Faymann-Rücktritt
Häupl übernimmt SPÖ interimistisch
09.05.2016
Werner Faymann trat auch als SPÖ-Vorstitzender zurück.
Nach dem überraschenden Rückzug von SPÖ-Chef Werner Faymann übernimmt Wiens Bürgermeister Michael Häupl interimistisch die Parteiführung . Ein entsprechender Beschluss wurde im Parteivorstand Montagnachmittag abgesegnet.
Die Granden der Sozialdemokraten wirkten von Faymanns Rücktritt glaubwürdig überrascht. Entsprechend gab es vorerst auch keine Festlegungen, wer neuer Vorsitzender werden soll. Häupl sprach von einer "Phase des Nachdenkens". Und Nachdenken tue man am besten schweigend.
Niessl gegen frühe Festlegungen
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl wandte sich dagegen gleich heute, Festlegungen zu treffen. Er gehe davon aus, dass Häupl in den kommenden Tagen oder Wochen Gespräche führe, bei denen ein neues Team zusammengestellt werde. Nicht allzu lange Warten würde Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser. Es gelte nun, zusammenzurücken und rasch zu entscheiden, meinte er zur APA.
Einzig die beiden nicht zu Faymanns Rücktrittserklärungen geladenen Landesparteichefs von Salzburg bzw. Vorarlberg zeigten klare Präferenzen, was die Parteispitze angeht. Der Vorarlberger Michael Ritsch betonte, er würde ÖBB-Chef Christian Kern präferieren. Salzburg Landesobmann Walter Steidl wünscht sich eine junge und kompetente Persönlichkeit. Kern wäre da ein Name, der ihm gute gefiele.
Wie in solchen Situationen üblich, wurde Faymann von allen Seiten Rosen gestreut. Selbst Steidl, der Faymanns Rücktritt gefordert hatte, zog vor diesem rhetorisch den Hut. Dieser habe der Partei einen guten Dienst erwiesen. Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid meinte, im Spiegel der Geschichte werde man sehen, dass Faymann ein ganz ausgezeichneter Bundeskanzler gewesen sei.
Häupl formal zum ersten Mal in Bundespolitik
Formal ist es nun Häupls erster Ausflug in die Bundespolitik. Bisher konzentrierte sich Häupl auf Wien: Der studierte Biologe und bekennende Austria-Wien-Fan machte als erster SPÖ-Landeschef Österreichs mit den Grünen gemeinsame Sache. Im Vorfeld der Wien-Wahl im Herbst gab er die Devise aus, die rote Absolute zurückerobern zu wollen. Bald war jedoch klar, dass dies ein nicht mehr zu realisierender Traum bleiben würde. Durch vehemente Abgrenzung von FPÖ und Strache versuchte er den blauen Siegeszug und damit einhergehende deutliche Verluste für die Sozialdemokraten aufzuhalten. Das gelang zwar nicht, der Vorsprung zu den Blauen blieb aber respektabel.
Das Image des mittlerweile 66-jährigen Stadtchefs oszilliert zwischen gewiefter Taktiker, flotter Sprücheklopfer und zuweilen grantelnder Machtmensch. Mit Aussprüchen wie "Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz" hat sich Häupl längst in die heimischen Zitate-Anthologien eingeschrieben. Er gilt als belesener Intellektueller, der sich bei öffentlichen Auftritten gern leutselig gibt.
Häupl kam am 14. September 1949 in Altlengbach zur Welt und wuchs in einer ÖVP-nahen Lehrerfamilie auf. Der Bub besuchte unter anderem die Schule der Benediktiner in Seitenstetten. Nach der Matura begann er in Wien das Studium der Biologie und Zoologie. Ab dem Jahr 1975 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Naturhistorischen Museum und promovierte zwei Jahre später über die Schädelkinetik bei Gekkoniden, den Kleinechsen der Tropen.
Schon während des Studiums erfolgte ein politischer Richtungswechsel: Er beendete seine Mitgliedschaft in einer Burschenschaft und dockte beim Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ) an. Als dessen Bundesvorsitzender fungierte er von 1975 bis 1977. 1983 zog er in den Gemeinderat ein. Am 29. Jänner 1988 wechselte Häupl auf Wunsch seines politischen Ziehvaters Helmut Zilk als Umweltstadtrat in die Stadtregierung. Endgültig zu Zilks Kronprinzen auf das Amt des Bürgermeisters avancierte Häupl schließlich am 23. April 1993, als er die Nachfolge Hans Mayrs als Vorsitzender der Wiener SPÖ antrat. Die Wahl zum Stadtoberhaupt erfolgte am 7. November des Folgejahres, wobei Gemeinderatsvorsitzender Mayr den Neo-Bürgermeister damals als "Dr. Michael Haupt" vorstellte.
Häupl musste gleich bei seinem ersten Urnengang 1996 eine herbe Niederlage einstecken. Die rote Absolute war Geschichte, es folgte eine SPÖ-ÖVP-Koalition. 2001 konnten die für die Wiener SPÖ gewohnten Verhältnisse jedoch wiederhergestellt werden, wohl auch dank des erklärten Lieblingsfeindes des Bürgermeisters - der schwarz-blauen Bundesregierung. Sie wurde zum Hauptangriffsziel im Wahlkampf.
Die Absolute konnte Häupl im Wahljahr 2005 nicht nur verteidigen, sondern sogar leicht ausbauen. Fünf Jahre später mussten die Roten mit 44,3 Prozent jedoch deutliche Stimmenverluste hinnehmen und kamen nur mehr auf 49 Mandate. Häupl, der bis dahin als bekennender Großkoalitionär galt, entschied sich diesmal dennoch für einen Regierungspakt mit den Grünen, wobei er das Koalitionsabkommen per "Man bringe den Spritzwein" endgültig besiegelte.
Der Bürgermeister kann aber auch mit so manchem Schwarzen gut. Geradezu legendär ist sein guter Draht zu Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet.
Das Stadtoberhaupt ist in dritter Ehe mit Barbara Hörnlein, der ärztlichen Direktorin des Wilhelminenspitals, verheiratet. Aus seinen vorangegangenen Ehen gingen zwei Kinder hervor, wobei Sohn Bernhard als SPÖ-Jugendkoordinator seine ersten Schritte in Richtung Parteikarriere bereits gemacht hat. Häupl urlaubt bevorzugt in der Toskana und frönt dem Fußball - zumindest wenn er von der Wiener Austria gespielt wird. Nicht verwunderlich, dass der Bürgermeister auch dem Kuratorium der Violetten vorsitzt. Dem Punk ist der Politikerprofi auch nicht abgeneigt: "London Calling" von The Clash ist sein Lieblingsalbum.
Zuletzt war Häupl mit rauen Tönen auch in "seiner" Partei konfrontiert. Die Wiener SPÖ war in der Frage des Umgangs mit der Flüchtlingsproblematik zutiefst gespalten. Aus Wien kamen zuletzt auch Rücktrittsforderung in Richtung Faymann - der in der Hauptstadt immerhin viele Jahre lang Stadtrat war. Prompt holte sich Häupl vor einer Woche von den Wiener Parteigremien das "Pouvoir", den angeschlagenen Kanzler unter anderem bei der Vorbereitung der Vorstandssitzung zu unterstützen.
Häupl bezeichnete Faymann bei der Gelegenheit als "unterschätzten Bundeskanzler". Und er versprach: "Ob er in der Partei akzeptiert ist, werden wir sehen. Ich unterstütze ihn jedenfalls."