Offiziell schweigt der Bundespräsident noch zu seiner Wiederkandidatur.
ÖSTERREICH: Lieber Herr Bundespräsident, ist nicht der
Zeitpunkt gekommen, mit dem taktischen Versteckspiel aufzuhören und offen zu
sagen: Ich kandidiere im April 2010 für meine Wiederwahl?
HEINZ
FISCHER: Lieber Herr Fellner, das ist kein taktisches Versteckspiel,
sondern ich bin fest überzeugt, dass ich unserem Land einen guten Dienst
erweise, wenn ich dazu beitrage, dass der Wahlkampf für die nächste
Bundespräsidentenwahl ein möglichst kurzer und möglichst fairer ist – und
dass er auch nicht zu früh beginnt. Diesem Ziel würde eine Ansage zu meiner
Kandidatur Anfang September – also acht Monate vor der Wahl – widersprechen.
ÖSTERREICH: Und Sie verstehen nicht, dass sich viele
Österreicher fragen: Der Mann ist jetzt fünf Jahre im Amt, hat einen guten
Job gemacht – warum muss der jetzt monatelang nachdenken, ob er weitermacht?
Hat der keine Freude mehr am Job?
FISCHER: Ich habe große
Freude an dieser Aufgabe. Und ich registriere dankbar, dass ich viele
Zuschriften und Zurufe bekomme, die Anerkennung und Zufriedenheit ausdrücken
für meine Arbeit. Und weil ich diese Arbeit für Österreich in den nächsten
Monaten ungestört fortsetzen will, werde ich nicht verfrüht einen Wahlkampf
starten.
ÖSTERREICH: Es bleibt die Frage, die sich viele Österreicher
stellen: Müssen Sie wirklich noch ernsthaft nachdenken, ob Sie diesen Job
weiter machen wollen – oder sagen Sie’s nur aus taktischen Gründen nicht?
FISCHER:
Ich muss jedenfalls nachdenken, wann der richtige Zeitpunkt für eine
Erklärung zur Frage der Kandidatur ist. Ich teile die Meinung von
Kirchschläger und Klestil, die auch erkannt haben, dass vorzeitige
Erklärungen über eine Wiederkandidatur dem Land nicht dienen, weil sie zu
einem überlangen Wahlkampf führen. Klestil hat sich im November vor dem
Wahljahr festgelegt.
ÖSTERREICH: Wenn Sie jetzt sagen, Sie müssen nur noch über
den Zeitpunkt nachdenken und der Job macht Ihnen große Freude, heißt das ja,
dass innerlich Ihre Entscheidung für die Wiederkandidatur gefallen ist.
FISCHER:
Das ist jetzt die Version Fellner – das schätze ich an Ihnen, wie Sie
komplexe Sachverhalte simplifizieren. Für mich hängen beide Dinge zusammen:
Die richtige Entscheidung und der richtige Zeitpunkt.
ÖSTERREICH: Könnte es Gründe geben, warum Sie nicht mehr
kandidieren?
FISCHER: Im Leben gibt es immer zwei
Möglichkeiten, es kann immer etwas Unerwartetes eintreten.
ÖSTERREICH: Könnte es sein, dass Ihr Antreten damit
zusammenhängt, ob Sie von beiden Regierungsparteien nominiert werden? Es ist
ja ein offenes Geheimnis, dass es Ihr Wunsch ist, als überparteilicher
Kandidat für SPÖ und ÖVP anzutreten.
FISCHER:
Im Falle einer Kandidatur wäre es mein Wunsch, als ein Kandidat anzutreten,
der in vielen politischen Lagern Unterstützung findet und auch Rückhalt hat.
Und wenn ich mir meine Post so ansehe und Gespräche in Erinnerung rufe,
kommt Unterstützung aus allen Lagern und aus allen Schichten der Bevölkerung.
ÖSTERREICH: Ihr Vorbild Kirchschläger ist ja als Kandidat
beider Parteien angetreten.
FISCHER: Nicht nur bei
Kirchschläger, auch bei Klestil war es so, dass die Partei, die ihn beim
ersten Mal nicht unterstützt hat, bei der Wiederwahl keinen Gegenkandidaten
aufgestellt hat. Ich selber habe das als SPÖ-Nationalratspräsident bei
Klestil so vertreten, weil ich der Meinung war, wenn ein Bundespräsident
eine Regierung aus zwei Parteien ernannt hat, dann besteht zwischen dem
Bundespräsident und den von ihm ernannten Regierungsmitgliedern ein gewisses
Vertrauensverhältnis. Und ein solches Vertrauen ist sicher positiv für die
österreichische Politik.
ÖSTERREICH: Viele in der ÖVP sind ja der Meinung, dass Sie,
wenn die ÖVP einen Gegenkandidaten nominiert, nicht mehr antreten werden...
FISCHER:
Das kann nicht ernsthaft gemeint sein. Es gibt viele Gesichtspunkte, die im
Zusammenhang mit meiner Kandidatur zu überlegen sind, nur eines ist klar:
Die Existenz von Gegenkandidaten wäre kein entscheidendes Argument, nicht
anzutreten. Die Demokratie lebt vom Wettbewerb.
