Flüchtlinge
Fischer sieht EU durch Krisen geschwächt
19.03.2016
Fischer: "Flüchtlingsbewegungen werden sich auch in Zukunft abspielen."
Für Bundespräsident Heinz Fischer ist die EU heute "eindeutig schwächer als vor 20 Jahren, weil Krisen Kraft kosten." In einem Interview mit der "Presse am Sonntag" meinte Fischer: "Als die Europäische Gemeinschaft gegründet wurde, konnten sich sechs Staatschefs um den Kamin setzen und Entscheidungen treffen."
Nationale Egoismen abwehren
Momentan habe man "alle Hände voll zu tun, um nationale Egoismen abzuwehren. Alle wollen ihre Extrawürste haben", klagte Fischer. Dass die EU als wirtschaftlicher Machtfaktor auf Augenhöhe mit den USA und China sei, aber nicht im militärischen Bereich, störe ihn nicht, betonte der Bundespräsident. Die EU solle sich nicht dazu drängen lassen, genauso viele Panzer und Raketen wie die USA oder China zu haben.
Angesichts der explosiven Lage im Nahen Osten warnte Fischer vor vorschnellen Militärinterventionen. Gefragt, ob die 300.000 Toten und die Millionen Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs auch als Folge militärischer Untätigkeit seien, meinte Fischer: "Ich möchte nicht amerikanischer Präsident sein und entscheiden müssen, ob ich in Syrien militärisch eingreife oder nicht. Wissend, dass in beiden Fällen Zehntausende Menschen ihr Leben verlieren."
"Bashar Assad strahlt keine Wärme aus"
Der Bundespräsident, der den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad 2007 in Damaskus besucht und zwei Jahre später in Wien empfangen hatte, meinte auf eine entsprechende Frage, es habe nicht nur ihn überrascht, wie Assad später agiert habe. "Aber rückblickend denke ich: Bashar Assad strahlt keine Wärme aus. Eine Freundschaft konnte man zu ihm nicht aufbauen."
Zur aktuellen Flüchtlingskrise meinte der Bundespräsident, er hoffe, dass "die akuten Flüchtlingsvulkane in Syrien und Afghanistan doch eingedämmt werden können." Aber eines sei klar: Flüchtlingsbewegungen würden sich auch in Zukunft in beträchtlichem Umfang abspielen. Es sei "ein Wettrennen gegen Krieg, Hunger, Armut und Seuchen."
Großer Wanderdruck
Die Bevölkerung Afrikas werde sich in den nächsten Dekaden auf zwei Milliarden verdoppeln. "Da entsteht ein großer Wanderungsdruck. Wir werden nicht zur Idylle des 19. Jahrhunderts zurückfinden. Weltweit gibt es derzeit 60 Millionen Flüchtlinge. Da sind ja zwei Millionen in Europa geradezu unterproportional." Europa werde mit seinem Stabilitäts- und Sozialvorsprung weiterhin attraktiv sein, betonte Fischer.