"Personell mager"
Fischler sieht ÖVP Richtung Kleinpartei driften
23.11.2008
Der Ex-EU-Kommissar hält seine Partei für personell ausgelaugt. Ex-Innenminister Strasser empfiehlt eine "law-and-order"-Politik.
Wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag in Wels, bei dem Josef Pröll zum neuen Parteichef gekürt werden soll, melden sich im Wirtschaftsmagazin "trend" parteiinterne Kritiker und Mahner zu Wort. So sagt etwa Ex-EU-Kommissar Franz Fischler: "Derzeit lebt die ÖVP intellektuell von der Hand in den Mund, sie ist personell ausgelaugt. Wenn wir nicht kritische Leute ansprechen, uns nicht öffnen, entwickeln wir uns wirklich in Richtung Kleinpartei."
"Vollzugsorgan der Länder"
Die zentrale Aufgabe
für Pröll, meint Fischler, "wäre es, die Bundes-ÖVP so zu
führen, dass sie nicht nur als Vollzugsorgan der Länder gesehen wird."
Allerdings ist Fischler "nicht sehr zuversichtlich, dass es hier zu
einer Lösung kommt."
"law and order"
Ex-Innenminister Ernst Strasser,
derzeit Managing Partner bei "Vienna Capital Partners", gibt
programmatische Empfehlungen. Die ÖVP müsse "jene Menschen
ins Boot holen, denen law and order wichtig ist. Rechts von der ÖVP darf
bestenfalls für zehn Prozent der Wähler Platz sein." Dieses
Ziel sei mit liberalem Gedankengut zu verknüpfen: "Das geht sehr
wohl. In Niederösterreich hat Erwin Pröll auch ein Hermann-Nitsch-Museum
gebaut."
Mehr Staat weniger privat
Strasser zielt damit auf die FPÖ- und
BZÖ-Klientel. Außerdem rät der in die Wirtschaft abgewanderte Politiker zu
einem Paradigmenwechsel: "Bislang war die Zurückdrängung des Staats
unser Programm. Das ist zu korrigieren. Wir brauchen einen starken Staat mit
einer starken Wirtschaft, mit sozialer Verantwortung für jene, die nicht auf
der Butterseite des Lebens gelandet sind."
"Feste Linie"
Weitere Zurufe an den neuen Parteichef
kommen von Claus Raidl. Der Böhler-Udeholm-Boss fordert "Standhaft
bleiben!" Der einstige Berater Wolfgang Schüssels wünscht eine "feste
Linie" in der EU- ebenso wie in der Wirtschaftspolitik: "Die ÖVP
darf nicht dem Prinzip der etatistischen Beliebigkeit anheim fallen und muss
der Versuchung widerstehen zu glauben, der Staat löst alle Probleme."
Guter Generalsekretär
Raiffeisen-Generalsekretär Ferry
Maier, für die ÖVP im Nationalrat, sieht in der Professionalisierung der
Parteizentrale die Hauptaufgabe. "Die Kommunikation in Ländern und
Teilorganisationen ist neu zu organisieren, damit die Alltagspolitik
professionell läuft. Von der Besetzung dieses Postens hängt sehr viel ab."
Maier, der einst selbst diesen Posten bekleidete, glaubt, dass "die ÖVP
wieder als Wirtschaftspartei wahrnehmbar und für junge Aufsteiger attraktiv
sein muss".
WKÖ-Präsident Christoph Leitl sieht Pröll vor allem einmal vor einer großen kommunikativen Aufgabe. " Er muss motivieren, Begeisterung wecken und Zuversicht vermitteln." Naturgemäß rät er, auf die Sozialpartnerschaft zu hören: "Sie ist der Anker in der Krise. Ohne sie geht es nicht."
Einen dringenden, persönlichen Rat hält schließlich der Meinungsforscher Peter A. Ulram für Pröll bereit: "Der neue Parteiobmann muss sich möglichst schnell von denen emanzipieren, die ihn gemacht haben."
Pröll selbst erkennt die Zeichen der Zeit aber offenbar selbst. Er meint im "trend", man dürfe nicht auf Zielgruppen und Klientel setzen, sonst würde man große Gruppen ausgrenzen und keine Mehrheiten mehr erreichen.