ÖSTERREICH: Verraten Sie wenigstens, ob der 26. Oktober der
Tag sein wird, an dem Sie Ihre Kandidatur bekannt geben?
FISCHER:
Der 26. Oktober scheidet aus. Das ist der Nationalfeiertag, der Tag des
Bundesheeres, der Tag der offenen Tür – da ist kein Platz für andere Themen.
ÖSTERREICH: Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie Ihre
Entscheidung für den Herbst – sie sagten: „Nach dem Sommer!“ – angekündigt.
Müssen wir jetzt bis ins nächste Jahr warten?
FISCHER:
Ich habe gesagt: Die Entscheidung fällt in diesem Herbst – und dabei bleibt
es. Wir haben nach dem Nationalfeiertag noch acht Wochen Herbst. Ich glaube
mich zu erinnern, dass ÖVP-Obmann Vizekanzler Pröll den November als
möglichen Zeitpunkt für eine Entscheidung der ÖVP genannt hat. Ich möchte
jenen Zeitpunkt wählen, der für das Land am besten ist: Nicht zu früh und
nicht zu spät.
ÖSTERREICH: Wir führen dieses Interview in einer Phase, in
der die ersten Konjunkturforscher vom Ende der Krise sprechen. Glauben auch
Sie, dass die Krise vorbei ist?
FISCHER: Das wäre voreilig.
Aber es gibt gute Gründe für die Hoffnung, dass der steile Abschwung zu Ende
ist und die Zahlen besser werden. Auch die Nationalbank sagt: Das
Minus-Wachstum wird flacher – aber das ist noch kein Aufschwung. Es gibt
erstmals wieder Licht am Ende des Tunnels, es gibt positive Signale – aber
das Jahr 2009 bleibt ein sehr, sehr schwieriges Jahr und die
Arbeitslosenrate ist derzeit leider noch im Steigen begriffen.
ÖSTERREICH: Wir gehen in Österreich auf 300.000 Arbeitslose
zu...
FISCHER: Wir müssen damit rechnen, dass selbst in der
Phase, in der wir kein Minuswachstum mehr haben, sich die Arbeitslosenzahl
noch nicht reduziert – deshalb muss das Thema Arbeitslosigkeit höchsten Rang
in unserer Prioritätenskala behalten. Ich kann die Regierung und die
Sozialpartner nur darin bestärken, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
weiterhin große Aufmerksamkeit einzuräumen. Ich sehe, dass hier wirklich
intensive Bemühungen vorhanden sind – und das ist auch notwendig.
ÖSTERREICH: In den Umfragen ist die Liebe der Wähler zur
Großen Koalition merklich abgekühlt. Der Ton wird rauer, bockiger, man
blockiert und streitet wieder. Wie sehen Sie die Performance der Regierung
Faymann-Pröll?
FISCHER: Es ist nicht Aufgabe des
Bundespräsidenten, der Regierung in einer schwierigen Phase das Leben noch
schwerer zu machen. Ich will lieber anerkennen, was an Positivem geleistet
wurde. Die Regierung Faymann/Pröll hat viel zur Bekämpfung der Krise getan,
ist um Budget-Disziplin bemüht, hat das Thema Mindestsicherung angepackt und
im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit dazu beigetragen, dass wir nach wie vor
die zweitniedrigste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union haben. Man
kann sagen, dass das, was unsere Regierung leistet, sich im europäischen
Vergleich durchaus sehen lassen kann. Ich möchte die positiven Kräfte in
unserem Land stärken und dem Optimismus eine Basis geben – wobei Kritik und
Fehlersuche in Österreich ohnehin nicht zu kurz kommen.
ÖSTERREICH: Es liegen riesige Brocken vor der Regierung – und
sie streitet.
FISCHER: Hat es nicht gerade noch geheißen, sie
kuschelt zu viel? Tatsache ist, dass Kanzler und Vizekanzler um einen
vernünftigen Umgang miteinander bemüht sind –und das ist gut so. Denn wenn
wir mit der Krise über den Berg sind, wird es notwendig sein, das Budget
wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das wird eine riesige Aufgabe sein, mit
vielen Widerständen und dissonanten Zurufen von allen Seiten.
ÖSTERREICH: Zu den Zurufen gehört die Forderung vonseiten der
SPÖ nach einer gerechteren Vermögensverteilung – sprich: Rasche Einführung
einer Vermögenssteuer.
FISCHER: Soziale Gerechtigkeit
bleibt ein wichtiges Staatsziel – aber: Steuererhöhungen im heurigen Herbst
sind kein Thema.
ÖSTERREICH: Irre ich, oder waren Sie nicht selbst einmal ein
Befürworter einer Vermögenssteuer?
FISCHER: Ich
bin ein starker Befürworter der sozialen Balance auch im Steuerbereich. Ich
wiederhole aber, dass Steuererhöhungen in die jetzige Situation nicht
hineinpassen würden. Und deshalb halte ich es für richtig, wenn die
Regierung sagt, in nächster Zeit haben wir nicht die Absicht, Steuern zu
erhöhen.
