Ernstes Gespräch

Faymann in Athen: Kampf
 gegen Grexit

17.06.2015

In letzter Sekunde versuchte Faymann im Gespräch mit Tsipras Grexit zu verhindern.

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© APA/ROLAND SCHLAGER
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Alexis Tsipras begrüßte gestern seinen „Freund Werner Faymann“ als „einen Freund Griechenlands in einer schweren Zeit“. Dutzende Kamerateams und Reporter aller Welt warteten gespannt auf das Treffen des griechischen Premiers mit dem österreichischen Kanzler.

Und tatsächlich: Bereits am Sonntag könnten die Euro-Regierungschefs bei einem Sondergipfel in Brüssel über das Aus für Griechenland in der Eurozone befinden – bis Donnerstag hat Tsipras Zeit, seine Reformen vorzulegen. Sonst erhält Griechenland nicht die benötigten 7,2 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten und geht pleite. Faymanns Mission war klar: er wollte in Athen retten, was zu retten ist und zwischen den verhärteten Fronten vermitteln.

Dass es „die letzte Chance“ auf eine Einigung mit der EU sein könnte, war in der brütenden Hitze in Athen gestern allen klar. Den Arbeitslosen, die im SOS Kinderdorf, das Faymann besuchte und die dort mit ihren Kindern medizinisch betreut werden, war die Angst vor einem Grexit ebenso anzusehen wie Präsident Prokopios Pavlopoulos und Tsipras selbst.

Man könne „nicht mehr bei den Ärmsten sparen“, zeigte sich Faymann im ÖSTERREICH-Interview über die Zustände in der medizinischen Versorgung, über die 2,5 Millionen Nicht-Versicherten in Griechenland bestürzt.

Tsipras versprach: »Werde Verbindlichkeiten einhalten«
Und der Grexit? Das Ultimatum der deutschen Kanzlerin Angela Merkel? Er wolle „Verbindlichkeiten einhalten“, sagt Tsipras bei einem Lunch mit Faymann mit Blick auf die Akropolis. Aber der Kanzler – der vor seiner brisanten Reise lang mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gesprochen hat – machte Tsipras noch einmal die Schicksalsstunden für „dieses historisch so wichtige Land klar“.

Tsipras muss jetzt entscheiden, ob er den Rat seines Freundes Faymann annimmt und der EU-Spitze vernünftige Gegenvorschläge – Steuereintreibung, Korruptionsbekämpfung – unterbreitet, oder ob er sein Land in den Staatsbankrott und den Grexit führt. Die Uhr tickt.

ÖSTERREICH: Welchen Eindruck nehmen Sie nach Ihren Besuchen in Sozialstätten aus Griechenland mit?
Werner Faymann: Dass die Spekulationskrise seit 2008 die Falschen getroffen hat. Familien wissen nicht wie sie ihre Familien ernähren sollen. Da Griechenland auch noch den Rat geben zu wollen bei den Schwächsten zu kürzen, ist der falsche Weg.

ÖSTERREICH: Aber haben Sie Tsipras vom Ernst der Lage überzeugen können?
Faymann: Ich verstehe, dass er sagt, dass er bei kleinen Pensionen nicht weiter sparen kann. Aber Griechenland hat einen Aufholbedarf bei Betrugsbekämpfung und Steuerdisziplin. Das habe ich klar gesagt. Ein Grexit wäre eine Katastrophe, wir brauchen eine Lösung.

 

Der griechische Premier über Gespräche mit der EU und seinen „Freund“ Faymann.

ÖSTERREICH: Herr Tsipras, ist das jetzt nicht die letzte Chance für Athen und die EU, einen Deal zu finden und einen Grexit zu verhindern? Ist die Lage nicht sehr gefährlich für Sie?
Alexis Tsipras: Die letzten vier Monate waren auch gefährlich. In diesen Tagen haben wir gelernt, mit Gefahr zu leben. Wir werden weitermachen, bis wir eine gerechte Lösung finden. Wir sind ein souveräner Staat, der selbst entscheiden muss, wie er spart.

ÖSTERREICH: Faymann unterstützt Sie und hat gemeint, Sie hätten Sparvorschläge. Wann werden Sie diese der EU unterbreiten?
Tsipras: Werner Faymann ist ein aufrichtiger Freund Griechenlands. Er versteht auch, dass die Austeritätspolitik nicht die Zukunft der EU sein kann. Ich habe unsere Vorschläge bereits an die EU-Institutionen geschickt. Wir wollen eine Lösung. Ich warte auf die offizielle Antwort der EU-Institutionen.

ÖSTERREICH: Sie wollen einen Deal, aber Sie wollen nicht bei den Pensionen oder im Sozialsystem sparen? Interpretiere ich Sie da richtig?
Tsipras : Ich will einen Deal, der eine tragfähige Form für unsere Wirtschaft und unser Sozialsystem hat. Ich will nicht einfach einen Deal. Wir wollen einen Deal schließen, der es uns ermöglicht, aus der Krise herauszukommen. Einem schlechten Deal werde ich nicht zustimmen.

ÖSTERREICH: Und wenn Frau Merkel sagt, es müsse der EU-Vorschlag kommen oder es kommt zum Grexit?
Tsipras: Es gibt nicht nur Frau Merkel in Europa. Es gibt viele Regierungschefs in der EU.

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