Wirtschaftsprofis haben mit einem Minus über 3% keine Freude. Außerdem glauben sie, dass die Krise 2010 sowieso wieder vorbei sein wird.
Wirtschaftsexperten warnen in der Defizit-Debatte vor einer grenzenlosen Verschuldung. Für Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller ist eine Überschreitung der Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP bei extrem schwieriger Wirtschaftslage zwar "kein Tabu", dürfe aber nur vorübergehend und nur als "Ultima Ratio" gesetzt werden. Der Chef des Instituts für Höhere Studien, Bernhard Felderer, lehnt eine Verschuldung von über drei Prozent kategorisch ab. Schulden machen sei "nicht chic", so Felderer.
Schulden bleiben jahrelang
Die drei Prozent seien "keine aus der
Luft gegriffene Größe", findet Felderer und verweist auf die langfristigen
Auswirkungen einer höheren Verschuldung. Das Problem sei, dass die höhere
Verschuldung über mehrere Jahre bleibe, dazu kommen steigende Zinskosten.
"Verschulden geht leicht", runterkommen sei viel schwieriger, so Felderer.
Steuerreform geht trotzdem
Der IHS-Chef glaubt, dass die geplante
Steuerreform trotz schwacher Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit
machbar ist. Die Verschuldung müsse aber im Auge behalten werden. Auch bei
den Konjunkturpaketen mahnt er, nicht mit dem Rasenmäher vorzugehen. Man
müsse genau überlegen, wo das Geld gebraucht werde. So sei etwa die
Bauwirtschaft noch vollbeschäftigt, wogegen die Autozulieferindustrie
Rückgänge von 60 bis 70 Prozent verzeichne.
Krise schon 2010 vorbei
Felderer teilt die Angst vor wachsenden
Arbeitslosenzahlen nicht. Die Prognosen, wonach in den nächsten vier Jahren
bis zu 100.000 Arbeitslose mehr erwartet werden, glaubt er nicht. Die großen
Krisen hätten in ihren krassesten Phasen nicht mehr als drei Jahre gedauert.
Der Höhepunkt der jetzigen wird seiner Einschätzung nach Mitte 2009
erreicht, 2010 werde man wieder zu einem Wachstum zurückkehren. Vieles werde
aber auch davon abhängen, wie sich die Finanzkrise in Osteuropa entwickelt.
Derzeit zeichne sich ab, dass es dort Risikofaktoren gebe.
Sparen noch immer möglich
Schratzenstaller schließt nicht
ganz aus, dass die Maastricht-Grenze überschritten wird. Die Budgetprognose
des Finanzministeriums auf Basis von Wifo-Daten sieht in einem
pessimistischen Szenario ein Defizit von über vier Prozent. Laut
Schratzenstaller kann bei der Verschärfung der Krise auch eine
Überschreitung des dreiprozentigen Limits "keine Tabu" sein, aber nur
kurzfristig und nur als "Ultima Ratio". Die Budgetexpertin sieht auch
diverse Sparmöglichkeiten (Verwaltungsreform).
Für Vorziehen der Steuerreform
Eine Verschlimmerung der
Krise ist ihrer Ansicht nach auch ein Argument für ein Vorziehen von Teilen
der Steuerreform. Das Wirtschaftsforschungsinstitut schlägt eine Entlastung
der Arbeitnehmer, Familien und der Wirtschaft im Ausmaß von vier bis sechs
Mrd. Euro vor. Zum frühest möglichen Termin, also kommendes Jahr, soll
Niedrigverdienern ein Sozialversicherungs-Absetzbetrag von 650 Euro gewährt
werden. Personen mit 1.000 Euro Monatsbrutto würden sich damit 350 Euro
ersparen. Kostenpunkt: 600 Mio. Euro.
Osteuropa als Fragezeichen
Noch nicht einschätzbar ist auch für
Schratzenstaller die Entwicklung in Osteuropa, wo österreichische
Unternehmen besonders stark investieren. Sie ortet aber auch hausgemachte
Probleme bzw. "Altlasten", wie etwa die Nationalrats-Beschlüsse kurz vor der
Wahl (Pensionserhöhung, Anhebung der Familienbeihilfe, Anhebung des
Pflegegeldes, Halbierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente und Abschaffung
der Studiengebühren).