Die SPÖ hat ihr Programm für die Nationalratswahl praktisch fertiggestellt. Nun befürchtet die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) in einem Brief an das Präsidium den Verdacht der "Unernsthaftigkeit".
Im Parteipräsidium diese Woche wurde ein Entwurf vorgestellt, der der APA vorliegt und viele bekannte Forderungen wie die Millionärssteuer, eine Facharzt-Garantie und einen Testlauf für eine Vier-Tage-Woche enthält. Dazu kommen zahlreiche finanziell aufwändige Wünsche. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) befürchtet in einem Brief an das Präsidium den Verdacht der "Unernsthaftigkeit".
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So schreibt die Wiener Spitzenkandidatin an die Mitglieder des Spitzengremiums der Sozialdemokraten: "Die Schwerpunktsetzung auf zahllose Steuererhöhungen bei gleichzeitigen Forderungen nach zahlreichen kostenlosen staatlichen Leistungen könnte im Angesicht der von der ÖVP-Regierung verursachten schwierigen finanzpolitischen Lage der Republik den Verdacht der Unernsthaftigkeit entstehen lassen."
SPÖ-Chef Andreas Balber wollte am Samstag dazu nicht Stellung beziehen. Er werde dies aber "zeitgerecht ausführlich" tun. Jedenfalls ortet er "großen Unmut" über "diese Aktion", "von der Gewerkschaft, über die Bundesländer bis nach Wien". Bures habe diese Mail aber nicht an die Medien geschrieben, sondern an ein internes Gremium, so Babler. Daher werde er dazu vorerst öffentlich nichts sagen, sondern das vorher intern besprechen. Das Wahlprogramm selbst soll der Öffentlichkeit Anfang September präsentiert werden.
Weitreichende Ausgaben
Tatsächlich nimmt sich die SPÖ in ihrem Programmentwurf einiges vor, was Ausgaben angeht. Das Feld dabei ist breit von kostenloser Zahnbehandlung für Unter-23-Jährige über die Gelegenheit für jedes Kind, ein Musikinstrument kennenzulernen, kostenloses Mittagessen (und in weiteren Etappen auch Frühstück und Jause) für Schüler, eine Schule ohne private Nachhilfe, ein Nein zu Studienbeiträgen bis zu einem Rechtsanspruch sogar auf geblockte Altersteilzeit. Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters wird ausgeschlossen.
Breiten Raum nimmt auch das Klimakapitel ein. 20 Milliarden bis 2040 sieht SP-Chef Andreas Babler in dem Entwurf für einen Klima-Transformationsfonds vor, der unter der Ägide der ÖBAG stehen soll.
Einnahmenseitig setzt man wiederum auf eine Millionärssteuer für ein Nettovermögen von über einer Million. Zusätzlich wäre das selbst bewohnte Eigenheim bis zu einer "Luxusgrenze" von 1,5 Millionen Euro ausgenommen. Eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer soll es nur für Millionen-Erbschaften geben, wobei Eigenheime, die an Lebensgefährten oder Kinder weitergegeben werden, komplett steuerfrei blieben. Anheben will die Babler-SPÖ die Banken-Abgabe, weiters soll die Körperschaftssteuer-Senkung rückgängig gemacht werden. Die Digitalsteuer soll auf Plattformumsätze ausgeweitet werden, betroffen wäre z.B. Airbnb, wobei die SPÖ die Dienste des Privatwohnungsvermieters ohnehin einschränken will. Auch sollen Supermärkte nur noch in Ortszentren entstehen dürfen.
"Zu wenig Schwerpunktsetzung"
Das Papier mit seinen gut 60 Seiten ist durchaus detailverliebt, was Bures offenbar nicht goutiert: "Die Relationen der einzelnen Politikfelder zeigen zu wenig Schwerpunktsetzungen und Priorisierungen, verlieren sich aber dafür - in relativ unbedeutenden Bereichen - in liebevollen Details", zitiert die "Krone" ihren Brief: "Beim Forschungsthema wird lapidar die erhöhte Finanzierung für Grundlagenforschung avisiert, während im Landwirtschaftsteil die Erhöhung des Anteils der Bio-Imker von derzeit drei auf zehn Prozent angekündigt wird."
Das ist nicht das einzige Beispiel, wo sich die SPÖ im Programm-Entwurf Themen annimmt, die bisher wenig im Mittelpunkt standen. Gefordert werden beispielsweise ein Recht auf "analoges Leben" für Bauern, ein Recht auf persönliche Banktermine, Wartemöglichkeiten an Stationen im Schatten, eine "feministische Außenpolitik" und die Etablierung Österreichs als "diplomatischer Verkehrsknotenpunkt".
Klar abgelehnt wird ein Beitritt Österreichs zur NATO, gleichzeitig ein Bekenntnis zur Beibehaltung der Wehrpflicht abgegeben. Was den Nahost-Konflikt angeht, unterstützt die SPÖ internationale Friedensbemühungen, um eine für Israelis und Palästinenser "gerechte Zweistaatenlösung" zu erreichen. Die russische Aggression gegen die Ukraine wird verurteilt, jedoch spricht man sich für ein Offenhalten von Gesprächskanälen für Verhandlungen ein, um zu einem Ende des Kriegs zu finden.
In Asylpolitik zeigt sich SPÖ rigide
Ziemlich rigide zeigt sich die SPÖ, was die Asylpolitik angeht. Es wird zwar angemerkt, wie stolz Österreich darauf sein kann, was es schon mit der Aufnahme von Flüchtlingen geleistet hat, jedoch wird gleichzeitig betont: "Es ist aber klar, dass wir nicht die gesamte Verantwortung alleine tragen können." Mehr oder weniger auf einer Linie mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) befindet man sich, wenn im Papier gefordert wird, in der EU abgelehnte Asylwerber in "sichere Drittstaaten" abzuschieben, wenn eine Rückkehr in das Heimatland nicht möglich ist. Eine Ausnahme vorgesehen ist für junge Flüchtlinge, wenn sie eine Ausbildung absolviert haben. Diese könnten unter bestimmten Umständen eine andere Aufenthaltsberechtigung erhalten.
Was das Schulwesen angeht, setzt die SPÖ jetzt in erster Linie auf die Ganztagsschule, aber nicht nur auf die verschränkte Form. Man werde darauf achten, dass auch das Modell mit vormittags Unterricht und nachmittags Betreuung angeboten werde.
ÖVP freut sich über SPÖ-Kritik
Wie breit die Erarbeitung des Programms war, ist umstritten. Bures meint in dem Brief an die Präsidiumsmitglieder: "Es ist leider nicht das erste Mal, dass bei öffentlich präsentierten Forderungen der SPÖ insinuiert wird, dass diese auf breiter demokratischer Basis beschlossen worden seien. Auf diese Fehlentwicklung wollte ich hinweisen, weil wir uns dadurch nach innen und außen schwächen und angreifbar machen."
Freudig nahm die ÖVP am Samstag Bures' Kritik auf. Babler sei "selbst für SPÖ-Granden wie Doris Bures zu radikal", attestierte Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung. Der SPÖ-Chef scheine "mittlerweile so beratungsresistent geworden zu sein, dass selbst die Erfahrensten in seiner Partei keine andere Option mehr sehen, als ihn per Brief durch die Medien zu kritisieren". Das sogenannte "Programm" sei kaum mehr als "eine Sammlung an Orchideenthemen und Forderungen nach Steuererhöhungen", findet Stocker.