Wer hat Informationen aus dem Kampusch-Akt an die Öffenlichkeit gegeben? Kanzler Gusenbauer fordert eine genaue Untersuchung der Sache.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der FPÖ-Abgeordnete Peter Fichtenbauer, schließt aus, dass die an die Öffentlichkeit gelangten Kampusch-Akten aus dem Parlament durchgesickert sein könnten. Sein Argument: Die an die Parlamentsklubs gelieferten Akten sind mittels Wasserzeichen kopiergeschützt, geheime Akten dürfen nicht an die Klubs verteilt, sondern nur im überwachten Aktenraum eingesehen werden.
"Vertrauliche" Akten
Für die an den U-Ausschuss
gelieferten Akten gibt es laut Fichtenbauer zwei Klassifizierungen: "Vertrauliche"
Akten werden auf DVD kopiert und an die Parlamentsklubs verteilt. "Wenn
sie ins Scan-System aufgenommen werden, besteht ein 100-prozentiger
Kopierschutz", erklärt der FP-Abgeordnete. Konkret wird das Kürzel der
Partei (also "SPÖ" oder "ÖVP") als digitales
Wasserzeichen quer über die Seite eingebrannt, um bei einer Aktenweitergabe
den Verantwortlichen identifizieren zu können.
"Geheime Akten"
Als "geheim" eingestufte
Akten werden dagegen nicht auf DVD gebrannt, sondern dürfen nur im Aktenraum
(dem Parlaments-Lokal V) eingesehen werden. Der Lagerraum ist "streng
überwacht", so Fichtenbauer. Zutritt hätten nur die für den
U-Ausschuss vereidigten Abgeordneten und Mitarbeiter, deren Tätigkeit im
Aktenraum von Mitarbeitern der Parlamentsdirektion überwacht werde. Den
Schlüssel zum Raum habe ebenfalls nur die Parlamentsdirektion bzw. die
Leitung der Parlaments-EDV.
Aktengeheimnis "immer verletzt"
Fichtenbauer erinnert
auch daran, dass immer wieder geheime Unterlagen der Justiz in den Medien
auftauchen würden: "Die Geschichte der Verletzung von
Aktengeheimnissen ... fängt beim AKH-Skandal an und endet jetzt bei der
Haidinger-Aussage vor dem Staatsanwalt. Das hat mit dem Parlament gar nichts
zu tun".
Causa stützt ÖVP-Aktenverweigerung
Fichtenbauer
mutmaßt allerdings, dass die Sache dazu dienen soll, "ein Argument
zu haben, dass wegen angeblicher Vertraulichkeitsbruchgefahr Akten nicht ins
Parlament kommen sollen". Das ÖVP-Innenministerium liefert dem
U-Ausschuss kaum Akten, mit dem Argument des Datenschutzes. Die Causa ist
nun Wasser auf die Mühlen der Aktenverweigerer.
Gusenbauer für genaue Untersuchung
Bundeskanzler Alfred
Gusenbauer (SPÖ) fordert im Interview mit der Tageszeitung ÖSTERREICH
(Samstag-Ausgabe) eine genaue Untersuchung im Fall Natascha Kampusch. "Der
Umgang mit Akten und Lücken im System ist eine Frage, die geklärt werden
muss, weil sich jeder Bürger darauf verlassen muss, dass das System
vernünftig funktioniert. Es muss untersucht werden, wer dafür zuständig ist,
und wer die Akten herausgegeben hat", so der Bundeskanzler. Die Weitergabe
von privaten Details des Entführungsopfers Natascha Kampusch sei Anlass sich
die Frage zu stellen, wie undicht das System sei: "Hier geht es um
Unterlagen, die die persönlichen Sphären von Menschen betreffen und nicht in
die Öffentlichkeit gehören. Das ist eine sensible Gratwanderung. Ich habe
nichts gegen Pressefreiheit, aber die Privatsphäre des Einzelnen, der nicht
wie ein Politiker in der Öffentlichkeit steht, zu schützen, ist etwas sehr
Wichtiges. Man müsse in Zukunft verhindern, dass so etwas noch mal vorkommt.
Laut Pilz hilft die Sache der ÖVP
Der Grüne
Sicherheitssprecher Peter Pilz kann sich dieses Eindrucks auch nicht
erwehren: "Da frag' ich mich wirklich, ohne wem was unterstellen zu
wollen, wem nützt das Ganze?" Einziger Nutznießer einer
Veröffentlichung sei die ÖVP. "Das heißt nicht, dass das von
dort kommen muss, aber Sie werden verstehen: Bei den anderen Fraktionen kann
ich kein Motiv erkennen."
ÖVP sieht Bedenken bestätigt
Und tatsächlich sieht
sich die ÖVP in ihren Bedenken gegen den U-Ausschuss bestätigt. "Mit
jedem Tag wird deutlicher, dass der Datenschutz und die Einhaltung des
Amtsgeheimnisses im Untersuchungsausschuss leere Worte sind", so der
ÖVP-Fraktionschef im U-Ausschuss, Helmut Kukacka. Er fordert eine
Schiedsstelle zwischen Ausschuss und Ministerien über die Aktenweitergabe.
Weiters verlangt die Volkspartei eine Entschuldigung von Pilz und Fichtenbauer, weil sie die Weitergabe mit der ÖVP in Zusammenhang gebracht haben.
Prammer forscht nach
Für Nationalratspräsidentin Barbara Prammer
von der SPÖ ist die Weitergabe von Teilen des Kampusch-Aktes an die Medien "letztklassig".
Sie lässt nun recherchieren, ob diese Informationen im Parlament überhaupt
vorliegen. Wenn nicht, ist das Leck nicht im U-Ausschuss zu suchen.