Der Kanzler will keine Sanktionen gegen Putin, versteht Tsipras.
In einem Interview mit der Tageszeitung ÖSTERREICH (Sonntags-Ausgabe) antwortet SPÖ-Kanzler Werner Faymann auf die Frage, ob SPÖ und ÖVP sich in Sachen Steuerreform einig seien, zurückhaltend: "Die Verhandlungen laufen gut. Aber noch ist es zu früh, über einen Erfolg zu reden. Ich möchte, dass den Menschen am Ende mehr Netto vom Brutto bleibt. Und da wird es auch davon abhängen, wie man die Reform gegenfinanziert. Daher halte ich Vermögens- und Erbschaftssteuern für notwendig."
ÖSTERREICH: Deutschlands Kanzlerin und Frankreichs Präsident waren bei Putin in Moskau. War das die letzte Chance für Frieden in der Ostukraine?
Werner Faymann: Nein, Friedensgespräche müssen immer fortgesetzt werden. Wenn es hundert solcher Runden bedarf, muss man sie führen. Ich unterstütze die Bemühungen von Merkel und Hollande. Es wird nicht sofort einen Durchbruch geben, aber man muss alles versuchen, um weitere Opfer zu verhindern. Ich bin froh, dass wieder die Gespräche in den Mittelpunkt rücken, statt nur Sanktionsdrohungen.
ÖSTERREICH: EU-Regierungschefs sind in Falken und Tauben gespalten. Sie sind gegen neue Sanktionen gegen Putin?
Faymann: Sanktionen können immer nur eine Notlösung sein. Jene, die Sie Falken nennen, stellen Sanktionen in den Mittelpunkt und machen so, als wären sie der Schlüssel zum Erfolg. Nur, dann hätten die Sanktionen längst greifen müssen, oder?
ÖSTERREICH: Werden Sie auch wieder Gespräche mit Präsident Putin führen?
Faymann: Das habe ich auf jeden Fall vor. Man muss jede Chance für Frieden nutzen.
ÖSTERREICH: Beim EU-Regierungschef-Gipfel am Donnerstag wird es auch um neue Sanktionen gegen Putin gehen. Werden Sie erweiterten Sanktionslisten zustimmen?
Faymann: Das wird von den Listen und den Sanktionen abhängen.
ÖSTERREICH: Da ist Griechenlands Premier Tsipras ein Verbündeter, nicht?
Faymann: Tsipras wird mich am Montag in Wien besuchen, da werden wir auch darüber sprechen. Nicht nur er, auch Italiens Renzi und Frankreichs Hollande bilden eine starke Achse für Friedensverhandlungen. Aber natürlich müssen wir als EU eine gemeinsame Linie finden. Drei verschiedene Friedenspläne vorzulegen wäre kontraproduktiv.
ÖSTERREICH: In der EU tobt nun auch ein Machtkampf zwischen Merkel und Tsipras. Auf wessen Seite stehen Sie da?
Faymann: Ich habe Tsipras so verstanden, dass er als Premier selbst entscheiden will, wie Griechenland spart. Das muss man jedem Land zugestehen. Er hat einige gute Ansätze: die Korruptionsbekämpfung, ein funktionierendes Steuersystem entwickeln. Das alleine wird nicht reichen, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Ich finde, jene, die jetzt bereits hoffen, dass die neue griechische Regierung scheitert, sind am Holzweg. Schadenfreude ist nicht angebracht. In Wien will sich Tsipras auch unsere Beschäftigungspolitik anschauen.
ÖSTERREICH: Zur Innenpolitik. Haben Sie sich mit der ÖVP auf eine Steuerreform geeinigt?
Faymann: Die Verhandlungen laufen gut. Aber noch ist es zu früh, über einen Erfolg zu reden. Ich möchte, dass den Menschen am Ende mehr Netto vom Brutto bleibt. Und da wird es auch davon abhängen, wie man die Reform gegenfinanziert. Daher halte ich Vermögens- und Erbschaftssteuern für notwendig.
ÖSTERREICH: Die aber VP-Finanzminister Schelling erneut abgelehnt hat …
Faymann: Er redet von klassischen Vermögenssteuern, die er ablehnt. Ich prüfe auch gerne nicht klassische Vermögenssteuern, von denen er redet. Aber ich kenne leider noch keine konkreten Pläne der ÖVP. Falls er mit nicht klassischen Vermögenssteuern Mehrwertsteuererhöhungen meint, wäre ich dagegen. Das würde auch die Kassierin treffen. Wir haben alle Vorschläge auf den Tisch gelegt. Ich warte auf Schellings Vorschläge.
ÖSTERREICH: Sie haben die an Krebs erkrankte Gesundheitsministerin Oberhauser am Freitag im Spital besucht. Wie geht es ihr?
Faymann: Sie ist eine Kämpferin – nicht nur in der Politik, sondern auch als Mensch und gegen ihre Krankheit. Das ist auch jetzt spürbar. Wir sind sehr stolz auf sie und wünschen ihr vom Herzen, dass sie diesen Kampf gewinnt. Ich bewundere sie auch dafür, wie offen sie mit ihrer Krankheit umgeht. Sie gibt damit vielen anderen Menschen Mut. Wir werden Sabine Oberhauser mit aller Kraft unterstützen.
Interview: Isabelle Daniel