Bundespräsident Heinz Fischer warnt vor Spannungen in der Gesellschaft und appelliert an die Vernunft der Regierung.
Bundespräsident Fischer mahnt die Regierung zur Arbeit. Sonst werde der Tag kommen, an dem eine "Mehrheit im Nationalrat" Neuwahlen beschließe, sagt er in den "Salzburger Nachrichten" (Freitag-Ausgabe). Das Staatsoberhaupt sorgt sich um die soziale Schieflage im Land und warnt vor "Spannungen in unserer Gesellschaft". In der EU-Politik fordert er mehr Informationen ein.
Zur SPÖ-Doppelspitze mit Alfred Gusenbauer und Werner Faymann wollte Fischer keine Wertung abgeben. Jedenfalls habe politisch in letzter Zeit das Unbehagen zugenommen, "weil man teilweise mit Prozessen in den politischen Institutionen nicht zufrieden war und weil man sich über gewisse Themen nicht ausreichend informiert gefühlt hat". Daneben gebe auch objektive Faktoren. "Die Inflation tut Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen weh. Die Politik kann keine Wunder wirken, sie kann nicht den Ölpreis nach Belieben festlegen. Aber die Politik muss Sensibilität für diese Fragen beweisen und Antworten geben".
Positive Resultate überdeckt
Es gebe auch den weit
verbreiteten Eindruck, dass zu viel Energie in politische Konflikte fließe
und zu wenig Energie in die Lösung konkreter Probleme. Damit würden auch die
positiven Resultate der Regierungsarbeit überdeckt. Um angesichts der immer
weiter auseinandergehenden Einkommensschere die soziale Balance zu erhalten,
müsste es ein "breites Bündnis geben zwischen Gewerkschaften, Anhängern der
katholischen Soziallehre, Wirtschaftswissenschaftern, Sozialpartnern und
allen, die an politischer Stabilität durch soziale Stabilität interessiert
sind. Ich glaube, dass soziale Disparitäten und soziale Instabilität sich
auch auf die politische Stabilität negativ auswirken".
Zur EU-Politik und der negativen Volksabstimmung in Irland sagte Fischer, das Ergebnis sei eine zusätzliche Motivation, über die Art nachzudenken, wie man mit dem Thema der europäischen Zusammenarbeit in der Öffentlichkeit umgehe. Eine Volksabstimmung in Österreich hätte vermutlich zu einem knappen Abstimmungsergebnis geführt. Was die Information der Regierung über den EU-Vertrag betrifft, sei dies zwar "nicht wenig" gewesen, aber "vom Ergebnis her war es zu wenig": "Das weit verbreitete Missverständnis, dass die EU unser 'Feind' ist, während sie in Wahrheit das Produkt der Zusammenarbeit demokratischer Staaten ist, lasse nur den Schluss zu, dass wir in der Kommunikation nicht erfolgreich genug gewesen sind."
Lissabon besser als Nizza
Niemand werde sagen, dass die EU
fehlerfrei sei, so der Präsident weiter. Dazu komme, dass "wir es derzeit
mit objektiv schwierigen Umständen wie Preissteigerungen,
Ölpreisproblematik, Migrationsproblematik, zu tun haben. Ich bin nicht dazu
da, die EU gegen jede Kritik zu verteidigen". Doch "ich verstehe nicht, wie
jemand, der die heutige EU kritisiert, die auf der Basis des Nizza-Vertrags
arbeitet, einen Vertrag ablehnen kann, der manche Kritikpunkte der heutigen
EU beseitigen würde. Lissabon wäre nachweisbar besser als Nizza. Darum hat
ja gestern auch die britische Königin den Lissabon-Vertrag unterschrieben".