Wahlzuckerl
Faymann will mit Opposition Beschlüsse fassen
25.08.2008
Die SPÖ hat überraschend das Stillhalteabkommen mit der ÖVP aufgehoben. Die ÖVP wirft Faymann jetzt Wortbruch vor.
Faymann will am 18. September einen ganz besonderen Coup landen: Er will die Steuer auf Lebensmittel noch vor der Wahl halbieren. Doch das ist nicht der einzige Beschluss, der für den 18. September im Zuge der Sondersitzung des Parlaments fallen soll. Um das möglich zu machen, hat er am Montag das Stillhalteabkommen mit der ÖVP aufgekündigt. Dieses besagt, dass sich die Parteien nicht gegenseitig überstimmen dürfen. Dies gilt jetzt nicht mehr! Der Weg für diverse Beschlüsse, die er allein mit Stimmen aus der Opposition fällen kann, ist jetzt also frei. Obendrein droht jetzt ein heftiger Wahlkampf.
Das will Faymann am 18. September beschließen:
- Er will die Steuer auf Lebensmittel halbieren.
- Er will jeder Familie (auch mit Kindern unter sechs Jahren) noch im Oktober eine 13. Familienbeihilfe auszahlen.
- Er will die Erhöhung des Pflegegeldes.
- Er will die Abschaffung der Studiengebühren.
- Er will die Verlängerung der Hacklerregelung bis 2013.
"Wir sind für die Bevölkerung verantwortlich"
SPÖ-Obmann
Werner Faymann rechtfertigte im Ö1-"Mittagsjournal" seinen
Schritt, das "Stillhalteabkommen" mit der ÖVP aufzukündigen: "Die
ÖVP hat uns den Sessel vor die Tür gestellt und Neuwahlen ausgerufen und ist
nicht bereit gegen die Teuerung mehr Taten zu setzen als in den genannten
zwei Punkten. Wir haben uns wahnsinnig engagiert und bemüht. Wir sind in
erster Linie der Bevölkerung verantwortlich".
Er wünsche sich, dass die ÖVP "in einigen dieser Punkte mitstimmt", auch, dass sich die Grünen oder andere Parteien überlegen, mitzustimmen, so Faymann.
Vorziehen der Steuerreform
Faymann nannte das Paket "Vorziehen
der Steuerreform". Für diese war ursprünglich ein Volumen von 2,7 Mrd.
Euro vorgesehen. Finanzminister Wilhelm Molterer hatte bereits betont, aus
diesem Grund das Nulldefizit 2010 nicht zu erreichen.
Wahlzuckerln kosten mindestens 1,3 Milliarden Euro
Den größten
Brocken des Entlastungspakets macht die Halbierung der Mehrwertsteuer auf
Lebensmittel aus: 750 Mio. Euro sollen die Kosten dafür jährlich betragen.
Durch die Abschaffung der Studiengebühren würden dem Staat 150 Mio. Euro
entgehen, durch die Erhöhung des Pflegegeldes 120 Mio. Euro. Weiters auf der
roten Vorhabenliste: Die 13. Familienbeihilfe für Kinder sowohl unter als
auch über sechs Jahren (245 Mio. Euro). Die Verlängerung der Hacklerregelung
bis 2013 ist bei den 1,3 Mrd. Euro noch nicht miteingerechnet.
ÖVP "angefressen"
Der Noch-Koalitionspartner
zeigte sich wenig erfreut. Für Molterer gilt nach eigenen Aussagen nach wie
vor der Koalitionsvertrag, auch halte man sich an Vereinbarungen. Ein Nein
zu den SPÖ-Alleingängen gab es auch von Wirtschaftsbund-Generalsekretär
Karlheinz Kopf. Er reihte den Vorschlag in die Kategorie "sündteurer
aber wirkungsloser Sozialpopulismus" ein. Für ÖVP-Finanzsprecher
Günther Stummvoll hat Faymann den Todesstoß für jegliche Steuerentlastung in
den kommenden Jahren gesetzt.
Molterer wirft Faymann "Wortbruch" vor
ÖVP-Obmann
zeigte sich erzürnt: Er werfen Faymann "Wortbruch" vor. "Es
ist vereinbart gewesen und er hat selber gesagt, es ist eine Frage des
politischen Anstandes, die Zeit bis zur Wahl gemeinsam zu bewältigen. Er
hält sich nicht an das Wort, er setzt damit die Tradition von Gusenbauer
fort, und ich bedauere das", so Molterer. Für Donnerstag ist ein
Treffen zwischen Faymann und Molterer angesetzt.
Wer geht mit SPÖ?
Spontane Zusagen, was eventuelle
Mehrheiten betrifft, blieben vorerst in großem Maß noch aus. Lediglich
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kündigte an, an einer "umfassenden
Entlastungsoffensive" mitzumachen. Grünen-Bundessprecher Alexander van
der Bellen freute sich zumindest über das Vorhaben, die Studiengebühren
abzuschaffen. Das will das BZÖ wiederum nicht, sondern lediglich bei
Lehrlingen, die die Matura machen, sagte deren Spitzenkandidat Jörg Haider.
Kluft zwischen SPÖ und ÖVP wird größer
Die
Kluft zwischen den Noch-Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP vertieft sich knapp
fünf Wochen vor den Wahlen weiter. SPÖ-Klubchef Josef Cap verteidigte das
vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Werner Faymann aufgekündigte
Stillhalteabkommen und betonte, man wolle "freie Mehrheiten" im Parlament
für Maßnahmen gegen die Teuerung suchen. Der stellvertretende ÖVP-Klubobmann
Günter Stummvoll warf Faymann vor, keine Handschlagqualität zu haben, konnte
aber beim Streitgespräch mit Cap in der "ZIB 2" des ORF nicht sagen, ob man
einem der von der SPÖ verlangten fünf Punkte zustimmen werde.