Sommergespräch

Glawischnig: "Rot-Grün wird dem Land gut tun"

11.08.2012

Eva Glawischnig drückt – nicht nur auf der Straße – aufs Tempo.

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© TZ Österreich / Singer
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Die Erholung im idyllischen Garten des Loibnerhofs bei Dürnstein, wo sich Eva Glawischnig mit ÖSTERREICH zum Sommer-Talk trifft, währt nur kurz. 40 Tage rast die Grünen-Chefin durch Österreich auf ihrer Zwischenwahlkampf-Tour.

Zu rasant, wie ihr Missgünstige unterstellen. Ein FP-Sympathisant behauptete diese Woche, sie im grünen Tour-(Elektro-)Auto mit 160 km/h erwischt zu haben. „Stimmt nicht“, erklärt sie ausführlich im ÖSTERREICH-Gespräch.

Tolle Stimmung
Doch auch diese Episode kann ihr nicht die gute Stimmung rauben. Eva Glawischnig zeigt sich im Interview angriffig und pointiert. Was die Laune der gebürtigen Kärntnerin besonders hebt, sind die guten Umfragewerte. Besonders in Kärnten profitiert Grün vom schwarz-blauen Sumpf. Auf rund 15 Prozent kommen die Grünen laut letzter ÖSTERREICH-Umfrage (bei der letzten Wahl hatten sie knapp fünf Prozent).

Kandidatur
Am liebsten würde sie ihre Partei bei der nächsten Wahl unterstützen – und überlegt im ÖSTERREICH-Talk sogar eine kleine Sensation. Wird sie selbst kandidieren? „Ich weiß nicht, ob es meine Lebenssituation erlaubt (sie lebt in Wien, Anm.), aber wenn es möglich ist, wäre Kärnten natürlich eine Herzensangelegenheit.“

Interview: "Haft-Strafen für illegale Parteienfinanzierer"

ÖSTERREICH: Frau Glawischnig, Sie touren gerade mit 160 km/h durch Österreich. Warum haben Sie es so eilig?
Eva Glawischnig: Falsch, es waren keine 160. Ein Experte hat ja in Ihrer Zeitung vorgerechnet, dass das Auto auf dem Video mit maximal 128 km/h unterwegs war. Offensichtlich ist nur, dass ein FPÖ-Sympathisant mit einer falschen Behauptung versucht hat, von den Korruptions­skandalen abzulenken. Was der Fahrer nicht ausschließen kann, ist, dass es irgendwann zu einer geringfügigen Überschreitung gekommen ist.

ÖSTERREICH: Sie sind doch immer für ein 100 km/h-Limit auf Autobahnen eingetreten und für Bahn statt Auto. Ist das Problem der Grünen nicht, dass sie immer Wasser predigen, aber Wein trinken?
Glawischnig: Privat fahre ich wenig. Mein Mann erzählt gern folgende Geschichte. Ich fahre mit 80 auf der Autobahn. Er sitzt mit Gipshand daneben und leidet, fragt mich, warum ich so langsam fahre. Darauf ich: Na, der da vorne fährt doch auch nur 80. Stimmt, sagt mein Mann, aber der wird abgeschleppt.

ÖSTERREICH: Wie lange erlebt man Sie mit Ihrer rasenden Tour noch in Österreich?
Glawischnig: Insgesamt haben wir 40 Tour-Tage – vom Neusiedler See bis zum Bodensee. Ich rede mit allen Menschen und frage: Wo drückt der Schuh?

ÖSTERREICH: Kann man sich als Politikerin überhaupt noch unter die Wähler trauen?
Glawischnig: Als Grüne ja – die Wähler sehen das extrem positiv, wenn eine Politikerin zu ihnen kommt. Die Aggression gegenüber Korruption ist enorm. Da sind insbesondere in Kärnten und der Steiermark Wutausbrüche dabei, die kann man in einem Interview gar nicht wiederholen.