ÖSTERREICH: Sind Sie eigentlich für das Verbot von
Manager-Bonuszahlungen, wenn das Unternehmen, die Bank Staatshilfe erhält?
FISCHER:
Dazu gibt es mittlerweile Positionen in der EU, die mir vernünftig
erscheinen. Ich denke, dass man in Zeiten, wo man den Banken aus guten
Gründen helfen muss, auch erwarten kann, dass die Bankmanager entsprechende
Zurückhaltung üben.
ÖSTERREICH: Wer soll unser EU-Kommissar werden? Molterer oder
Gusenbauer?
FISCHER: Es soll der oder die Beste zum Zug
kommen. Das Ganze ist übrigens eine relativ komplexe Prozedur, wo es nicht
nur um die Person, sondern auch um das Ressort und um gesamteuropäische
Ausgewogenheit geht.
ÖSTERREICH: Erwin Pröll, der 2010 vielleicht Ihr
Gegenkandidat sein wird, wirft Ihnen vor, sich in der Hofburg zu verstecken,
zu viel auf Reisen zu sein und zu wenig Kontakt zum Bürger zu haben...
FISCHER:
Ich glaube nicht, dass das auch nur einer der neun Landeshauptleute so sagen
würde. Ich habe sehr viel Kontakt mit unserer Bevölkerung und bin sehr viel
im Land unterwegs. Und was die Auslandsbesuche betrifft, empfehle ich,
Erkundigungen beim Präsidenten der Wirtschaftskammer oder beim
Wirtschaftsminister einzuholen, was den Wert dieser Reisen für unsere
Wirtschaft und auch für die Arbeitsplätze betrifft. Für eine geplante Reise
nach Japan haben sich jetzt schon mehr als 100 Firmenvertreter angemeldet –
die die Kosten natürlich selbst bezahlen. Der Vorwurf, der Bundespräsident
reist zu viel, kann nicht ernst gemeint sein, wenn man die Interessen des
ganzen Landes vor Augen hat.
ÖSTERREICH: Und dass Sie sich verstecken, zu wenig auf den
Tisch hauen, kein Machtwort zur Regierung sprechen?
FISCHER:
Einen Bundespräsidenten, der sich nicht beherrschen kann und der auf den
Tisch haut, anstatt in Ruhe mit guten Argumenten zu überzeugen, den wollen
die Menschen sicher nicht. Ich sehe mich als Brückenbauer, der sein Amt mit
Ruhe und Sachlichkeit und ohne Allüren ausübt und mithilft, das Vertrauen in
unser Land zu stärken.
ÖSTERREICH: Mehr Bürgernähe?
FISCHER:
Ich habe in diesen Tagen zum Beispiel das große Waldviertelfest am
Heldenplatz besucht und dort mit sehr vielen Menschen aus allen Schichten
und Berufen gesprochen. Schade, dass Sie nicht dabei waren. Allein in den
nächsten 14 Tagen bin ich in fünf der neun Bundesländer unterwegs, darunter
werde ich mit über 2.000 Bürgermeistern beim Gemeindetag zusammentreffen.
ÖSTERREICH: Erwin Pröll fordert auch, dass Sie endlich
das Jagdschloss in Mürzsteg verkaufen. Braucht unser Präsident ein eigenes
Schloss?
FISCHER: In der Steiermark gibt es zwar bei Weitem
nicht so viele Schlösser wie in Niederösterreich, aber es gibt ein unter
Denkmalschutz stehendes Jagdhaus aus der Zeit von Kaiser Franz Josef, das
von allen Bundespräsidenten seit 1945, auch von Kirchschläger, Waldheim,
Klestil etc. benutzt wurde, vor allem um Gäste zu empfangen, aber auch als
Sommerresidenz. Vorige Woche war zum Beispiel UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon
mit seiner Gattin eineinhalb Tage ganz privat und ohne Fernsehen zu Besuch,
was eine wunderbare Gelegenheit geboten hat, viele österreichische Anliegen
und Standpunkte in aller Ruhe darzulegen und Vertrauen aufzubauen.
Frühere
Präsidenten haben nicht nur die Möglichkeiten von Mürzsteg genutzt, sondern
auch eine Amtsvilla in Wien. Ich habe darauf verzichtet, bin in der alten
Wohnung in der Josefstädterstraße geblieben, die Amtsvilla konnte verkauft
werden und die Republik Österreich hat dadurch 8 Millionen Euro
Verkaufserlös erzielt. Damit kann man rund 30 Jahre lang das Gehalt des
Bundespräsidenten bezahlen – und zwar brutto. Und wenn Sie das Nettogehalt
rechnen, sind es wohl 60 Jahre.
ÖSTERREICH: Damit wäre die Wiederwahl ja finanziert...
FISCHER:
Einspruch, denn die Wahlwerbung zahlt ja nicht die öffentliche Hand.