Wie aus der Nominierung ein Koalitionskrach wurde.
Um den künftigen österreichischen EU-Kommissar hat sich ein veritabler Koalitionskrach entwickelt. Dabei hatte die SPÖ der ÖVP bereits im Februar offiziell die Nominierung des österreichischen Vertreters bei der EU-Behörde überlassen. Den ÖVP-Wunschkandidaten Wilhelm Molterer wollte die Kanzlerpartei zuletzt aber nicht mehr akzeptieren. Mittlerweile hat sich die SPÖ derart auf den Ex-Vizekanzler eingeschossen, dass ein Rückzug ohne Gesichtsverlust kaum noch möglich scheint. Eine Chronologie:
14. Februar 2009: Bundeskanzler Werner Faymann (S) überlässt der ÖVP offiziell das Nominierungsrecht für den Kommissar: "Ich werde keinen Protest anmelden, wenn das jemand von der ÖVP wird."
15. Februar: Der SP-Fraktionsführer im EU-Parlament, Hannes Swoboda, deutet an, dass seine Partei der ÖVP den Kommissar überlassen hat, um im Gegenzug eigene Kandidaten in ORF und ÖIAG durchzubringen.
17. Februar: Vizekanzler Josef Pröll (V) deponiert den Anspruch der ÖVP auf den Kommissarsposten: "Ja, ich gehe davon aus, dass wir ihn bestellen können. Das war für uns immer wichtig."
5. März: Die Kritik aus der SPÖ am Verzicht auf den Kommissar wird lauter. Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky spricht von einem "Kuhhandel".
3. Juni: Swoboda fordert ein Mitspracherecht bei der Kommissars-Entscheidung, wenn die SPÖ bei der EU-Wahl stimmenstärkste Partei werden sollte.
7. Juni: Bei der EU-Wahl wird die ÖVP mit knapp 30 Prozent deutlich stärkste Partei. Die SPÖ landet abgeschlagen bei 24 Prozent.
15. Juni: Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S) hätte "grundsätzlich nichts dagegen", wenn Österreich eine EU-Kommissarin erhielte. Spekuliert wird über Ex-Außenministerin Ursula Plassnik.
27. Juli: Der damalige oberösterreichische SPÖ-Chef Erich Haider bringt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (V) als EU-Kommissar ins Spiel, dieser nimmt das Namedropping nicht ernst.
29. Juli: ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf nennt als erster in der ÖVP Ex-Parteichef Wilhelm Molterer als Wunschkandidat seiner Partei. Die Opposition findet wenig Gefallen an dem Vorschlag. Faymann meint, Personelles sei noch nicht besprochen.
31. Juli: Der schwarze EU-Mandatar Othmar Karas unterstützt - entgegen der Parteilinie - die Forderung der Opposition nach einem parlamentarischen Hearing für den künftigen EU-Kommissar.
4. August: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter plädiert für eine unabhängige Persönlichkeit als österreichisches EU-Kommissionsmitglied.
11. August: Der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Jörg Leichtfried, wünscht sich ebenfalls ein Kommissars-Hearing.
2. September: Gerüchte, Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (S) sei Wunschkandidat von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, tauchen auf. Faymann und Brüssel dementieren.
8. September: Faymann bekräftigt im ORF-"Sommergespräch" das Vorschlagsrecht der ÖVP für den EU-Kommissar.
16. September: Innenministerin Maria Fekter (V) taucht als neuer Name im Gerüchtekarussell auf. Sie winkt ab: "Ich spiele Bundesliga, nicht Landesliga und auch nicht Europa-Liga."
17. September: Faymann übergibt am Rande eines Sondergipfels der EU-Staats-und Regierungschefs Barroso eine Liste mit möglichen Namen. Darauf sollen sich Molterer sowie Wissenschaftsminister Johannes Hahn (V) befinden. Hahn hält sich bedeckt, schließt einen Wechsel nach Brüssel aber nicht aus.
1. Oktober: Pröll hält eine "Überraschung" beim künftigen EU-Kommissar für möglich.
16. Oktober: Nach einem Besuch von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in Wien spricht sich Faymann überraschend für den Verbleib von Benita Ferrero-Waldner (V) im Amt aus. Die ÖVP reagiert gereizt. Ferrero-Waldner zeigt sich grundsätzlich offen für den Vorschlag.
20. Oktober: Pröll lehnt die Festlegung auf Ferrero-Waldner ab: Es gebe auch "eine Reihe anderer" Kandidaten - etwa Molterer. ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf wirft der SPÖ vor, in der Kommissarsfrage "wortbrüchig" geworden zu sein.
21. Oktober: Die SPÖ schießt sich weiter auf Molterer ein: Für Finanzstaatssekretär Andreas Schieder ist er "kein geeigneter Kandidat". Klubchef Josef Cap droht indirekt mit einem Veto im Ministerrat: "Den Vorschlag kann es nur geben, wenn es einstimmige Beschlüsse gibt."
22. Oktober: Verwirrung um die österreichische Namensliste für den EU-Kommissar: Die Kanzler-Sprecherin bestätigt, dass Molterer und Hahn am 17. September genannt wurden, Faymann dementiert: "Wir haben nur dann einen Vorschlag zu machen, wenn die Bundesregierung einen Vorschlag beschließt."