Kanzler im ÖSTERREICH-Interview über Gusenbauers Chancen auf einen EU-Top-Job, die Kruzifix-Debatte und die Homo-Ehe.
ÖSTERREICH: Sie sind plötzlich in ganz entscheidender Position bei der
Sondierung der EU-Spitze ...
FAYMANN: Die europäischen
Sozialdemokraten haben beim letzten Treffen festgelegt, dass Spaniens
Premier Zapatero und ich die Sondierung der beiden Spitzenposten vorbereiten
sollen, damit unser Lager einig auftritt – und das tue ich gerne. Das gibt
uns die Chance, in der EU stärker zu agieren und eine starke Rolle zu
spielen.
ÖSTERREICH: Wer sind die Favoriten für die EU-Spitze?
FAYMANN:
Beim EU-Ratspräsidenten sicher Herman van Rompuy, weil er ein Mann des
Ausgleichs ist – einer, der vermitteln kann und das genau die Aufgabe des
Ratspräsidenten sein wird: Vermitteln, damit es viele Beschlüsse in der EU
gibt. Gute Chancen hat sicher auch Jean-Claude Juncker, der hoch-intelligent
ist und viele Anhänger hat.
ÖSTERREICH: Und beim Beauftragten für die EU-Außenpolitik ist wer
Favorit?
FAYMANN: Da gibt es sehr viele Sympathien dafür, dass
das ein Vertreter der britischen Labour-Partei wird – und alles hängt davon
ab, wen Brown Dienstag als Kandidaten nennt.
ÖSTERREICH: Hat Ihr Vorgänger Gusenbauer Chancen?
FAYMANN:
Ich schätze Alfred Gusenbauer besonders, aber ehrlich: Er wurde in den
Gesprächen bisher kein einziges Mal als Kandidat genannt – auch nicht von
meinen spanischen Freunden. Gusenbauer ist definitiv kein Kandidat, weil er
ja kein Kommissars-Amt hat, das Voraussetzung wäre.
ÖSTERREICH: Und Sie können Gusenbauer nicht ins Rennen bringen?
FAYMANN:
Ich würde mich sofort für ihn vehement engagieren, wenn er genannt wird und
Chancen hat – aber das ist derzeit definitiv nicht der Fall.
ÖSTERREICH: Und Schüssel?
FAYMANN: Genau die
gleiche Situation: Enorme Wertschätzung von allen Seiten – aber definitiv
nicht als Kandidat genannt. Auch für ihn würde ich sofort kämpfen, wenn sich
eine Chance auftut.
ÖSTERREICH: Zur Innenpolitik: Befürworten Sie die Homo-Ehe am
Standesamt?
FAYMANN: Selbstverständlich. Ich stehe voll hinter
der Position von Frauenministerin Heinisch-Hosek. Es haben sich bereits so
viele Länder in der EU für eine sichtbare Gleichstellung durch eine
Zeremonie am Standesamt eingesetzt, dass wir nicht Nachzügler sein sollten.
Eine Zeremonie am Standesamt wäre gut.
ÖSTERREICH: Die EU will die Kreuze in den Klassenzimmern abschaffen ...
FAYMANN:
Sicher nicht. Das Kreuz bleibt in der Klasse. Niemand kann unser Konkordat
mit dem Vatikan auflösen. Sollte Gefahr drohen, dass die Kreuze per Gericht
verboten werden, wäre ich dafür, die Konkordats-Regel zum Kreuz in die
Verfassung aufzunehmen.
ÖSTERREICH: Minister Hundstorfer spricht sich für ein drittes
Konjunkturpaket aus.
FAYMANN: Das unterstütze ich voll. Die
Krise ist noch nicht vorbei. Ich will in einer Rede am 2. Dezember sagen,
wie die Regierung in Zukunft stärker in Bildung, Arbeitsplätze und
Konjunktur investieren wird.