Ex-Hürriyet-Chefredakteur
Das denkt die Türkei über Ursula Plassnik
07.06.2011Türkeis bekanntester Journalist schreibt für oe24.at über die Affäre Plassnik.
Gastkommentar von Ertuğrul Özkök, 19 Jahre lang Chefredakteur der größten türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ (Freiheit).
Ich kenne Ursula Plassnik, konnte im Oktober 2005 ein langes Gespräch mit ihr führen. Sie war damals noch österreichische Außenministerin, ich Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Hürriyet.
„Eine anziehende, hübsche Frau“
„Das ist ein echter Armreifen aus Urfa“, sagte sie mir zur Begrüßung. Ich war privat in Wien und bat um einen Termin bei der Ministerin. Obwohl sie an diesem Tag aus Moskau zurückgekehrt und dementsprechend müde war, traf sie mich. Die Armreifen aus der türkischen Stadt Urfa sind berühmt. Sie hatte sie wohl angelegt, um mir eine kleine Freude zu machen. Ursula Plassnik ist eine anziehende, hübsche Frau. Auch vermittelte sie eine gewisse Ehrlichkeit.
Warum ich diese Begegnung so detailliert schildere? Plassnik blickt zwar dem EU-Beitritt der Türkei reserviert entgegen, aber sie legt großen Wert auf eine gute Beziehung zur Türkei. Ein Großteil der Türken sieht sie als "Eiserne Lady gegen den Türkei EU-Beitrittes". Auch ich habe damals nicht anders gedacht. Ich fragte sie: "Haben Sie die Türkenbelagerung noch immer nicht vergessen?" Sie hatte eine gute Antwort darauf parat: "Gut, dass Sie fragen. Wir sind im 21. Jahrhundert angelangt. Wenn wir die europäische Geschichte ansehen wird schnell klar, dass wir im Endeffekt alle gegeneinander gekämpft haben."
„Legen Sie einen Augenblick Ihre Sicht als Österreicher ab“
Für den OSZE-Generalsekretär hatte die Türkei einen guten Kandidaten ins Rennen geschickt. Ein Veto kam lediglich von Zypern und Armenien. Darauf hat die Türkei ein Veto gegen Plassnik eingelegt mit folgender Argumentation: „Die OSZE ist eine europäische Organisation, die Türkei war von Anbeginn dabei. Eine Politikerin, die die Türkei nicht in der Europäischen Gemeinschaft akzeptiert, steht im Widerspruch zu diesem OSZE-Amt." Legen Sie einen Augenblick Ihre Sicht als österreichischer Staatsbürger ab – und Sie werden diese Argumentation durchaus nachvollziehen können.
Ich höre, dass in Wien gesagt wird, das Veto gegen Plassnik resultiere daraus, dass sie eine Frau ist. Leider werden wir mit diesen Vorurteilen noch öfter konfrontiert werden - vor allem je konkreter und offener sich die türkische Regierungspartei AKP zu ihrem islamischen Charakter bekennt. Aber ich sage es gerade heraus: Das Gerücht ist lächerlich. Die Türkei hat schon öfter weibliche Kandidaten für internationale Organisationen aufgestellt. Die Österreicher sollten genau wissen, dass die Gründe für das Veto psychologischer Natur sind.
„Plassnik ist eine hervorragende Politikerin“
Persönlich halte ich es für falsch, das Veto mit in der Vergangenheit liegenden Differenzen zu begründen. Vor allem weil dadurch ein Veto für eine hervorragende Politikerin wie Frau Plassnik eingelegt wurde. Nichtsdestotrotz sollte aber die österreichische Politik und auch die Öffentlichkeit eine gewisse Empathie mit der türkischen Bevölkerung in dieser Sache entwickeln. Denn wir Türken sehen unsere Zukunft nicht in den stürmischen Gewässern des Mittleren Ostens, sondern eher an den sicheren Häfen Europas. Wir möchten die Last der Geschichte von uns abwerfen und mit unserer Zivilisation, unserer Wirtschaft, unserem bunten Kulturmosaik und unserer Mittelmeerfreude in die Europäische Gemeinschaft eintreten. Bitte versuchen Sie das zu verstehen.