ÖSTERREICH-Interview

Faymann: "EU muss Spekulanten stoppen"

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Bundeskanzler Werner Faymann spricht über seine Ziele im Herbst.

Die Polit-Ansagen für diesen Herbst:

ÖSTERREICH:
Herr Bundeskanzler, sind Sie in großer Sorge um die wirtschaftliche Zukunft in Europa?
WERNER FAYMANN: Ich bin in Sorge darüber, dass wir 85 Prozent unserer Export-Erfolge in Europa haben – und dass wir unser Wirtschaftswachstum nur halten können, wenn es in Europa allen wirtschaftlich gut geht. Wenn es aber einigen sehr schlecht geht – und darunter mit Italien und Südeuropa unsere größten Export-Partner sind –, wird es für unser Wirtschafts-Wachstum gefährlich.

ÖSTERREICH: Kommt ein schwieriges Jahr auf uns zu?
FAYMANN: Es kommen leider einige schwierige Jahre auf uns zu, denn wenn unsere Handelspartner in Europa Probleme bekommen, sind auch wir davon betroffen.

ÖSTERREICH: Aus lauter Angst vor der Krise haben Merkel und Sarkozy eine EU-Wirtschaftsregierung vorgeschlagen. War das mit Ihnen abgestimmt? Wollen Sie das auch?
FAYMANN: Die beiden haben im Prinzip lediglich vorgeschlagen, dass sich die Regierungschefs zweimal im Jahr treffen, um die Wirtschaftspolitik besser zu koordinieren und enger abzustimmen – das tun wir ohnehin schon. Ob man das nun „EU-Wirtschaftsregierung“ nennen will, ist eine Frage des Etiketts. Deshalb nenne ich es auch nicht „Regierung“, sondern „Wirtschafts-Koordination“.

ÖSTERREICH: Eine EU-Regierung lehnen Sie ab?
FAYMANN: Eine zentralistische EU-Regierung kommt sicher nicht – da müsste es jedenfalls neue Verträge geben, verbunden mit Volksabstimmungen. Und dass wir unsere Sozial-, Steuer- oder Budget-Kompetenz abgeben, das lehne ich ab. Richtig ist, dass wir unseren Schutzschirm über 500 Milliarden besser koordinieren, dass wir besser kontrollieren, ob die Bedingungen für diesen Schutzschirm eingehalten und die Staatsschulden in den betroffenen Staaten wirklich rigoros abgebaut werden.

ÖSTERREICH: Die unter Druck geratenen Staaten wie Griechenland oder Italien fordern Euro-Bonds, für die alle EU-Staaten haften.
FAYMANN: Der EU-Schutzschirm ist im Grunde bereits eine solche Konstruktion wie die Euro-Bonds. Wir haften hier gemeinsam für 500 Milliarden und ermöglichen die besten Zinsen. Dass wir für alle Schulden in der EU gemeinsam haften, kommt nicht in Frage – das wären über 4 Billionen, also 4.000 Milliarden.

ÖSTERREICH: Eine gemeinsame Regierung in Europa wäre gut?
FAYMANN: ... aber da stellt sich doch die Frage, von wem diese regiert würde. Wenn sie von den Sozialdemokraten geführt wird und endlich für mehr Gerechtigkeit in Europa sorgen würde, wäre das eine gute Idee. Aber wenn sie von den konservativen Neo-Liberalen bestimmt wird, dann wäre so eine gemeinsame EU-Regierung für mich ein Albtraum.

ÖSTERREICH: Was sagen Sie zum Vorwurf, dass die EU derzeit von Schwachmatikern geführt wird?
FAYMANN: Das ist ungerecht. Die angeblich so visionären Staatschefs von einst wollten eine Währungsunion, haben es aber verabsäumt, gleichzeitig geeignete Instrumente zu entwickeln, damit die auch in schwierigen Zeiten Probleme bewältigen kann.

ÖSTERREICH: Ihnen werfen viele Polit-Pensionisten vor, Sie würden sich zu wenig in der EU engagieren.
FAYMANN: Das kann von außen nicht beurteilt werden. Im Kreis der Regierungschefs arbeiten alle konstruktiv zusammen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nur durch eine europäische Politik die negativen Auswirkungen von Finanzspekulation und Währungskrise stoppen können. Wir müssen diese Zerstörungsprozesse der Realwirtschaft durch die Spekulanten stoppen. Es muss Schluss sein mit diesen Wetten gegen Währungen, Nahrungsmittel, Kurse. Ich will, dass wir in Europa bis spätestens 2014 die Finanztransaktionssteuer haben – durchaus auch nur für die Euro-Zone ohne Großbritannien und Schweden. Die Transaktions-Steuer muss kommen, eine strengere Finanzmarktkontrolle, eine eigene europäische Rating-Agentur. Da ist wirklich viel zu tun.

ÖSTERREICH: Macht Sie der Börsen-Crash der letzten Wochen mit all den Spekulanten wütend?
FAYMANN: Ja, das tut es. Aber Wut ist keine politische Kategorie – ich will Veränderung.

ÖSTERREICH: Haben Sie Angst, dass wir auch in Österreich ein Schuldenproblem bekommen?
FAYMANN: Nein, weil wir bewusst sparen. Wir haben einen Konsolidierungspfad fürs Budget festgelegt, an dem wir festhalten.

