Sollen beide Elternteile nach einer Scheidung verpflichtend die Obsorge erhalten - Das wird derzeit im Parlament diskutiert.
Neuerungen im Familienrecht sind am Donnerstag bei einer parlamentarischen Enquete diskutiert worden, ein Punkt dabei war die gemeinsame Obsorge für Kinder im Fall einer Trennung. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S) haben dabei ihre Positionen bekräftigt. Heinisch-Hosek schlug vor, dass künftig bei einvernehmlichen Scheidungen auch gleich die Besuchszeiten geregelt werden.
Kindeswohl im Zentrum
In Österreich sind jährlich 21.000 Kinder,
davon 15.000 Minderjährige, von Scheidungen betroffen. Das Kindeswohl sollte
deshalb im Zentrum der Enquete stehen. Bandion-Ortner kann einer
automatischen gemeinsamen Obsorge "viel Positives" abgewinnen,
denn laut Studien würde die gemeinsame Obsorge, auch wenn sie nicht
vereinbart ist, deeskalierend wirken und zu einer besseren Gesprächsbasis
führen.
In Deutschland klappt es gut
Die Ministerin verwies hier auf die
Regelung in Deutschland, wo man mit der automatischen gemeinsamen Obsorge "gute
Erfahrungen" gemacht habe. So sei erwiesen, dass zum Beispiel
Unterhaltsstreitigkeiten seither "massiv" reduziert wurden.
Jedenfalls trage die gemeinsame Obsorge zur Konfliktentlastung bei. "Natürlich"
könne die Obsorge entzogen werden, wenn sie dem Kindeswohl "widerspricht",
so die Justizministerin.
Besuchszeit gleich mitregeln
"Neben dem Unterhalt, dem
Aufenthaltsort des Kindes und der Obsorge - ob sie gemeinsam oder alleinig
erfolgt - sollte auch gleich die Besuchszeit mitgeregelt werden",
schlug Heinisch-Hosek vor. Damit soll verhindert werden, dass etwa Väter
ihre Kinder so lange nicht sehen, dass es bereits zu einer Entfremdung
kommt.
"Abkühlphase" könnte helfen
Sie zeigte sich
erneut skeptisch, was eine automatische gemeinsame Obsorge betrifft: "Das
bezweifle ich, dass es automatisch deeskalierend wirkt." Automatismus
sei nicht zielführend, erklärte sie die Position der SPÖ. Ein wichtiger
erster Schritt hingegen wäre es, die Besuchszeiten bei der einvernehmlichen
Scheidung gleich mitzuverhandeln. Ebenso sprach sie sich für eine "Abkühlphase"
aus. Sollte man sich bei der Trennung nicht auf die Obsorge einigen können,
bekommt sie vorerst ein Elternteil zugesprochen. Zu einem späteren Zeitpunkt
soll das Verfahren erneut aufgenommen werden können, um dann eventuell die
gemeinsame Obsorge beantragen zu können.
Generelle Beschleunigung
Heinisch-Hosek will die Verfahren
generell beschleunigt wissen. So soll mit der Richterschaft ein "erträgliches
Ausmaß" für die Dauer der Rechtsprechung diskutiert werden: "Es
muss eine Endregelung geben, bis zu einem gewissen Zeitpunkt, damit Klarheit
herrscht für alle Beteiligten." Bei strittigen Scheidungen soll
auch eine verpflichtende Elternberatung eingeführt werden.
Bandion-Ortner sprach sich für verstärkte Mediation aus, was das Besuchsrecht betrifft. Vorstellbar wäre ein Ausbau der Familien-Gerichtshilfe, in dessen Rahmen Sozialarbeiter oder Psychologen mit den betroffenen Elternteilen Gespräche führen. "So muss einiges nicht vor Gericht kommen", zeigte sie sich überzeugt.
SJ gegen Verpflichtung
Die Sozialistische Jugend sprach sich
gegen eine verpflichtende gemeinsame Obsorge aus. Zwei Drittel der
unbezahlten Arbeit würden nach wie vor von Frauen erledigt, deshalb solle
man mit halbe-halbe nicht bei der Obsorge beginnen, forderte
SJ-Frauensekretärin Laura Schoch. Zur Veranschaulichung ihrer Forderung
posierte ein kleines Grüppchen der SJ in der Früh vor dem Parlament mit
einem Transparent und Utensilien wie Bügeleisen und Staubsauger.
"Das ist eine Illusion"
Die Grünen haben sich erneut
gegen die verpflichtende gemeinsame Obsorge ausgesprochen. Sie schlagen eine
Schlichtungsstelle vor, wo nach Lösungen gesucht werden soll. Der
Grünen-Abgeordnete Albert Steinhauser gab zu bedenken: "Es ist
eine Illusion zu glauben, dass mit einer automatischen gemeinsamen Obsorge
alle Probleme löst. Die Beziehungskonflikte bleiben weiter bestehen."
Deutsches Modell gefällt FPÖ
FPÖ und BZÖ sind hingegen
dafür, dass die gemeinsame Obsorge nach Trennungen die Regel wird. Den
Freiheitlichen gefällt das deutsche Modell mit einer automatischen
gemeinsamen Obsorge. "Es wäre nicht unklug, sich an der Bundesrepublik
Deutschland ein Vorbild zu nehmen, weil dort offenkundig eine legistische
Situation besteht, die sich bewährt hat", so der Abgeordnete Peter
Fichtenbauer.
"Immer zulasten der Kinder"
"Die gemeinsame Obsorge
eignet sich nicht, um einen Geschlechterkampf austragen zu können. Am
Schluss geht es immer zulasten der Kinder aus", stellte der stellvertretende
BZÖ-Klubchef Ewald Stadler fest. Er würde es begrüßen, wenn die Gerichte
einen größeren Gestaltungsspielraum erhalten. "Wenn die Partnerschaft nicht
mehr funktioniert, heißt das nicht, dass die Beziehung Vater-Kind nicht mehr
funktioniert. Geben wir Vätern das Recht, Kontakt zu ihren Kindern zu
halten, wenn sie das wollen", erklärte Robert Lugar.
Bei der ÖVP steht man einer automatischen gemeinsamen Obsorge ebenfalls positiv gegenüber. So betonte der Abgeordnete Heribert Donnerbauer, dass der Kontakt zu Mutter und Vater eine wichtige Voraussetzung für die positive Entwicklung des Kindes sei. Die SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Mautz hingegen sprach sich gegen eine Verpflichtung zur gemeinsamen Obsorge aus: "Harmonie kann nicht gesetzlich verordnet werden."