Alle Punkte hier

Gesundheitsreform gegen Ärzte und Patienten

14.05.2008

Während die Mediziner und bald auch die Kranken keine Freude mit der Reform mehr haben, sollen die Krankenkassen damit saniert werden.

Zur Vollversion des Artikels
© sxc
Zur Vollversion des Artikels

Der fertiggestellte Begutachtungsentwurf zur Gesundheitsreform bringt den Kassen eine neue Struktur und eine ordentliche Finanzspritze. So wird der Finanzminister seinen Beitrag für den Ausgleichsfonds der Träger aus Mitteln der Tabaksteuer erhöhen, darf Geld aus dem Katastrophenfonds abgeschöpft werden und erlässt der Bund den defizitären Kassen gesamt 450 Mio. Euro. Dazu wird ein Pharma-Rabatt verordnet. Das gesamte Paket soll bis 2012 rund 12 Mrd. Euro bringen. Den Ärzten blüht eine Befristung ihrer Kassenverträge.

Hier die wichtigsten Punkte im Überblick.

Ärzte werden kontrolliert
Bei jenen Medizinern, die nach dem 31. Juli dieses Jahres einen Vertrag abschließen, ist nach fünf Jahren eine Qualitätskontrolle vorgesehen. Bestehen sie sie, entsteht ein Rechtsanspruch auf eine Verlängerung um weitere fünf Jahre. Ärzte, die schon einen Kassenvertrag haben, kommen auch nicht ungeschoren davon. Ihnen können Qualitätsauflagen erteilt werden. Erfüllen sie sie zwei Mal nicht, kann der Vertrag gekündigt werden.

Mediziner bekommen Vorgaben
Was die Ärzte erfüllen sollen, legt das Gesundheitsministerium fest. Herangezogen werden sollen unter anderem Fort- und Weiterbildung, effizientes Vorgehen bei ärztlichen Leistungen, Dokumentationspflichten sowie die Einhaltung festgelegter Behandlungsleitlinien und -richtlinien.

Ärztephalanx wird durchlöchert
Zweite direkt die Ärzte betreffende Maßnahme ist die Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen, um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden. Sollte die Leistungserbringung nicht mehr sichergestellt sein, können die Träger der Krankenversicherung mit einzelnen freiberuflich tätigen Ärzten oder Gruppenpraxen Verträge abschließen. Dieser Kontrakt erlischt zwar, wenn wieder ein Gesamtvertrag zustande kommt, dafür entsteht für den betreffenden Mediziner ein Anspruch auf einen regulären Vertrag, der bis dahin vertragslose Arzt "gewinnt" also einen Vertrag.

Keine Medikamente mehr verschreiben
Weniger Kompetenzen haben die Mediziner in Zukunft, was die Erstellung der Rezepte angeht. Die Aut idem-Regelung sieht vor, dass der Mediziner nur noch den Wirkstoff verschreibt und der Apotheker das günstigste gleichwertige Produkt aussucht. Die Tarife der vergleichbaren Medikamente werden nur zwei Mal jährlich überprüft. Das heißt, es sollte garantiert sein, dass sechs Monate das selbe Medikament verschrieben wird. Ausnahmen gibt es für chronisch Kranke und Kinder bis 14.

Pro Patientenbesuch eine Quittung
Fixiert wird im Gesetzespaket auch die Patientenquittung. Demnach muss der Vertragsarzt unmittelbar nach jeder Behandlung einen Nachweis über die erbrachten Leistungen erbringen und dem Behandelten aushändigen.

Kassen werden entschuldet
Finanziell soll vor allem den Trägern geholfen werden, die am Rande der Pleite stehen. Den sechs Kassen, die Ende 2007 ein negatives "Reinvermögen" aufgewiesen haben (Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Kärnten, Tirol), werden in zwei Tranchen 2008 und 2009 insgesamt 450 Millionen anteilsmäßig vom Finanzminister erlassen. Sie müssen die Gelder für die Schuldenreduktion verwenden.

Katastrophenfonds wird geleert
Ferner ist gesetzlich vorgesehen, dem Ausgleichsfonds zwischen den Trägern frisches Geld zuzuschießen. Aus Mitteln der Tabaksteuer werden rund 125 Millionen Euro mehr fließen als bisher. Geld kommt auch aus dem Katastrophenfonds, dessen Rücklagen abgeschöpft werden sollen.

Pharmabranche soll mitzahlen
Geplant ist, dass auch die Pharmabranche befristet zur Sanierung der Kassen beiträgt. Die Pharmazeutischen Unternehmer sollen ab August 2008 bis Ende 2010 verpflichtet werden, einen Beitrag zur Dämpfung der Ausgabensteigerung leisten. Derzeit ist im Gesetz noch ein Betrag X angegeben, die genaue Größenordnung daher noch unklar.

Hauptverband hat das Sagen
Eine ganz wesentliche Änderung bringt das Gesundheitspaket für die Struktur der Krankenkassen, die wieder reformiert wird. Erstmals wandert die Macht von den Kassen an den Hauptverband, er wird in eine Sozialversicherungsholding mit starken Durchgriffsrechten umgewandelt. Er kann dann u.a. rigidere Vorgaben bei Geschäftsordnung und Satzung machen, er kann z.B. eingreifen, wenn ein Träger teure Mehrleistungen für die Patienten anbietet.

Einvernehmen mit Kontrollversammlung
Weiters muss künftig bei den Trägern jede Entscheidung mit der Kontrollversammlung abgestimmt sein. Das bringt den Dienstgeber-Vertretern stärkere Macht, da sie in der Kontrollversammlung die Mehrheit haben, gegen sie geht also nichts mehr.

Verwaltungsrat zieht die Fäden
Im Hauptverband sitzt der neue Verwaltungsrat an den Hebeln. Er besteht aus je sechs Arbeitnehmer- und sechs Dienstgeber-Vertretern, was die stimmberechtigten Mitglieder angeht. Fünf Personen werden von Wirtschafts- und Arbeiterkammer entsendet, je eine von Landwirtschaftskammer und ÖGB. Der Verwaltungsrat bestellt die beiden Geschäftsführer (Chef und Vize), die dem Sozialpartner-Gremium gegenüber weisungsgebunden sind und für fünf Jahre (ab Juli 2009) bestellt werden.

Reform soll 2 Mrd. bringen
Das Reformpaket soll den Krankenkassen bis ins Jahr 2012 rund zwei Mrd. Euro bringen. Maßnahmen des Bundes tragen dazu in Summe 1,4 bis 1,5 Mrd. Euro bei, kostendämpfende Maßnahmen wie etwa die vermehrte Verschreibung von Generika sollen in etwa 600 Mio. Euro ausmachen.

Ausständig ist nach wie vor die Reform der Spitalsfinanzierung. Dazu braucht es aber die Länder sowie die Spitalserhalter, und das geht erst mit den Finanzausgleichsverhandlungen 2013.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel