Christian Kern wird am Dienstag angelobt und am Mittwoch im Parlament präsentiert.
„Tüchtig“ nennt ihn Bundespräsident Heinz Fischer. „Geschickt“ ist vielleicht noch ein besserer Ausdruck für den 50-jährigen ÖBB-Chef Christian Kern: Während alle Journalisten bei der SPÖ-Sitzung im Rathaus auf den künftigen Kanzler warteten, war der schon längst in der Hofburg bei Heinz Fischer. Man übte quasi schon ein bisschen das Angeloben. Am Dienstagnachmittag um 17 Uhr wird es dann wirklich so weit sein.
Am Mittwoch sein erster Auftritt im Parlament
Fix
Denn dass Kern neuer Kanzler wird, dafür gab die Partei am Freitag grünes Licht. Zwei Stunden berieten sich die Landesparteiobleute sowie alle roten Teilorganisationen. Dann kam es zum informellen, aber einstimmigen Beschluss: Kern wird SPÖ-Chef und Kanzler. Offiziell wird er am Dienstag vom Parteivorstand nominiert. Schon am Mittwoch folgen ein Ministerrat und auch ein erster Auftritt im Parlament, wo Kern wohl auch seine neue Regierungsmannschaft vorstellen wird. Denn dass im roten Team ordentlich umgerührt wird, ist fix, mehrere Minister wackeln.
Asyl
Nicht gerüttelt wird am Asylkurs mit Grenzkontrollen mit Richtwert vulgo Obergrenze, wie Interimsparteichef und Bürgermeister Michael Häupl beteuerte.
Am harten Asylkurs will auch Kern nicht rütteln
Er gehe davon aus, dass die SPÖ ihre zuletzt eingeschlagene Linie in der Flüchtlingspolitik beibehält, so Häupl. Immerhin seien Beschlüsse im Nationalrat gefallen, und er „sehe zur Stunde nichts, was das ändern soll“.
SPÖ will in Sachen FPÖ pragmatischer werden
In Sachen Koalitionen mit der FPÖ bestritt Häupl, dass es Gräben in der SPÖ gebe: „Wenn es aber das eine oder andere Gräbchen gäbe, ist Kern jemand, der das überbrücken oder sogar zuschütten kann.“ Tatsächlich dürfte die SPÖ einen pragmatischeren Kurs einschlagen – Verhandeln mit der FPÖ ja, am Ende kommt es dann auf die Inhalte an.
Sein SPÖ-Netzwerk: Länder und auch Gewerkschaft
Seit Jahren netzwerkt sich Christian Kern durch die SPÖ. Das kam ihm jetzt zugute.
Wie Dominosteine fielen die roten Landesparteien vergangene Woche in Richtung Kern, Kein Zufall: der ÖBB-General netzwerkt sich seit Jahren gekonnt durch die SPÖ: So unterstützte er bei Wahlen die Landeshauptleute Peter Kaiser, Hans Niessl und Michael Häupl. Im Komitee für den St. Pöltener Bürgermeister Matthias Stadler fand sich Kern ebenfalls.
Und die Gewerkschaft? Kern sitzt im Kuratorium der Wiener Austria. Präsident ist zufällig FSG-Chef Wolfgang Katzian.
Kern: Manager mit roter Bodenhaftung
Christian Kern ist ein Quereinsteiger – allerdings ein politisch sehr versierter.
Er gilt als Pragmatiker und Zahler-Freak – der aus dem rollenden Fass ohne Boden namens ÖBB eine herzeigbare staatliche Bahngesellschaft zimmertet. Und das ohne gröbere Wickel.
Doch viele erfolgreicher Wirtschaftsleute sind in der Politik gescheitert, weil sie mit den besonderen Mechanismen nicht zurechtkommen. Kern wird das kaum passieren. denn: Er kommt aus der SPÖ – und ist dort auch gut vernetzt.
Kurz die Fakten: Kern ist am 4. Jänner 1966 in Wien-Simmering geboren – als Sohn eines Installateurs und einer Sekretärin. Der Bub studiert Publizistik – und geht in die Politik: Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. Prompt wird er zum effizientesten Pressesprecher gewählt. 1997 wechsele Kern in den Verbund, ab 2007 saßt er im Vorstand. Seit Juni 2010 war dann Chef der ÖBB.
Doch auf wen hört Kern? Als langjähriger Vertrauter gilt ÖBB-Kommunikator Stefan Pöttler, der mit Kern im Parlament werkte und später Sprecher von Alfred Gusenbauer war. Auch PR-Profi Markus Schindler und ÖBB-Kommunikationschefin Kristin Hanusch-Linser gehört zum engsten Kreis Kerns – auch sie kommen alle aus der SPÖ.
Verbindungen zu anderen Wirtschaftsbossen sind ebenfalls prächtig: Zu Alexande Wrabetz etwa (hatte eine gemeinsame Vergangenheit beim VSStÖ) oder zu Verbund-Vorstand Hannes Sereinig sowie zu EVN-Chef Stefan Szyszkowitz.
FPÖ sieht ihn als
Willkommensklatscher
Doch der Manager weiß auch nach links zu blinken: Die Bahn bewältigte den Flüchtlingsstrom des vergangenen Spätsommers souverän und Kern machte klar, dass jetzt nicht die Zeit für „Dienst nach Vorschrift“, übersetzt für Fahrschein-Kontrollen, sei. Was ihn jetzt natürlich den FPÖ-Vorwurf einbringt, er sein ein Willkommensklatscher.
First Lady: Kerns lernten sich bei der Arbeit kennen
Eveline Steinberger Kern führt ein innovatives Beratungsunternehmen.
Powercouple
Auch Kerns bessere Hälfte ist beruflich sehr erfolgreich. Eveline Steinberger-Kern – mit ihr ist er in zweiter Ehe verheiratet und eine kleine Tochter – gründete nach ihrer Karriere bei Siemens und dem Verbund, wo sie Kern kennenlernte, mit der Blue Minds Company ein innovatives Beratungsunternehmen im Nachhaltigkeitsbereich.
Netzwerk
Ins Team hat sich die smarte Business-Lady Gudrun Pelinka als Geschäftsführerin geholt. Deren Ehemann Niko Pelinka gilt ebenfalls als bestens vernetzt in der SPÖ.