Abgang überraschte

Faymann ist Geschichte

09.05.2016

Kurz vor ein Uhr Mittag war Werner Faymann Geschichte. Mit einer Rücktrittsrede überraschte er Freund und Feind.

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Es ist 12.45 Uhr – und der Knalleffekt ist durchaus beabsichtigt: Minuten, bevor er zum Mittagessen mit Bundespräsident Heinz Fischer geht, erklärt Werner Faymann (56) am Montag seinen Rücktritt als SPÖ-Chef und als Bundeskanzler.

Gewerkschafter appelliert an Faymann: "Lass los!"

Das hat kaum jemand erwartet: 15 Tage nach der historischen Wahlschlappe der SPÖ bei der Hofburgwahl hat Faymann zwar innerparteilich einen mehr als schweren Stand. So haben Landesparteichefs verklausuliert (Peter Kaiser, Kärnten) und ganz offen (Walter Steidl, Salzburg) seinen Rücktritt verlangt. Und der mächtige Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch hat gar an den Kanzler appelliert: „Werner, lass los!“

Faymann scheint doch 
alles im Griff zu haben

Überlebenskünstler. Faymann – Überlebenskünstler, der er immer war – scheint wie immer alles im Griff zu haben: Sieben Landesparteiobleute inklusive des mächtigen Wieners Michael Häupl und des Burgenländers Hans Niessl sind an diesem Montag ins Kanzleramt geeilt. Zur Unterstützung vor der entscheidenden Vorstandsitzung, bei der Faymann wohl die Mehrheit gehabt hätte.

Reißleine. Doch dann zieht Faymann völlig überraschend die Reiß­leine: Die Mehrheit sei ihm nicht mehr genug. Die große Unterstützung habe eben zuletzt gefehlt, sagt er in der Abschiedsrede. Dann der entscheidende Satz: „Ich ziehe aus diesem zu geringen Rückhalt die Konsequenzen und lege meine Funktionen als Bundesparteiobmann und Bundeskanzler mit heutigem Tag zurück.“

Ab 17.30 Uhr hat Österreich ­einen schwarzen Kanzler

Freund und Feind geschockt. Häupl soll angesichts des Rücktritts wie vom Donner gerührt gewesen sein. Hans Niessl sagt später, er habe erst auf dem Weg zum Kanzler im Auto von Faymanns Absichten erfahren. Auch die Gewerkschafter, die in einer Sitzung nach einer Linie suchen, sind geschockt.

Auch dann gibt Faymann das Tempo vor: Um 13 Uhr geht er zu Bundespräsident Heinz Fischer, dem er sogleich seinen Rücktritt als Kanzler erklärt. Der Präsident tut, was in diesem Fall zu tun ist: Er betraut den schwarzen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner mit der Fortführung der Geschäfte. Österreich hat seit Montag, 17.30 Uhr, einen schwarzen Bundeskanzler.

Kern und Zeiler gehandelt, Parteitag ist am 25. Juni

Die SPÖ geht am Nachmittag in die Vorstandssitzung. Häupl übernimmt vorerst die Partei – ÖBB-General Christian Kern und Ex-ORF-Chef Gerhard Zeiler werden als Nachfolger gehandelt. Bis zum Dienstag nächster Woche soll es den neuen Parteichef und Kanzler geben, Parteitag wäre dann am 25. Juni (siehe Seite 5).

Die ÖVP wieder berät heute, Dienstag, die Zukunft der Großen Koalition.

G. Schröder

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