Die ÖVP-Frauenministerin im großen Interview zum Weltfrauentag über Lohnschere, Feminismus und Offensive im Gewaltschutz.
Frauen stellen in Österreich mehr als die Hälfte der Bevölkerung (50,8 %). Sie tragen mehr als die Hälfte der Verantwortung – 69 % sind erwerbstätig im Gegensatz zu 77 % bei den Männern, aber sie leisten doppelt so viel unbezahlte Arbeit.
Die Lohnschere in Österreich betrug 2018 laut aktuellem Bericht der Statistik Austria 19,6 %. Sie schließt sich also nur langsam: Bei der vorangegangenen Erhebung 2016 waren es 19,9 %. Im EU-weiten Vergleich (die „Gender-Pay-Gap“ beträgt im EU-Durchschnitt 15,7 %) landet Österreich damit lediglich auf dem 24. Platz.
Große Lücken wegen Kinder-Auszeiten
Im Alter klafft die finanzielle Lücke noch weiter auseinander: Da Frauen im Schnitt niedrigere Einkommen haben und ihre Versicherungsverläufe vor allem durch Kindererziehung Lücken aufweisen, liegen auch ihre Pensionen unter jenen der Männer – sie fallen um fast 50 % geringer aus.
Pensionen der Frauen sind um 50 % niedriger
Dies bewirkt eine wesentlich höhere Armutsgefährdung von Pensionistinnen. Hier will ÖVP-Frauenministerin Susanne Raab nun ansetzen: Sie will das automatische Pensionssplitting einführen. Dabei überträgt der erwerbstätige Partner (meist der Mann) einen Teil seiner Pensionskonto-Gutschriften auf jenen, der die Kinder erzieht (meist die Frau). Raab will dabei nicht nur klassische Familien einbeziehen. Im ÖSTERREICH-Interview zum Frauentag spricht sie über Gewaltschutz, Feminismus und Vorbild Johanna Dohnal.
Raab: "Feminismus trennt Frauen mehr als er verbindet"
ÖSTERREICH: Sie setzten beim Schließen der Lohnschere eher auf Freiwilligkeit. Wie stehen Sie zum isländischen Modell, das Firmen bestraft, die Frauen weniger zahlen?
Susanne Raab: Wir holen mit dem Equal Pay Siegel Unternehmen vor den Vorhang, die fair zahlen. Das hilft den Frauen und den Unternehmen. Wenn ungleich bezahlt wird, ist das eine klassische Diskriminierung und gehört vor die Gleichbehandlungsanwaltschaft.
ÖSTERREICH: Im Regierungsprogramm ist das automatische Pensionssplitting verankert, bei dem sich Väter und Mütter die Pensionsjahre gerecht aufteilen. Wann kommt das?
Raab: Aktuell sind wir in Kontakt mit Juristen, Sozial- und Versicherungsexperten, weil es gilt, die Lebensrealitäten abzubilden. Es gibt Patchworkfamilien, manche haben mehrere Kinder von verschiedenen Partnern. Das alles abzubilden, braucht Zeit.
ÖSTERREICH: Gibt es internationale Vorbilder?
Raab: Es gibt ein Modell in der Schweiz, das aber nur für Ehepartner gilt. Aus meiner Sicht muss man die gemeinsame Verantwortung für die Familie abbilden, unabhängig davon, ob es eine Ehe ist oder sonst eine Partnerschaft.
ÖSTERREICH: Sowohl verschieden- als auch gleichgeschlechtliche Paare?
Raab: Das Pensionssplitting ist auf gemeinsame Kinder abgestellt.
ÖSTERREICH: Es wird insgesamt vier Millionen Euro mehr Mittel geben. Wofür verwenden Sie diese?
Raab: Es wird eine Offensive im Gewaltschutz geben. Es geht darum, dass Frauen schon bei den ersten Anzeichen von Gewalt niederschwellige Ansprechstellen haben. Ich will auch Projekte gegen kulturell bedingte Gewalt stärken. Die Zahlen sind im Steigen begriffen.
ÖSTERREICH: Sie haben mehrmals gesagt, dass Sie sich nicht als Feministin bezeichnen. Wieso eigentlich nicht?
Raab: Weil Feminismus ein ideologischer Begriff ist, der uns Frauen mehr trennt als verbindet.
ÖSTERREICH: Welche Ideologie sehen Sie da, die Sie stört?
Raab: Fragt man fünf Menschen, was Sie darunter verstehen, bekommt man drei Antworten. Deshalb sage ich selbst, wofür ich stehe, und lasse mir kein Etikett anheften.
ÖSTERREICH: Derzeit läuft ein Film über die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal. Ist sie ein Vorbild für Sie?
Raab: Sie hat Großartiges für Frauenrechte in Österreich geleistet. Wie auch die erste Ministerin Grete Rehor und viele stille Heldinnen des Alltags. Debora Knob