ÖSTERREICH-Interview
Faymann: "Spekulations-Schlamassel"
28.07.2009
Im ÖSTERREICH-Interview spricht der Kanzler zum Spekulations-Skandal.
ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, Sie laden am Freitag um 20 Uhr – als Nachtschicht vor dem Urlaubsbeginn – Experten zu einem Anti-Spekulationsgipfel ins Kanzleramt. Warum?
Werner Faymann: Ich glaube, dass der Umfang der Verluste, die der Staat durch spekulative Veranlagung seines Steuergeldes erlitten hat, dramatische Ausmaße annimmt – ich sage ganz klar: Für mich ist das ein Spekulations-Schlamassel. Und ich finde, dass der Steuerzahler ein Recht darauf hat, zu erfahren, was mit seinem Steuergeld passiert –und wie so ein Schlamassel in Zukunft verhindert wird.
Finanzminister Pröll sagt, es gab keine Spekulation mit Steuergeld. Sie widersprechen dem?
Ja, es handelt sich hier eindeutig um Spekulation. Alle Fakten deuten darauf hin, dass von Seiten der Finanzierungsagentur ÖBFA Geld in hohem Ausmaß als Kredit aufgenommen wurde, um es dann riskant zu einem höheren Zins-Satz zu veranlagen. Das heißt, die Republik hat Geld extra als Kredit aufgenommen, um es dann wie bei einer Wette einzusetzen und höhere Veranlagungszinsen zu erzielen. Das hat mehr den Charakter einer Wette, als den einer seriösen Veranlagung. Das ist für mich Casino, also Spekulation.
Haben Sie schon einen Überblick als Kanzler, wie viel Geld verloren oder wie viel in Summe sogar gewonnen wurde?
Ich habe einen ersten Überblick vom Rechnungshof-Präsidenten erhalten – aber es gibt leider noch keine wirklich detaillierten Zahlen über Gewinne und Verluste. Ich will deshalb, dass der Rechnungshof-Sonderausschuss so rasch wie möglich prüft, wie viel Geld wirklich für spekulative Veranlagungen aufgenommen wurde, wie viele Prozent davon im Risikobereich sind und wie viel Zinsgewinn eine seriöse Veranlagung im Vergleich zu dieser hoch riskanten Form der Spekulation gebracht hätte. Ich kann nur wiederholen, dass mich die gesamte Aktion an einen Casino-Besuch erinnert, wo nachher jeder erzählt, wie viel er gewonnen hat, aber die Verluste verschweigt.
Für Sie war die Veranlagung des Steuergeldes vergleichbar mit einem Casino-Besuch?
Für mich sind das hochriskante Geschäfte, wenn man Kredite aufnimmt und mit diesen Krediten, für die der Steuerzahler haftet, auf höhere Zinsen wettet. Und ich will nicht, dass Steuergeld im Casino veranlagt wird, ich will auch nicht, dass Geld der Republik Österreich auf den Cayman Islands veranlagt wird, wo Steuerparadiese für Briefkastenfirmen geschaffen werden, gegen die wie im Rahmen der EU politisch vehement auftreten.
Warum sind Sie als Kanzler aktiv geworden?
Weil es hier um das Geld des Steuerzahlers geht – und um sein Vertrauen in die Regierung. Es müssen klare Regeln geschaffen werden, dass solche Risiko-Spekulationen nicht mehr vorkommen: Das Gesetz, wonach der Staat Geld für solche Spekulationen aufnehmen darf, muss geändert werden. Es muss klare Regeln geben, wie in Zukunft Steuergeld seriös angelegt wird. Es muss ein Vier-Augen-Prinzip bei der Geldanlage und eine Kontrolle durch die Experten der Nationalbank geben. Und das ist Chefsache.