Nach der Enthüllung des geheimen Neuwahl-Dossiers der ÖVP, steht es um die Koalition schlecht wie nie zuvor. Ein Geheimgipfel soll die Regierung bis Herbst am Leben erhalten.
Für die Koalition geht es in dieser Woche um alles oder nichts. Die am Wochenende bekannt gewordenen Neuwahlpläne der ÖVP geben Gerüchten neue Nahrung, wonach das Ende der Regierung unmittelbar bevorsteht. Das aufgeflogene Wahlkampf-Dossier der Schwarzen ist mit Veranstaltungsterminen, Wahlkampfkosten und Strategiepapieren derart detailliert angelegt, dass es der SPÖ immer schwerer fällt, eine weitere Zusammenarbeit zu argumentieren. Vor allem die rote Basis schäumt.
SPÖ-Antwort
Nun blasen die SPÖ-Spitzen zum Gegenangriff.
„Ich erwarte mir ein ganz klares Bekenntnis vom Parteiobmann der ÖVP zum
Fortbestand der Koalition“, fordert Bundesgeschäftsführer Josef Kalina
gegenüber ÖSTERREICH. „Und dieses Bekenntnis muss in einer vernünftigen Zeit
seine Wirkung zeigen.“ Der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Erich Haider
sieht die Menschen von der ÖVP „hinters Licht geführt“. Es könne nicht sein,
dass die Partei zuerst blockiere, um dann über die Blockade zu jammern und
Neuwahlen zu verlangen. Und Frauenministerin Doris Bures meint im Interview:
„Offensichtlich gibt es eine Inszenierung der ÖVP, die immer dann auf Streit
und Hader aus ist, wenn sie mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden ist.“
(Siehe unten.)
Krisengipfel
Als letzte Chance für die Große Koalition gilt ein
Gipfeltreffen am kommenden Mittwoch. Teilnehmer: Kanzler Alfred Gusenbauer,
Vizekanzler Wilhelm Molterer, die beiden Regierungskoordinatoren Werner
Faymann und Josef Pröll sowie die Klubobleute Josef Cap und Wolfgang
Schüssel. Gusenbauer hat seinen geplanten Spanienurlaub für den Gipfel
abgesagt, auch Faymann wird die kurzen Osterferien mit Frau und Kind
abbrechen. Wie wenig Erfolg versprechend das Treffen ist, zeigt das
ebenfalls aufgeflogene „Friedensabkommen“, das die ÖVP bei der Gelegenheit
der SPÖ ursprünglich vorlegen wollte. Auf dieser „Kapitulationsurkunde“, so
Kalina, soll festgehalten werden, dass die SPÖ auf ein Vorziehen der
Steuerreform sowie auf den „Gusi-Hunderter“ (siehe rechts) verzichtet.
Außerdem sollen sich die Roten mit einer Unterschrift verpflichten, dass der
U-Ausschuss spätestens im Juni beendet wird. „Das ist die persönliche Rache
Schüssels und läuft auf eine Erpressung der SPÖ hinaus“, so ein
Partei-Insider. Sollte es beim Krisengipfel zum Eklat kommen, bedeutet das
wohl das Ende der Großen Koalition.
Keine Neuwahlen im Juni
Allerdings: Der Zug für Neuwahlen am 1.
Juni, wie sie sich die ÖVP erträumt hat, ist bereits abgefahren. Die Fristen
dafür sind abgelaufen. Wahlen während der anschließenden
Fußball-Europameisterschaft will niemand. Der nächstmögliche Termin liegt
erst im Herbst. Die Alternative: Die SPÖ arbeitet auf eine Regierung ohne
die ÖVP hin, also auf eine Minderheitsregierung. Der Insider: „Das hängt
alles vom Treffen am nächsten Mittwoch ab.“