Aufstand der Polizei

"Fekter schuld an hoher Kriminalität"

16.05.2009

Falsche Strategie gegen Einbruchsbanden, kein Geld für mehr Personal und falsche Öffentlichkeitsarbeit: Bei der Polizeibasis regiert der Frust.

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© TZ ÖSTERREICH / NIESNER
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Fast 200.000 Anzeigen in vier Monaten, 37 Prozent mehr Einbrüche und jede Minute eine Straftat: Wie aktuelle Zahlen beweisen, explodiert die Kriminalität in Österreich wie nie. Das Sicherheitsgefühl der Österreicher ist angekratzt und das Image der Polizei im Keller.

Attacke auf Innenministerin
Das wollen sich die Polizisten nicht länger gefallen lassen. Ein Polizeibeamter, der 25 Jahre lang im Dienst ist und anonym bleiben will, packt jetzt in ÖSTERREICH über die wahren Gründe der Anzeigenflut aus und attackiert dabei frontal die Arbeit von VP-Innenministerin Maria Fekter und ihres Vorgängers Günter Platter. „Das System ist schuld, nicht die Polizisten. Wir können Verbrechen nur noch verwalten, aber nicht mehr bekämpfen“, so der Polizeibeamte.

70 Prozent der Polizisten seien deshalb frustriert – aus Angst vor Kündigung traue sich aber niemand, die Polizeispitze zu kritisieren.

Fehler nach Grenzöffnung
„Viele schwere Fehler der Führung haben zum Kriminalitäts-Anstieg geführt“, behauptet der Polizei-Insider. Vor allem nach der Grenzöffnung seien viele Pannen passiert. So sei das in der Amtszeit von Minister Günter Platter erarbeitete Papier zur Schengenerweiterung, das ÖSTERREICH vorliegt, nur teilweise umgesetzt worden. „Es hätte mehr Personal in den Ballungsräumen, beim Kriminaldienst und auch deutlich mehr Schwerpunkt-Aktionen geben sollen. Das ist aber nicht passiert.“

Von drei Phasen sei nicht einmal die zweite, die für Herbst 2008 geplant war, von Innenministerin Fekter in Angriff genommen worden.

Einbrüche: Falsche Strategie
Die Einbruchswelle, die das Land erfasst, sei die Folge einer falschen Strategie. Der Informant zu ÖSTERREICH: „Bei der Polizeireform wurde das System der Gendarmerie über alle Wachkörper gestülpt, das war falsch.“ Aus Personalmangel gebe es jetzt keine „Grätzlpolizisten“ mehr, der Kontakt zur Bevölkerung sei weg. „Es kann nicht sein, dass nach Hauseinbrüchen, wo eine Tatortarbeit von einer Stunde durch den Kriminaldienst nötig wäre, plötzlich Uniformierte nur 25 Minuten Zeit haben, weil sie zum nächsten Einbruch gerufen werden.“ Von insgesamt 6.000 Polizisten hätten pro Nacht nur 1.000 Dienst, die Hälfte ist mit Bürokratie beschäftigt.“

Schwerpunktaktionen vorab veröffentlicht
Im Visier der Polizeibasis ist neben der Innenministerin die gesamte Polizeispitze und ihre Öffentlichkeitsarbeit. „Es ist schwer verständlich, dass Schwerpunkt-Aktionen wie jene im April öffentlich gemacht werden und sich Kriminelle einstellen können“, sagt der Insider. Diese Art von Eigenwerbung sei fehl am Platz.

Geld wurde verprasst
Es fehle auch an Geld, Staatsbesuche und die EURO hätten die Polizei ausgehungert. „2008 waren alle Überstunden schon im Juni verbraucht. Bis Jahresende konnte so nur noch der Mindeststand eingesetzt werden. Man darf sich nicht wundern, dass ab Herbst die Einbrüche stiegen.“

BKA beruhigt
Major Gerhard Lang vom Bundeskriminalamt (BKA) beruhigt: „Interne Aufzeichnungen zeigen, dass es gerade bei Einbrüchen eine Trendumkehr gibt.“

Polizei-Personalvertreter Harald Segall im ÖSTERREICH-Interview:
"Verärgerung in der Polizei ist riesig"

ÖSTERREICH: Was sind die Ursachen für die massiv gestiegene Kriminalität in Wien?

Harald Segall: Das hängt sicher mit der Öffnung der Schengen-Grenzen in Ostösterreich zusammen. Und dadurch, dass in den vergangenen Jahren die Innenminister in Wien mehr als 1.000 Polizisten abgebaut haben, verschärft sich die Situation. Man kann den Kriminellen nichts entgegensetzen, wenn man keine Leute hat.

ÖSTERREICH: Die Wiener Polizeiführung führt aber genau deswegen ständig Schwerpunktaktionen durch. Bringen die nichts?

Segall: Diese Aktionen bringen nicht sehr viel. Das ist kein großer Wurf. Außerdem halten wir das personell nicht mehr lange durch.

ÖSTERREICH: Es heißt, dass wegen dieser Aktionen die Überstunden massiv gestiegen sind.

Segall: Genau das ist es. So werden Ehen bei den Polizisten zerstört. Viele Beamte haben nur alle sechs Wochen ein Wochenende frei. Ich würde sagen, dass mittlerweile jeder zweite Wiener Polizist schon sehr verärgert, frustriert ist. Wir brauchen dringend 1.000 Polizisten mehr

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