Der Bundeskanzler will die Arbeitslosigkeit mit allen Mitteln bekämpfen, Notfalls auch mit der Überschreitung der 3-Prozent-Obergrenze beim Budgetdefizit.
Die beste Möglichkeit, sich auf die Wirtschaftskrise darauf einzustellen, sei es, sich nicht zurückzulehnen, sondern aktiv Maßnahmen zu setzen, sagte der neue Bundeskanzler Faymann (SP) in der ORF-Pressestunde. Was ein mögliches weiteres Konjunkturpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft betrifft, sagte der SPÖ-Vorsitzende, hier müsse man wie ein Feuerwehrmann vorgehen: "Soviel Löschwasser wie notwendig, um den Brand zu löschen, es kann auch mehr sein."
3-Prozent-Obergrenze kein Heiligtum
Wichtiger sei es, den
Menschen nicht Angst zu machen. Man habe fünf Milliarden Euro investiert, es
gebe die Haftungen für die Banken und Österreich habe gemessen am BIP das
zweitstärkste Konjunkturpaket in Europa. Was das Maastricht-Kriterium von
einer 3-Prozent-Obergrenze beim Budgetdefizit betrifft, sagte Faymann, dies
sei kein Heiligtum. Man werde versuchen, sich beim Budgetpfad daran zu
halten.
Bankenpaket
Was die Zahlen für das Bankenpaket betrifft, werde
er nächste Woche im Europäischen Rat "die Gespräche nutzen,
um mich an Ort und Stelle" zu informieren. Optimisten würden damit
rechnen, das schon morgen die Maßnahmen gesetzt werden könnten. Zwei Drittel
der Konjunktur seien abhängig von der internationalen Entwicklung, ein
Drittel sei nationaler Spielraum. Wenn der europäische Schirm der
wirtschaftsbelebenden Maßnahmen greife, "dann ist der Optimismus
wieder da".
Keine Erhöhungen geplant
Zum Thema Kassensanierung sagte
der Kanzler, die vom Bund zugesagten 450 Millionen Euro seien lediglich eine
Teilentschuldung. Mit der geringeren Mehrwertsteuer auf Medikamente gäbe es
zusätzliche Mittel. Da der Finanzausgleich bis 2013 dauere, werde er ab 2011
die neuen Gespräche für eine Gesundheitsreform ab 2013 aufnehmen.
Angesprochen auf Steuer- oder Beitragserhöhungen sagte Faymann, solche seien
nicht Ziel und auch nicht geplant. Aber "ausschließen kann niemand etwas".
Auch eine Zusammenlegung von Kassen hält er für möglich.
Was eine mögliche Besteuerung von Vermögen betrifft, meinte der Bundeskanzler, er hätte gerne die Vermögen stärker und die Arbeit weniger belastet. Er könne aber mit der Situation, wie sie jetzt sei, leben.
Gespräche mit Kärnten
Beim Thema Grundsicherung bzw.
Mindestsicherung, die auf 2010 verschoben werden soll, glaubt Faymann, dass
diese doch "vorher kommen müsse". Er hoffe, dass man Kärnten
einbeziehen kann.
Einsparungen bei Lehrern
Was den Dauerbrenner Einsparungen durch
die Verwaltungsreform betrifft, meinte Faymann, man werde nicht die 100
Prozent der in den Raum gestellten fünf bis sieben Milliarden Euro
erreichen. Allerdings gehe es darum, die Vorschläge nun Punkt für Punkt
abzuarbeiten.
Als Beispiel für eine langfristige Einsparung nannte er die Lehrer. Natürlich könne man nicht einen neuen Lehrer weniger zahlen und mehr Stunden aufbürden, aber da von den älteren Lehrern bis zur Hälfte in den nächsten Jahren in Pension gehe, sei das Budget so eingestellt worden, dass man zwar 2009 und 2010 sehr wenig Einsparungen habe, aber 2012 das Sparpotenzial wesentlich höher eingestellt sei.
Konstruktive Zusammenarbeit
Neuerlich legte Faymann ein
Bekenntnis zur konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ÖVP
ab. Auch wenn jemand einbezogen sei, der gegen eine Sache auftrete, sei es
leichter, ihn durch Einbeziehung auf eine gemeinsame Linie zu bringen, als
ihm über die Medien etwas auszurichten.
Dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Alfred Gusenbauer wegen der Ressortaufteilung nicht geprügelt worden ist, sieht Faymann auch darin begründet, dass damals die SPÖ aus der Opposition in die Regierung gekommen ist und man damals erwartet habe, wie mit einer absoluten Mehrheit agieren zu können. "Ich habe daraus gelernt und im Wahlkampf keine Ressorts versprochen."
Lob und Kritik
Lob vom Koalitionspartner ÖVP und Kritik der
Opposition erntete Bundeskanzler Werner Faymann (S) für seine erste
Fernsehspressestunde im ORF als Regierungschef. ÖVP-Klubobmann Karlheinz
Kopf freute sich über das Bekenntnis von Faymann zum "ordentlichen
Haushalten". Dagegen bezeichnete FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache den
Kanzler als "falschen Mann am falschen Platz". BZÖ-Obmann Herbert
Scheibner sprach von einer "inhaltslosen Plauderstunde" mit "Allgemeinphrasen"
und der Grüne Klubvize Werner Kogler zeigte sich enttäuscht über den "mangelnden
Gestaltungswillen und die Mutlosigkeit" von Faymann.