ÖSTERREICH-Interview

Faymann und Spindelegger im Kanzler-Duell

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Heftiger Schlagabtausch von Kanzler und Vizekanzler im Kampf um die Nummer 1.


Die Stimmung hätte nicht aufgeladener sein können: Nur wenige Stunden, nachdem die SPÖ und Kanzler Faymann ihre Pläne zur Steuerreform ohne Rücksprache mit dem Koalitionspartner ÖVP präsentiert hatten, bat ÖSTERREICH den Kanzler und seinen Vize, ÖVP-Chef Michael Spindelegger, zum Streitgespräch.

Die Diskussion um Steuer-Reform, den richtigen Weg zum Aufschwung und die Budget-Sanierung wurde zum heftigen Schlagabtausch der beiden Parteichefs. Am grünen Tisch des Ministerrats-Saals im Parlament war vor allem Vizekanzler Spindelegger bemüht, mit seinem Gesprächspartner Faymann demonstrativ auf Konfrontation zu gehen, Distanz zu wahren, sich abzugrenzen. Denn Spindelegger will am 29. September für seine ÖVP den Kanzlersessel zurückerobern.

Als Nummer 1, so Spindelegger, werde er sofort einen Wachstumspakt für Österreich auf den Tisch legen und dem Land einen neuen Aufbruch verschaffen. Obwohl Kanzler Faymann von ihm die Absage an Schwarz-Blau einforderte, blieb Spindi hart: Alle Optionen seien offen.

Kanzler Werner Faymann hingegen sprach sich so deutlich wie noch nie für die Fortführung der Großen Koalition aus. Und er verwehrte sich vehement gegen das Miesmachen des Landes, wie es die ÖVP betreibe. „Wir müssen das Tempo erhöhen und besser werden. Aber schlechtreden brauchen wir gar nichts“, donnerte Faymann in den Ministerrats-Saal.

Klar war: Faymann und Spindi sind voll auf Konfrontations-Kurs. Die TV-Duelle der beiden werden brutal – dieses sehen Sie ab sofort im Internet:

>>> Sehen Sie hier das ganze Duell zwischen Werner Faymann und Michael Spindelegger als Video

ÖSTERREICH: Herr Vizekanzler Spindelegger, uns fällt auf, dass Sie und die SPÖ in diesem Wahlkampf die Rollen getauscht haben: Sie treten als Reformer auf, die SPÖ als Bewahrer. Sie fordern einen Neuanfang, haben den Leitl-Sager, unser Land sei „abgesandelt“ sogar als Weckruf bezeichnet. Brauchen wir wirklich einen Neuanfang?
Michael SPINDELEGGER: Reden wir Tacheles: Die bisherige Arbeit war gut, das war aber unsere Aufgabe als Regierung! Lorbeeren gibt es für diese Selbstverständlichkeit nicht. Entscheidend ist, was die nächsten fünf Jahre passiert! Es brauch einen Wechsel an der Spitze des Landes, mit dem Aussitzen muss Schluss sein. Ich will darum in der nächsten Periode die nötigen Reformmaßnahmen durchbringen. Ich will darum gleich am ersten Tag der neuen Regierung einen Wachstums-Pakt für Österreich starten. Dafür müssen alle an einen Tisch – die Sozialpartner und die Regierung.

ÖSTERREICH: Soll im Wachstumspakt auch mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit, sprich ein freiwilliger 12-Stunden-Arbeitstag, enthalten sein?
SPINDELEGGER: Ich will keinen 12-Stunden-Tag! Die Wochenarbeitszeit soll gleich bleiben. Mir geht es um mehr Freiheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Mit Zustimmung der Sozialpartner soll dann jeder sagen können: Wenn ich Montag und Dienstag länger arbeite, dann arbeite ich Mittwoch und Donnerstag weniger.

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler Faymann, Reform-Ansagen hätten wir uns eher von der SPÖ erwartet. Warum sind die Rollen diesmal vertauscht – und Sie, nicht die ÖVP, treten für Stabilität ein?
Werner FAYMANN: Als Bundeskanzler rede ich nicht schlecht, was in dieser Regierungszeit Positives passiert ist. Die Zahlen sprechen hier eine klare Sprache: Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit in der EU, die Wirtschaftskraft wurde gestärkt. Wir sind nicht nur gut durch die Krise gekommen, sondern sind ein guter Wirtschaftsstandort. Alles, was in Richtung Miesmachen, Ramponieren und Versandeln geht, weise ich im Interesse aller, die hier in den letzten Jahren tätig waren, heftig zurück. Aber: Um gut zu sein und zu bleiben, muss man manches ändern. Wenn es Maßnahmen gibt, die zum Abbau der Bürokratie beitragen, bin ich der stärkste Bündnispartner. Und verlässlich.

ÖSTERREICH: Würden Sie den Wachstumspakt der ÖVP unterschreiben?
FAYMANN: Auch ich bin für einen Wachstumspakt, der sich damit beschäftigt, wie wir investieren, wie wir Bildung verbessern. Aber ein Wachstumspakt auf Kosten der Arbeitnehmer mit einem 12-Stunden-Arbeitstag und Lohnkürzungen wird niemals meine Zustimmung finden.

ÖSTERREICH: Da gibt es offenbar kräftigen Dissens bei Ihnen beiden. Vizekanzler Spindelegger ist der Meinung, unser Land hat Aufholbedarf. Richtig?
SPINDELEGGER: Sich auf dem bisher Erreichten auszuruhen, ist zu wenig! Ja, wir haben Veränderungsbedarf, damit wir in Österreich wieder ein Wachstum haben, das diesen Namen verdient. Denn mit 0,5 Prozent Wachstum wie derzeit werden wir keine neuen Arbeitsplätze schaffen und zurückfallen. Wir brauchen also einen Schub, einen neuen Aufbruch in Österreich.

VIDEO: Faymann und Spindelegger über Wachstumspaket >>>

ÖSTERREICH: Das Finanz- und das Wirtschaftsministerium sind in ÖVP-Hand. Was hat Sie bisher gehindert, diesen Aufbruch anzugehen? Oder ist ein Aufbruch mit der SPÖ als Koalitionspartner nicht möglich?
SPINDELEGGER: Die Frage ist: Wer geht als Erster durchs Ziel? Denn der Erste regiert, der Zweite regiert nur mit. Der Erste hat die Möglichkeit, sich seine Partner zu suchen, und kann sagen, was auf der Agenda steht. Ich kann mir das alles auch mit der SPÖ vorstellen, aber nur, wenn es ein klares Votum für die ÖVP als Nummer 1 gibt und unsere Positionen dadurch gestärkt werden.
FAYMANN: Klar ist, dass mit mir an der Spitze der Abbau von hart erkämpften Rechten nicht geht. Ich möchte jetzt hier einmal klarstellen, dass mir wichtig war, dass wir durch die Krise gekommen sind, ohne das auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen auszutragen. Jetzt möchte ich, wenn wir die Krise endgültig überwinden wollen, dass das auch nicht auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen geschieht. Darum bin ich beispielsweise gegen den Abbau von Schutzbestimmungen, zum Beispiel, wenn es darum geht, dass Frauen später in Pension gehen sollen. Man kann nicht Rechte von Menschen abbauen, die an der Finanzmarktkrise keine Schuld haben. Wir können auch so einen Aufschwung schaffen. Auch Angela Merkel in Deutschland verlangt zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Das will ich auch. Bildung, Forschung, Konjunkturpakete sind die richtigen Maßnahmen, um in Schwung zu kommen.

VIDEO: Faymann und Spindelegger über Frauenpensionen >>>

ÖSTERREICH: Herr Faymann, Sie sind diese Woche mit der Ansage vorgeprescht, dass es schon 2015 eine Steuerreform geben soll. Herr Vizekanzler, wurden Sie von der Ansage der SPÖ überrascht?
SPINDELEGGER: Es ist eine Mogelpackung, zwei Wochen vor der Wahl zu versprechen, dass jeder 1.000 Euro mehr bekommt. Das ist nichts anderes als ein faules Wahlzuckerl! Derartig unseriöse Versprechen sind nicht mein Stil. Das ist doch keine echte Steuerreform, denn die SPÖ will in einem ersten Schritt die Steuern erhöhen. Eine Steuerreform 2015 ist nicht machbar, und ich bin nicht bereit, meinen Sanierungsplan für Österreich deswegen aufzugeben. Ich will die neue Bundesregierung als Kanzler anführen, damit neue Steuern und ein neues Sparpaket verhindert werden.
FAYMANN: Lassen Sie mich einmal unser Projekt erklären. Die Steuerreform, die wir vorgelegt haben, hat mit 3 Milliarden Euro dasselbe Volumen wie die letzte Steuerreform am Beginn dieser Regierung. Es ist ein Vorschlag, der von allen namhaften Wirtschaftsforschern des Landes gutgeheißen wird. Denn alle sagen: Die ArbeitnehmerInnen im durchschnittlichen Bereich – also jene, die zwischen 1.200 und 4.000 Euro brutto im Monat verdienen – bezahlen zu hohe Steuern. Wenn wir uns also alle einig sind und die Ärmel aufkrempeln, muss eine Steuerreform in diesem Bereich schon 2015 möglich sein. Ich verstehe nicht, warum man das auf die lange Bank schieben sollte.
SPINDELEGGER: Mit einer derartigen Steuerreform sehe ich ein Sparpaket in der Folge schon programmiert. Deswegen mache ich da nicht mit. Bleiben wir seriös, sanieren wir Österreich. Das ist bis 2016 geplant. Ich würde mir wünschen, dass der liebe Werner Faymann nach der Wahl wieder zu einem seriösen Politiker wird und nicht glaubt, kurz vor der Wahl kann man mit einem „Faymann-Tausender“ die Österreicher ordentlich beherzen.
FAYMANN: Also die Frau Finanzminister Fekter sieht das wohl anders, sie hat schon dreimal angekündigt, dass wir rasch eine Steuerreform brauchen. Sie hat von einem Datum 2014 oder 2015 gesprochen. Warum soll also eine Reform ein Jahr früher unseriös, ein Jahr später seriös sein? Ich glaube, wenn man den Vorschlag in Ruhe – und die wird der Herr Vizekanzler nach der Wahl sicher wieder haben – diskutiert, dann sieht die Welt ganz anders aus.
SPINDELEGGER: Aber man kann nicht den Menschen links das Geld reinstopfen und rechts wieder herausziehen. Das ist unehrlich. Für diesen Stil stehe ich nicht zur Verfügung. Eine solche Reform würde zu neuen Steuern führen, und die würden den Wirtschaftsaufschwung abwürgen.

ÖSTERREICH: Vermögenssteuern nur über Ihre Leiche?
SPINDELEGGER: Wenn ich Bundeskanzler bin, gibt es keine neuen Eigentumssteuern.

ÖSTERREICH: Sie, Herr Faymann, bestehen auf Vermögenssteuern als Koalitionsbedingung?
FAYMANN: Wir müssen die Bankenabgabe verlängern und die Finanztransaktionssteuer einführen. Und ich bin zuversichtlich, dass wir uns in den Verhandlungen wie schon in dieser Legislaturperiode auf vermögensbezogene Steuern einigen können.
SPINDELEGGER: Ich habe einen ganz anderen Plan. Der Steuerzahler darf nicht wieder zum Handkuss kommen. Ich will, dass die Banken an der Hypo-Last von 5,4 Milliarden ihren Anteil leisten. Eine reine Verlängerung der Bankenabgabe ist mir zu simpel und bringt zu wenig.

VIDEO: Faymann und Spindelegger über Steuerreform >>>

ÖSTERREICH: Im Kampf um Platz 1 plakatieren Sie jetzt gegeneinander sozusagen die Verdächtigung, dass der bisherige Partner mit jemand anderem fremdgeht. Die ÖVP plakatiert die Angst vor Rot-Grün, die SPÖ plakatiert die Angst vor Schwarz-Blau. Wie real ist Rot-Grün in Ihren Augen?
SPINDELEGGER: Ich habe das TV-Duell von Werner Faymann und Grünen-Chefin Eva Glawischnig verfolgt. Da war man sich einig in der Frage der Belastung der Österreicher mit neuen Steuern, einig, dass Kinder den ganzen Tag in der Schule sein sollen. Wo war ich mit FPÖ-Chef Strache einig?

ÖSTERREICH: Aber mathematisch ist Rot-Grün unmöglich.
SPINDELEGGER: Dann nimmt man sich halt einen dritten Partner, der bei Rot-Grün mitmacht. Ein Stronach oder Neos sind schnell gefunden.

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, Sie sind sich sicher, dass Herr Spindelegger Schwarz-Blau machen wird, wenn er Erster wird?
FAYMANN: Das ist die Option, von der ich ausgehe. Denn mit wem will die ÖVP ihre Entfesselung der Wirtschaft sonst durchziehen? Keine Steuerentlastung für die ArbeitnehmerInnen? Keine Bankenabgabe oder eine, die jedenfalls weniger als die bestehende ist. Das kann sie mit einer SPÖ ganz sicher nicht machen. Daher ist klar: Wenn die ÖVP Erster wird, steigt die Chance von Schwarz-Blau plus ein paar Stronach-Abgeordneten. Ich hingegen werde mich, wenn ich Erster werde und den Regierungsauftrag bekomme, an die ÖVP zur Bildung einer Großen Koalition wenden.

ÖSTERREICH: Sie haben im letzten Interview mit uns gesagt: Sie wünschen sich, dass VP-Chef Spindelegger im Direktgespräch mit Ihnen eine schwarz-blaue Koalition definitiv ausschließt.
FAYMANN: Ja, das wünsche ich mir. Da wäre jetzt Gelegenheit.
SPINDELEGGER: Ich bleibe dabei: Niemand hat dem Wähler etwas vorzuschreiben! Vor der Wahl kann man nicht sagen, was nach der Wahl herauskommt. Entscheidend ist, das Beste für die Österreicher. Und das heißt für mich: keine neuen Steuern, Wahlfreiheit für Familien und kein neues Sparpaket.

VIDEO: Faymann und Spindelegger über mögliche Koalitionen >>>

ÖSTERREICH: Herr Faymann, Sie sagen in diesem Interview klipp und klar die Weiterführung der Großen Koalition an?
FAYMANN: Das ist mein Ziel, denn ich habe erlebt, dass die Große Koalition, trotz aller Ärgernisse und Schwächen, gut für dieses Land arbeiten kann. Denn wenn ich die vergangenen fünf Jahre Revue passieren lasse, dann überwiegt das Positive. Wir müssen das Tempo erhöhen und besser werden – so wie jeder Unternehmer muss das auch eine Regierung. Aber schlechtreden brauchen wir gar nichts. Darum brauchen wir am 29. September eine klare Entscheidung.
SPINDELEGGER: Ich sage nicht, dass alles schlecht ist an dieser Koalition – wir haben das Land gut durch die Krise geführt. Aber wir brauchen einen neuen Aufbruch. Ich würde als Bundeskanzler auch nicht alles anders machen, aber vieles besser: Mit mir soll der Kanzler in Zukunft eine klare Projekt-Verantwortung haben. In welcher Koalition das geschieht, entscheiden am 29. nur die Wähler und sonst niemand.

ÖSTERREICH: Würde jeder von Ihnen unter dem anderen auch als Vizekanzler arbeiten?
SPINDELEGGER: Werner Faymann hatte seine Chance als Kanzler. Er hat sie 5 Jahre nicht genutzt! Es ist Zeit für einen Kanzlerwechsel. Ich gehe davon aus, dass ich Erster bin – und der Werner Faymann dann auch bereit ist, als Zweiter in einer Regierung mit mir den Wachstumspakt mitzutragen.
FAYMANN: Also Entschuldigung, daran denke ich nicht. Ich gehe davon aus, dass ich Erster werde, und bitte die Wähler, nicht irgendwelche Entfesselungs-Experimente zu unterstützen, sondern Sicherheit für das Land zu wählen.

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