Das Delikt der ''falschen Beweisaussage'', wegen dem sich Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor Gericht verantworten muss, kann in der Praxis schwierig nachzuweisen sein.
Eine objektiv falsche Aussage kann zwar oft schnell festgestellt werden, für eine Verurteilung muss aber auch ein "bedingter Vorsatz" nachgewiesen werden, erklärte der Strafrechtsexperte Klaus Schwaighofer von der Uni Innsbruck gegenüber der APA.
Auf den ersten Blick ist die Strafbestimmung zur "Falschen Beweisaussage" (§288 StGB) eindeutig: "Wer vor Gericht als Zeuge oder (...) als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt (...) ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."
Im Kern geht es um die Frage, wie intensiv der Ex-ÖVP-Chef unter Türkis-Blau in die Reform der Staatsholding ÖBIB zur ÖBAG involviert war. Bei seiner Befragung im Ibiza-U-Ausschuss im Juni 2020 hatte Kurz bekanntlich seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt und gesagt, er sei nicht eingebunden gewesen.
Dieser Punkt entscheidet über Frei- oder Schuldspruch
Der zentrale Punkt, der über Frei- oder Schuldspruch entscheiden wird, ist laut Schwaighofer, wie Kurz eine Einbindung in die Bestellung Schmids interpretierte. "Dass er informiert war, liegt auf dem Tisch und ist durch Chats objektivierbar." Formell mitentschieden hat er aber schon allein aufgrund der Zuständigkeit nicht. "Wenn man ihm glaubt, dass er sich bei der Aussage auf die formelle Einbindung bezogen hat und die Frage so interpretiert hat, dann hat er gar nichts falsch gemacht", sagte Schwaighofer.
Der "Knackpunkt" wird die richterliche Beweiswürdigung sein, so der Strafrechtsexperte. Beruft sich Kurz darauf, die Frage auf seine formelle Einbindung bezogen zu haben, und der Richter glaubt ihm oder erachtet es als nicht erweisbar, dass der Ex-Kanzler die Frage anders verstanden habe, werde es einen Freispruch geben, da keine vorsätzliche Falschaussage vorliege. Sieht der Richter diese Auslegung nur als Versuch, sich zu rechtfertigen, sei mit einem Schuldspruch zu rechnen.
Zwar müssen die Ermittler dem Ex-Kanzler nicht nachweisen, dass er den Ausschuss bewusst frontal angelogen hat, sehr wohl aber, dass er es zumindest für möglich gehalten oder sich damit abgefunden hat, den Ausschuss falsch zu informieren. "Sobald ich Zweifel an einer Aussage habe, diese aber nicht äußere, handelt es sich um eine Falschaussage", erklärte der Strafrechtsexperte Alois Birklbauer von der Johannes-Kepler-Universität Linz gegenüber der APA. Deshalb dürften vor Gericht auch keine Fragen à la "was ist wahrscheinlicher?" gestellt werden.
Wahrnehmungs- oder Erinnerungsfehler würden nicht für Verurteilung sorgen
Viel schwieriger nachzuweisen sei, ob es sich um eine Falschaussage handelt, wenn sich jemand auf fehlende Erinnerung stützt. Wahrnehmungs- oder Erinnerungsfehler würden nämlich nicht für eine Verurteilung sorgen, außer es kann festgestellt werden, dass die Person zum Zeitpunkt der Aussage Erinnerung an die abgefragten Vorgänge gehabt und somit gelogen hätte. So sei etwa der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel bei seinem bekannten Auftritt im Untersuchungsausschuss "wohl besser beraten" gewesen, sagte Birklbauer.
Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss herrscht, wie vor Gericht, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei die Wahrheitspflicht. Das könne für Politiker durchaus eine schwierige Umstellung darstellen, betonte Birklbauer. "Der U-Ausschuss findet im selben Gebäude und vor denselben Leuten wie Nationalratssitzungen statt. Aber während man am Rednerpult lügen kann, dass sich die Balken biegen, muss man vor dem U-Ausschuss die Wahrheit sagen."
Die Möglichkeit einer Diversion, also einer außergerichtlichen Einigung durch z. B. Zahlung eines Geldbetrages, besteht grundsätzlich bis zum Schluss des Beweisverfahrens. Diese würde vom Gericht vorgeschlagen werden, allerdings nur bei Verantwortungsübernahme durch den Angeklagten. "Wenn er (Kurz, Anm.) sagt: 'Ich bin im Nachhinein draufgekommen, nicht die Wahrheit gesagt zu haben, ich stand unter Stress und ich bereue einen Fehler gemacht zu haben' gibt es diese Möglichkeit", sagte Birklbauer. Die Diversion - so vom Gericht vorgeschlagen - müsse aber natürlich von Kurz angenommen werden, wogegen die Staatsanwaltschaft wieder vorgehen könnte. "Wenn er sagt, er will einen Freispruch, würde er darauf verzichten.