Aufnahme von Kindern spaltet Türkis-Grün

Flüchtlings-Drama: Kanzler Kurz bleibt hart

12.09.2020

Entlang der Flüchtlingsfrage zieht sich in tiefer Riss in der türkis-grünen Koalition.

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© Michael Gruber; AFP; APA
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Die Fronten sind verhärtet. Am Samstag um 7.30 Uhr stellt Bundeskanzler ­Sebastian Kurz ein Video auf Facebook online, in dem er sein Nein zur Aufnahme von Kindern aus dem nieder­gebrannten Flüchtlingslager Moria bekräftigt. Er könne „dieses menschenunwürdige System aus 2015“ mit seinem Gewissen „nicht vereinbaren“, erklärt der ÖVP-Chef in der siebenminütigen Videobotschaft.

Um 12.10 Uhr ist dann sein Koalitionspartner, der grüne Vizekanzler Werner Kogler, im Ö1 Mittagsjournal zu hören (das Gespräch wurde vor Veröffentlichung des Kurz-Videos aufgezeichnet, erneut dazu äußern wollte sich Kogler nicht). Ähnliche Tonart, komplett gegenteilige Message: Die Grünen beharren darauf, dass Kinder aus dem Elends-Lager auf der griechischen Insel nach Österreich geholt werden.

Verhandlungen

Er arbeite in Gesprächen mit der ÖVP weiter daran, eine Lösung zu finden. Heißt für Kogler: Sich „im europäischen Konzert“ jenen zehn Ländern anzuschließen, die sich bereit erklärt haben, einen Teil der Flüchtlinge aufzunehmen. „Wenn das sogar die Herren Söder und Rutte schaffen, dann kann Österreich das auch“, so Kogler.

Während das Tauziehen der Parteispitzen hinter den Kulissen weiterging, war der Riss in der türkis-grünen ­Koalition in Sachen Migra­tionspolitik diese Woche deutlich zu spüren. „Wenn wir das Lager Moria räumen, ist es gleich wieder gefüllt“, beharrte der türkise Außenminister Alexander Schallenberg. „Das ist eine unmenschliche Blockadehaltung der ÖVP“, antwortet der grüne Nationalratsabgeordnete Michel Reimon in ÖSTERREICH (siehe unten).

Kurz gerät indes zunehmend unter Druck, doch notleidende Kinder aus dem Elendslager Moria nach Österreich zu holen – auch aus den eigenen Reihen. Die Tiroler ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader erklärte gestern: Es sei eine „humanitäre Verpflichtung zu helfen“. Nicht nur durch Hilfe vor Ort, sondern auch durch die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen. In der ÖVP, gerade unter den Bürgermeistern, steht sie mit dieser Meinung nicht mehr allein da.

Grüner Michel Reimon: "Ist von ÖVP eine 
unmenschliche Blockade"

ÖSTERREICH: Was sagen Sie zu dem Video über Moria von Kurz?

Michel Reimon: Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, man könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, Kindern zu helfen. Das ist ein wahnsinnig schlechter Versuch, Emotion zu zeigen.

ÖSTERREICH: Sie halten vielmehr die aktuelle Politik der ÖVP für unmenschlich?

Reimon: Das ist eine unmenschliche Blockade. Man kann sich jetzt auf alles mögliche herausreden, was man dadurch verhindern will. Doch Fakt ist: Kurz holt die Kinder nicht raus und versucht das jetzt emotional zu begründen, weil er merkt, dass es die Leute sehr berührt. Ich bin positiv überrascht, in welche Richtung die Stimmung im Land geht.

ÖSTERREICH: Parallel wird über eine massive Aufstockung der Hilfsgelder verhandelt. Für die Grünen ein akzeptabler Kompromiss?

Reimon: Das reicht nicht! Die Grünen werden weiter dafür kämpfen, dass Österreich Kinder aus Moria aufnimmt.

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50 Millionen Euro: Regierung verdoppelt Katastrophenhilfe

In der Frage, ob nun Kinder aus dem niedergebrannten Lager Moria nach Österreich geholt werden sollen, hat sich am Samstag keiner der beiden Koalitionspartner einen Millimeter bewegt. Dafür stand aber gestern Nachmittag nach intensiven Verhandlungen ein anderes Paket: Konkret sollen kommende Woche 400 voll ausgestattete Unterkünfte für 2.000 Personen inklusive Hygienepakete nach Griechenland geschickt werden. Weiters stehen ein Arzt und 10 Sanitäter zur Verfügung.

Länger gerungen wurde dem Vernehmen nach über den zweiten Teil des Pakets: Die Regierung hat sich gestern darauf geeinigt, „angesichts der humanitären Krisen in vielen Teilen der Welt“ sofort den Auslandskatastrophenfonds von 25 auf 50 Mio. Euro zu verdoppeln. Bis 2025 soll er dann auf 60 Mio. gesteigert werden. Und: Auf Wunsch der Grünen kommt die Hilfe vor Ort künftig auch in die Verantwortung von Kanzler und Vizekanzler.

Der Streit um die Aufnahme von Kindern ist damit aber nicht vom Tisch. Die Grünen wollen weiter darum kämpfen. Kurz hingegen kontert: "Österreich hat bei der Aufnahme von Flüchtlingen schon bisher extrem viel geleistet hat. Allein im Jahr 2020 haben wir bereits 3700 Kinder aufgenommen, das sind über 100 Kinder pro Woche. Wenn jetzt andere sich dafür rühmen 4, 12 oder 100 Kinder aufzunehmen, dann ist das im Vergleich zu dem was Österreich ständig leistet reine Symbolpolitik."

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