten Visa-Genehmigungen ist am Dienstag im Wiener Landesgericht der Visa-Prozess von März fortgesetzt worden. Michael Miess muss sich nicht nur wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Erteilung von Hunderten Schengen-Visa in den Jahren 2003 und 2004 verantworten. Dem 54-Jährigen wird auch schwerer gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Beide Anschuldigungen wies Miess am Dienstag neuerlich von sich.
500 Einreisegenehmigungen
Miess soll rund 500
Einreisegenehmigungen nicht korrekt vergeben haben. Von den Antragstellern
hat er zwar - anders als der bereits verurteilte frühere Vizekonsul in
Budapest - weder Schmiergeld verlangt noch bekommen. Mehrere der von Miess
mit Touristenvisa ausgestatteten Ukrainer tauchten aber in der Schengen-Zone
unter.
Überfordert
Die Verteidigung setzt weiterhin darauf, zu
beweisen, dass der angeklagte Ex-Botschafter nach bestem Wissen und Gewissen
gehandelt habe. "Es ist nicht so, dass er (Miess) genommen hat, was ihm
nicht zusteht", unterstrich Anwalt Herzka etwa bei der Frage nach dem
mutmaßlich missbräuchlichen Bezug von Repräsentationszulagen durch seinen
Mandanten. Miess selbst wiederholte, er habe sogar noch Geld dazugelegt,
wenn die vorgesehenen Spesen den Aufwand nicht abdeckten. Der Ex-Botschafter
betonte, wenn er von den Problemen mit bestimmten Reisebüros und den
Schengen-Aufgriffen besser informiert worden wäre, "hätte ich
diese von der Liste (vertrauenswürdiger Reisebüros, die Sammelanträge
stellen dürfen) genommen". Schon zuvor hatte Miess mehrfach
erklärt, er sei mit der Flut von ukrainischen Visa-Anträgen schlicht
überfordert gewesen und vom Außenministerium in Stich gelassen worden.
Seitenhieb
Was die laut Anklage missbräuchliche Visa-Vergabe
anbelangt, rechtfertigte sich Miess erneut, er habe einen Bericht
geschrieben und Weisung erbeten, als die österreichische Vertretung in Kiew
der Flut von Anträgen nicht mehr Herr wurde. Dabei machte er auch eine
Seitenhieb auf den früheren Leiter der Rechts- und Konsularsektion im
Außenministerium. Ein guter Konsul "entscheidet mit dem Bauch" über
Visa-Anträge, soll der nunmehrige österreichische Botschafter in Rom,
Christian Berlakovits, in einem Gespräch zu ihm gesagt haben, als Miess
keine Antwort auf sein Schreiben erhielt. Und dass er, Miess, "die Situation
in Kiew managen" müsse.
"Ehegattenzuschlag"
Der zweite Anklagepunkt bezieht
sich darauf, dass Miess jahrelang einen sogenannten "Ehegattenzuschlag"
für seine Frau bezogen hatte, die ihren Lebensmittelpunkt entgegen den
Angaben ihres Mannes zu keinem Zeitpunkt in der Ukraine hatte. Der Schaden
beläuft sich auf mehr als 50.000 Euro. Ein Urteil könnte bereits am Mittwoch
fallen. In dem von Richter Andreas Böhm geleiteten vertritt - wie auch in
der Causa um den Visa-Handel in Belgrad und Budapest - Staatsanwältin Katja
Wallenscheswki die Anklage, Verteidiger ist Thomas Herzka.
Der Prozess am Landesgericht Wien wird am Mittwoch mit der Befragung weiterer Zeugen fortgesetzt, unter ihnen der Sohn des Angeklagten. Ein weiterer Verhandlungstag ist für Donnerstag geplant.