Der Wirtschaftskammerpräsident hatte vorgeschlagen, die Finanztransaktionssteuer zur Not im österreichischen Alleingang durchzuführen, statt auf die EU zu warten.
Wirtschaftskammerpräsident und VP-Wirtschaftsbundchef Christoph Leitl stößt mit seinem Drängen auf einen österreichischen Alleingang bei der Finanztransaktionssteuer im Finanzministerium auf Skepsis. Priorität müsse eine Einführung auf europäischer Ebene haben, sagte ein Sprecher von ÖVP-Finanzminister Josef Pröll. Man hege die Sorge, dass "man sich bei einem einseitigen nationalen Vorpreschen ins eigene Fleisch schneidet und Kapital ins Ausland treiben würde".
Statt der Bankenabgabe
Leitl hatte seine Forderung nach einer
Einführung der Abgabe in Österreich bekräftigt und nannte mit dem 1. Jänner
2011 auch schon einen konkreten Zeitpunkt dafür. Als "sanften
Einstieg" könnte man ab diesem Termin 0,05 Prozent auf "Finanzbewegungen"
einheben - und sich nach Leitls Rechnung auf diese Weise die von ihm
ungeliebte Bankenabgabe ersparen.
Alleingang "schädigt Standort"
Im
Finanzministerium indes hofft man weiter auf eine EU-weite Lösung. Eine
Einführung nur in Österreich "könnte den Börse- und
Wirtschaftsstandort schädigen", so die Befürchtung. Und "die
Finanztransaktionssteuer gewinnt in Europa durchaus an Unterstützung, aus
der Einsicht heraus, dass die EU-Nettozahler nicht weiter belastbar sind und
es weitere Einnahmequellen für das EU-Budget braucht". Allerdings,
so Prölls Sprecher: Einen "konkretisierten" Vorschlag Leitls
könne man sicher prüfen.
"Kapital ist scheu wie ein Reh"
In die gleiche Kerbe
schlägt ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka. Er spricht sich vehement
gegen einen Alleingang Österreichs aus. Bisher seien alle Experten sowie
Finanzminister bei Ecofin-Treffen der Auffassung gewesen, dass eine solche
Steuer nur dann Sinn mache, wenn sie europaweit eingeführt werde, so
Lopatka. Er kenne kein Konzept, dass bei einer alleinigen Einführung nicht
zu einem massiven Kapitalabfluss führen würde. "Kapital ist
scheu wie ein Reh", so der Staatssekretär.
Wiener Börse fürchtet um Umsatz
Auch die Wiener Börse
hält nichts von einem Alleingang. Eine Finanztransaktionssteuer dürfe
nur zumindest auf europäischer Ebene eingeführt werden, da sich sonst der
Großteil des Handels sofort in jene Länder verlagern würde, die keine
Transaktionssteuer einheben, so die Erwartung. An der Wiener Börse sei zu
befürchten, dass fast zwei Drittel des Aktienumsatzes verloren gehen, da
dieses Volumen von ausländischen Marktteilnehmern gehandelt wird", so die
Broker.
Schieder auf Leitls Seite
SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas
Schieder hält einen Alleingang dagegen für "begrüßenswert".
Priorität Nummer eins habe zwar, eine europaweite Lösung zu suchen - Hand in
Hand mit mehr Regulierung. Sollte sich bis Herbst aber nichts tun, dann sei
ein Alleingang zu diskutieren, so Schieder. Konkret würde es sich dabei um
eine neue, modifizierte Börsenumsatzsteuer handeln. Eine befürchtete
Kapitalflucht wäre "begrenzt", auch Standortnachteile ergäben
sich keine, so der Staatssekretär. Erfahrungen anderer Länder,
beispielsweise in Großbritannien oder der Schweiz, wo es ähnliche Abgaben
gebe, würden das bestätigen.
Matznetter will beides
SPÖ-Wirtschaftssprecher und
Wirtschaftskammer-Vizepräsident Christoph Matznetter wertet es als positiv,
dass "in Fragen der Verteilungsgerechtigkeit Bewegung in die Reihen der
ÖVP kommt". Allerdings braucht es seiner Ansicht nach sowohl die
Bankenabgabe als auch die Finanztransaktionssteuer, "um die richtigen
Konsequenzen aus dieser Krise zu ziehen und um eine faire und gerechte
Budgetsanierung garantieren zu können".
Merkel sieht "keine Chance"
Die deutsche
CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht keine Chance für die Einführung
einer internationalen Finanztransaktionssteuer. Der Internationale
Währungsfonds habe auf deutschen Druck eine solche Steuer geprüft und sich
dagegen ausgesprochen, so Merkel. Sie sehe daher keine Möglichkeiten mehr,
die Steuer international durchzusetzen.