ÖSTERREICH: Wird es vor der Wahl 2013 eine Steuerreform geben?
FAYMANN: 2013 ist deshalb ein gutes Jahr für eine solche Diskussion, weil bis dahin die wirtschaftliche Entwicklung besser beurteilt werden kann. Wenn es diese erlaubt, möchte ich daran festhalten. Es müssen die Einkommen zwischen 2.000 und 4.000 Euro deutlich entlastet werden. Dafür muss im Budget Raum sein – und das soll mit vermögensbezogenen Steuern gegenfinanziert werden.

ÖSTERREICH: Glauben Sie wirklich, dass Sie in dieser Regierung eine Vermögenssteuer durchbringen?
FAYMANN: Ich will, dass mit einer Steuer für Vermögen ab einer Million Euro die Top-Verdiener etwas dazu beitragen, dass die kleineren Einkommen, die Familien entlastet werden. Und ich habe bereits vermögensbezogene Steuern, wie etwa die Bankenabgabe, die Wertpapierabgabe und Änderungen bei der Stiftungs- und Konzernbesteuerung durchgesetzt, obwohl der Koalitionspartner nicht begeistert war.

ÖSTERREICH: Sie sind ja allergisch dagegen, wenn ich sage, dass diese Regierung stillsteht und sich bei großen Themen blockiert ...
FAYMANN: … weil’s nicht stimmt. Man sollte die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU, ein hohes Wirtschaftswachstum nicht krank reden. Diese Regierung hat die Krise exzellent bewältigt. Aber ich bin nicht allergisch dagegen, wenn Sie einfordern, dass sich in Zukunft mehr bewegt.

ÖSTERREICH: Sie haben die Abschaffung der Wehrpflicht versprochen. Da bewegt sich gar nichts.
FAYMANN: Mein Ziel ist ein Berufsheer statt der Wehrpflicht – und das wird kommen, weil in ganz Europa die Entwicklung in diese Richtung geht. Also wird Minister Darabos eine Heeresreform in die Wege leiten, die das eindeutige Ziel Berufsheer hat.

ÖSTERREICH: Vom Vorschlag der ÖVP für einen „Österreich-Dienst“ mit Katastrophenhilfe ...
FAYMANN: ... halte ich deshalb nicht viel, weil sowohl das Bundesheer als auch die Katastrophenhilfe eine Sache für Profis ist. Wir brauchen die Besten beim Heer – und wir haben schon die Besten bei der Freiwilligen Feuerwehr, wo sich über 250.000 Menschen engagieren. Was soll das für einen Sinn haben, jetzt alle jungen Männer beim Katastrophendienst dilettieren zu lassen? Da verlasse ich mich lieber auf Profis.

ÖSTERREICH: Was kommt jetzt?
FAYMANN: Minister Darabos hat die Aufgabe, alles für ein Berufsheer und ein Ende der Wehrpflicht vorzubereiten.

ÖSTERREICH: Die ÖVP will die Unis mit Studiengebühren besser finanzieren und reformieren.
FAYMANN: Das ist nicht neu. Meine Position dazu ist klar: Die Studiengebühren sind abgeschafft und bleiben es auch. Die Unis bekommen den Entfall der Studiengebühren bis 2013 zurückerstattet, das sind jährlich 157 Millionen Euro. Danach soll diese Regelung verlängert werden. Ich bin durchaus bereit die Unis mit mehr Mitteln auszustatten. Über Zugangsregelungen haben wir in der Regierung einen Konsens erzielt, aber es soll keine Zwangsgebühren für Studenten geben.

ÖSTERREICH: Wann kommt endlich die große Schulreform?
FAYMANN: Wir haben bei der Schulreform schon viel erreicht: Ausbau der Neuen Mittelschule und der Ganztagsschule, oder auch die Oberstufenreform, Ich bin immer für eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen mit Leistungsdifferenzierungen eingetreten. Ich bin optimistisch, dass die Schulreform zügig weitergeht, das Bildungs-Volksbegehren im Herbst sehe ich da als zusätzliche Unterstützung.

ÖSTERREICH: Ihr Freund Michael Häupl hat in Wien Rot-Grün als Koalition gestartet. Ist das für Sie ein Vorbild? Ist Rot-Grün eine Option für die nächste Regierung?
FAYMANN: Michael Häupl hat mich vorweg informiert, dass er Rot-Grün möchte, und ich halte seine Entscheidung für richtig. Auf Bundesebene schließe ich die Grünen ebenso wenig als Partner aus wie die ÖVP.

ÖSTERREICH: Was ist Ihnen lieber – Fortführung der Großen Koalition oder Rot-Grün wie in Wien?
FAYMANN: Mir ist am allerliebsten, diese Koalition arbeitet ordentlich und konstruktiv weiter – und die Wähler entscheiden am Wahltag, dass sie weiterhin eine Regierung unter SPÖ-Führung und mit mir als Kanzler möchten.

ÖSTERREICH: Am liebsten wäre es Ihnen also, wenn die Große Koalition wieder gewählt wird?
FAYMANN: Am liebsten ist mir, wenn die Wähler am Wahltag mit der Arbeit der Bundesregierung in den vergangenen Jahren zufrieden sind – und mit ihrer Stimme sagen, dass ich das Land in der nächsten Periode als Regierungschef weiter führen soll.

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