ÖSTERREICH-Interview

Faymann ruft zur Ordnung

12.09.2009

Bei der Regierungsklausur soll Schluss mit Streit sein. Der Kanzler will auch vom Koalitionspartner ÖVP ein Ende der Wadlbeißerei.

Zur Vollversion des Artikels
© www.achimbieniek.com
Zur Vollversion des Artikels

Es habe eine "offene Aussprache" im Ministerrat gegeben, bestätigt SPÖ-Kanzler Werner Faymann. Was er nobel als "Aussprache" bezeichnet, war freilich ein lautstarker Streit. Während sich ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll "erstaunt über das Glaskinn" der SPÖ zeigt, beendet der Kanzler den Streit.

Im ÖSTERREICH-Interview appelliert Faymann: „Wir müssen konstruktiv arbeiten, ohne irgendeine Wadlbeißerei.“

Reformeifer statt Streitsucht
Statt der Eiszeit der vergangenen Tage will sich der Bundeskanzler ab Montag wieder als Chef einer harmonischen Regierungstruppe präsentieren. Denn dann findet schließlich die rot-schwarze Regierungsklausur in Salzburg statt. Und dort soll es im Unterschied zu früheren Zeiten nicht nur zu Honeymoon-Fotos, sondern auch zu Reformen kommen. So zumindest der Plan:

  • Noch während der Klausur wird an den letzten Schliffen der dringend nötigen Kassenreform gebastelt.
  • Auch die Verwaltungsreform des Bundes soll in Salzburg auf Schiene gebracht werden. Insgesamt will der Kanzler ja ambitionierte – und von vielen angezweifelte – 3,5 Milliarden Euro einsparen. Ein Fahrplan soll jetzt fixiert werden.
  • Das Asylrecht soll besprochen und fertig präsentiert werden. Die SPÖ dürfte den von ÖVP-Innenministerin Maria Fekter geplanten Verschärfungen zustimmen.

Bildung und Arbeitslosigkeit
Noch nicht präsentiert, aber eifrig diskutiert, wird in Salzburg auch die Bildungspolitik und der Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Der Kanzler will von der ÖVP die Bereitschaft zu einer „wirklichen Reform für die beste Schule“. Faymann unterstützt SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied in ihrem Kampf um ein neues Lehrerdienstrecht jedenfalls diesmal "zu 100 Prozent", wie er sagt.

Molterer aus dem Rennen
Und natürlich werden Faymann und Pröll hinter den Kulissen auch über die Bestellung eines neuen EU-Kommissars aus Österreich plaudern. Der bislang paktierte künftige Kommissar, Ex-ÖVP-Chef Wilhelm Molterer, dürfte aus dem Rennen sein. Schließlich wünscht sich EU-Kommissionschef Barroso eine Frau als Nachfolgerin von Benita Ferrero-Waldner. Genau darüber müssen sich Faymann und Pröll in Salzburg einigen. Denn schon am Donnerstag trifft Faymann Barroso.

Hier das ganze Interview:

ÖSTERREICH: Die Regierung hat vergangene Woche nicht gerade ein Bild der Harmonie abgegeben. Sie haben im Ministerrat von der ÖVP verlangt, dass die schwarzen Angriffe auf Claudia Schmied aufhören müssten. Ist der Streit beendet?

Werner Faymann: Wir haben das alles in der Regierung ausgeredet. Ministerratssitzungen sind vertraulich. Und das soll auch so bleiben. Es hat eine offene Aussprache gegeben.

ÖSTERREICH: Sie haben ein lautstarkes Machtwort gesprochen ...

Werner Faymann: Es hat eine offene Diskussion und Aussprache gegeben. Wir haben besprochen, wie wir konstruktiv für das Land arbeiten können – ohne irgendeine Art von Wadlbeißerei.

ÖSTERREICH: Am Montag startet die Regierungsklausur. Wird dann nicht mehr gestritten?

Werner Faymann: Es wird immer wieder Diskussionen geben und auch unterschiedliche Auffassungen zu Sachthemen. Aber es ist wichtig, dass man sich dann auf eine gemeinsame Linie einigt. Ganz wichtig ist es neben dem Sparen auch zu reformieren. Wir haben ein sehr gutes Papier zur Verwaltungsreform ausgearbeitet. Bei der Klausur wird es auch darum gehen, dass wir als Bund mit gutem Beispiel vorangehen. Wir im Bundeskanzleramt werden zum Beispiel bei der IT sparen können.

ÖSTERREICH: Wie schaut es mit dem Kassenpaket aus?

Werner Faymann: Da ist den Ärzten für ihren Sparwillen zu danken. Sie haben sehr viel Reformbereitschaft gezeigt. Uns geht es darum, das beste Gesundheitssystem abzusichern und eine Zwei-Klassen-Medizin zu verhindern. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg.

ÖSTERREICH: Nächste Woche gibt es eine ORF-Enquete im Parlament. Sind Sie mittlerweile zufrieden mit ORF-Chef Wrabetz und seinem Sparkurs?

Werner Faymann: Da gibt es durchaus Ähnlichkeit mit den Kassen. Beide haben Sparpotenzial. Sie haben einiges begonnen, einiges versprochen. Der ORF ist auf dem Weg und zeigt nach den Ärzten auch Reformwillen.

ÖSTERREICH: Wrabetz will von der Regierung eine Gebühren-Refundierung.

Werner Faymann: Bevor die Reformen und die Sparziele nicht stärker sichtbar sind, bringe ich keine Refundierung durch. Ich habe Verständnis für diesen Wunsch, aber dafür ist es noch zu früh.

ÖSTERREICH: Bleibt der ORF-Chef bis 2011?

Werner Faymann: Wenn die Reformen im ORF gut greifen, braucht man in dieser Periode sicher nicht viel zu verändern. Das muss Stück für Stück bewertet werden. Das ORF-Budget nächstes Jahr muss passen. Dann hoffe ich, dass auch die Politik so fair ist und dem ORF die Gebühren rückerstattet.

ÖSTERREICH: Sie konferieren bald mit EU-Kommissionspräsident Barroso. Wer wird Kommissar?

Werner Faymann: Natürlich habe ich regen Kontakt mit dem Kommissionspräsidenten und treffe ihn auch. Aber diese Gespräche sind vertraulich. Es wird ja auch davon abhängen, welches Ressort wir bekommen.

ÖSTERREICH: Barroso wünscht sich eine Frau als Kommissar. Sie haben der VP den Job überlassen. Wäre eine Frau ein gutes Signal?

Werner Faymann: Ich stehe dazu, dass wir der ÖVP das Vorschlagsrecht überlassen. Vor kurzem hat die ÖVP auch zugestimmt, dass Maria Berger, eine Sozialdemokratin, Richterin am europäischen Gerichtshof wird. Barroso wird entscheiden, wie viele Frauen er in seiner Kommission hat. Eine Frau auf einem wichtigen Posten ist immer ein gutes Signal.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel