Weihnachts-Interview

Faymann verspricht Reform-Feuerwerk

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Im ÖSTERREICH-Interview zieht Kanzler Werner Faymann selbstkritisch Bilanz – und verspricht ein Reform-Feuerwerk im Jahr 2011.

Einen Tag vor Weihnachten hat Bundeskanzler Werner Faymann in ÖSTERREICH die erste große Ansage für das neue Jahr gemacht. Er will 2011 zum „Jahr der großen Reformen machen“ und zeigen, „dass diese Regierung zukunftsfähig ist“. Für 2010 zieht Faymann eine positive Bilanz: Österreich habe die Krise von allen Ländern Europas am besten bewältigt.

Überraschend offen bezeichnet Faymann im ÖSTERREICH-Interview die Verschiebung des Budgets hinter die Landtagswahlen als größten Fehler: „Wir hätten das Budget gleich im Sommer machen müssen.“
Tatsächlich liegt die Regierung zum Jahresende auf einem absoluten Tiefstwert. Die neueste Gallup-Umfrage zeigt: 72 % aller Österreicher sind mit der Regierung unzufrieden.

Das will der Kanzler im neuen Jahr ändern. In ÖSTERREICH kündigt er für 2011 „eine große Reform-Offensive“ an.

ÖSTERREICH: Wie fällt Ihre Bilanz für 2010 aus?
Werner Faymann: Ich glaube, am Ende dieses nicht sehr einfachen Jahres sollte jeder zugeben: Wir alle gemeinsam haben die Herausforderung der Wirtschaftskrise gut bewältigt – wir sind zum Musterland der EU geworden, sogar die Deutschen nennen uns mit unserer geringsten Arbeitslosigkeit als Vorbild.

ÖSTERREICH: Klingt fast so, als wären Sie stolz auf dieses Regierungsjahr?
FAYMANN: Ich bin stolz auf dieses Land – aber natürlich weiß ich, dass wir ei­nige Punkte noch nicht erledigt haben, die entscheidend sind: Bildungsreform, Pflegefonds, Gesundheits- und Steuerreform.

ÖSTERREICH: Warum, glauben Sie, sind trotz der guten Arbeitsmarktdaten über 70 % der Wähler mit dieser Regierung nicht zufrieden?
FAYMANN: Die Verschiebung des Budgets ans Jahresende war wirtschaftlich vorteilhaft, hat aber die Erwartungshaltung so erhöht, dass die guten Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten nicht anerkannt wurden, weil jeder vom Budget Wunderdinge erwartet hat: die große Verwaltungsreform, die große Schulreform. Wie es im Leben halt so ist: Enttäuschung entsteht durch zu hohe Erwartung. Wir hätten das Budget gleich im Sommer machen sollen und ehrlich dazu sagen, dass das ein maßvolles Sparbudget ist – viel maßvoller als in allen anderen Ländern –, und genauso ehrlich sagen: Die großen Reformen kommen erst im nächsten Jahr, die kann keine Regierung der Welt über einen einzigen Sommer machen.

ÖSTERREICH: Sie sind mit dem Budget unzufrieden?
FAYMANN: Ich bin mit dem Budget sehr wohl zufrieden. Es ist in Wahrheit ein Meilenstein, weil es eine Richtungsänderung ist. Weg vom Sozialabbau hin zu Banken- und Spekulationssteuer, also zu vermögensbezogenen Steuern.

ÖSTERREICH: War es nötig, wegen 270 Mio. Euro Zigtausenden Familien die 13. Familienbeihilfe und den Mehrkindzuschlag zu kürzen?
FAYMANN: Ehrliche Antwort: Vermögenssteuern für die wirklich Reichen und große Konzerne sind mir lieber als Kürzungen bei Familien und sozial Schwachen. In einer Alleinregierung würde ich mehr gerechte Einnahmen bei wirklich Reichen erschließen. Aber ich musste mit der ÖVP Kompromisse schließen. Für die Familienkürzung setzte ich bei der VP Banken- und Stiftungssteuern durch. Ziel im nächsten Budget muss sein, mehr gerechte Steuern unterzubringen und Härten für Familien und in der Pflege abzumildern.

ÖSTERREICH: Die Österreicher sind frustriert, dass diese Regierung – trotz PISA-Debakels – die überfällige Schulreform nicht schafft. Sind Sie auch frustriert?
FAYMANN: Meine Aufgabe ist es nicht, frustriert zu sein – ich bin ja kein Zeitungskolumnist (lacht). Meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Schulreform 2011 kommt und dass wir rasch die Neue Mittelschule sowie die Ganztagsschule ausbauen und das neue Lehrerdienstrecht umsetzen.

ÖSTERREICH: Wo ist die Umsetzung dieser Reformen?
FAYMANN: Die kommt sehr rasch. Wir bekommen ab nächstem Jahr 80.000 neue Ganztagsschulplätze, das steigert die Zahl von 120.000 auf 200.000 Ganztagsschüler. Das kostet 80 Millionen im Jahr – das Geld ist im Budget. Dann fällt die Beschränkung der 10-Prozent-Marke für den Schulversuch „Neue Mittelschule“. Das kostet weitere 50 Millionen – die kommen ins nächste Budget. Bis zum Sommer fällt die 10-Prozent-Grenze für die Neue Mittelschule. Das ist mein Ziel, das setze ich durch.

ÖSTERREICH: Haben Sie das mit Ihrem Freund Josef Pröll besprochen – ich glaube, der sieht das anders?
FAYMANN: Für die VP bin ich nicht zuständig – aber ich kenne in der VP viele, die für die gemeinsame Schule sind. In Wahrheit ist es in der VP die große Mehrheit. Ich spüre, dass Josef Pröll und ich nicht mehr weit auseinander sind, dass die VP ihre ideologischen Scheuklappen ablegt. Spätestens im Sommer fällt die 10-Prozent-Grenze für die Neue Mittelschule. Der öffentliche Druck wird immer stärker.

ÖSTERREICH: Haben Sie das Online-Volksbegehren von ÖSTERREICH für die Schulreform unterschrieben?
FAYMANN: Ich kenne viele, die es getan haben. Ich finde die meisten Punkte goldrichtig. Wir brauchen Ganztagsschule, gemeinsame Schule und Geld für Neubauten. Da laufen Sie bei mir offene Türen ein – ich bin selber Vater einer Schülerin und einer Studentin. Ich verstehe alle Eltern, die auf Reformen drängen.

ÖSTERREICH: Fast alle Wähler fragen sich: Warum schafft diese verdammte Regierung nicht endlich einen Schulpakt für die große Schulreform im Land?
FAYMANN: Wir brauchen keinen Pakt, sondern Umsetzung. 2011 wird das Jahr der Schulreform.

ÖSTERREICH: Wird es eine Uni-Studiengebühr geben?
FAYMANN: Sicher nicht. Ich habe die Abschaffung der Studiengebühren versprochen, den Unis wird der komplette Einnahmenausfall ersetzt. In dieser Legislaturperiode wird die Gebühr nicht eingeführt. Das ist ein Versprechen.

ÖSTERREICH: Wird 2011 die Wehrpflicht fallen?
FAYMANN: Ein Volksentscheid kommt. Als Volksbefragung, bei der die Wähler über verschiedene Modelle abstimmen. Oder die Regierung einigt sich auf ein Modell – dann kommt eine Volksabstimmung. Verteidigungsminister Darabos arbeitet engagiert an Modellen ohne Wehrpflicht mit einem attraktiven Wehrdienst auf freiwilliger Basis. Wenn er das finanziell und organisatorisch für möglich hält, wäre das ideal. Es würde eine breite Mehrheit finden, wenn es nicht teurer und für junge Leute attraktiver ist. Dann muss man den Zivildienst klären. Da schwebt mir ein Freiwilligenjahr vor.

ÖSTERREICH: Gibt es angesichts von Rekordsteuereinnahmen eine Steuerreform?
FAYMANN: Ich will eine große Steuerreform 2013, wenn der Aufschwung hält. Vor allem mittlere Einkommen sollen mit Schwerpunkt Lohnsteuer um 3 Milliarden Euro entlastet werden – für mehr Steuergerechtigkeit. Ich werde zornig, weil die obersten zehn Prozent der EU-Einkommen schon wieder massiv reicher werden, während mittlere Einkommen weiter unter der Krise leiden. Ich kämpfe für EU-Spekulationssteuern, die Finanztransaktionssteuer, die Änderung der Gruppenbesteuerung. Geht das nicht so rasch, will ich eine Vermögenssteuer für Vermögen über einer Million Euro.

ÖSTERREICH: Was ist Ihr Ziel für 2011?
FAYMANN: Wir haben 2010 gezeigt, dass wir das Land stabil durch die Krise führen. Dabei sind aber Zukunftsreformen zu kurz gekommen. 2011 will diese Regierung mit großen Reformen starten. Wir werden mit Pflegefonds und Gesundheitsreform beginnen, ein neues Heer und eine Steuerreform vorbereiten. Das Wichtigste ist die rasche Umsetzung der Schulreform. Die verspreche ich persönlich. Wenn wir in einem Jahr hier sitzen, ziehen wir Bilanz über die große Schulreform.

ÖSTERREICH: Wetten wir?
FAYMANN: Ich wette nicht – ich arbeite und kämpfe.

Interview: Wolfgang Fellner

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