ÖSTERREICH: Was hören Sie da so?
Glawischnig: Vor allem immer wieder: Sperrt sie endlich ein! Ins Gefängnis mit dem korrupten Pack! Da ist ein ­riesiges Unbehagen, Enttäuschung und auch Aggression gegen diese korrupte Politik von Schwarz und Blau. Die Wähler wollen endlich Kon­sequenzen sehen. Sie wollen, dass die korrupten Politiker rasch zur Verantwortung gezogen werden – und dass das nicht alles in jahrelangen Verfahren versumpert.

ÖSTERREICH: Sind Sie für ­Haftstrafen, wenn Politiker Geld für ihre Partei kassieren?
Glawischnig: Absolut. Bei illegaler Parteifinanzierung, wie jetzt in Kärnten, waren wir immer für Haftstrafen. Schon allein als abschreckende Wirkung. Geldstrafen zahlt die Partei ja immer aus der Portokasse. Haft bei illegaler Partei­finanzierung ist wichtig.

ÖSTERREICH: Genieren Sie sich eigentlich nach all diesen Enthüllungen als Kärntnerin?
Glawischnig: Im Gegenteil, ich bin stolz – Kärnten ist ein wunderbares Land. Aber ich schäme mich für die Politik dort. Das Land wurde von Haider und der FPK kaputtgemacht. Das Budget ist ein Desaster, die Österreicher müssen für die Hypo mit 18 Milliarden geradestehen. Mir hat heute einer gesagt, er geniert sich in Wien mit seinem Kärntner Kennzeichen. Da hab’ ich mir gedacht: Was wäre passiert, wenn die Grünen und Rolf Holub nicht in den Landtag gekommen wären? Die ganze Korruptionsblase wäre nie geplatzt.

ÖSTERREICH: Sie würden die Kärntner Landesregierung gern in den Häfen schicken?
Glawischnig: Ich will harte Strafen – die FPK-Politiker von Dörfler abwärts sind politische Raubritter, die ­alle in Geiselhaft nehmen und dann wie Uwe Scheuch im Fernsehen weinen und wehleidig sind. Bei jedem Auftritt von dem müssen Sie Taschentücher unter den Bildschirm legen. Die FPK ist eine politische Raubritter-Partie, die Politik auch dazu benutzt, Geld in die Parteikassa zu scheffeln. „Part of the Game“ ist nur die Spitze eines riesigen Eisbergs.

ÖSTERREICH: Wenn das eh immer alle gewusst haben, warum haben die Kärntner diese Regierung dann mit großer Mehrheit gewählt?
Glawischnig: Das war nach dem Tod von Haider wohl eine kollektive Psychose. Aber wichtig ist: Jetzt gibt es eine große Mehrheit des anderen Kärnten. Diese Mehrheit verlangt Neuwahlen. Und diese Mehrheit wird von der FPK blockiert. Was ist das für ein perverses Politik-Verständnis, dass ein Landeshauptmann vor seinen Wählern flüchtet? Also Neuwahlen und dazu eine große Demokratiereform in Kärnten. Weg mit der Proporzregierung. Klare Opposition. Starke Minderheitsrechte im Landtag.

ÖSTERREICH: Soll bei einer Neuwahl der Stimmenstärkste, etwa Dörfler, wieder Landeshauptmann werden?
Glawischnig: Na, sicher nicht! Wollen Sie einen Landeshauptmann mit Fußfessel im Büro? Kärnten braucht einen radikalen ­Politikwechsel, die totale Wende. Und ganz sicher keine Raubritter mehr in der Regierung. Auch wenn Dörfler die meisten Stimmen hat, darf er nicht mehr Landeshauptmann werden. Es gibt eine große Mehrheit gegen ihn – und die muss sich jetzt durchsetzen.

ÖSTERREICH: Also Rot-Grün?
Glawischnig: Wäre mein Wunsch für einen kompletten Neubeginn in Kärnten.

ÖSTERREICH: Die Grünen wählen den roten Kaiser zum LH?
Glawischnig: Das ist noch lange nicht gesagt. Soll ich ganz ehrlich sein: Der Einzige, der in Kärnten die moralische Berechtigung hätte, Landeshauptmann zu werden, ist der Grüne Rolf Holub. Er ist der Einzige, der diesen Sumpf aufgedeckt hat. Ich finde, der Saubermacher sollte Kärnten die nächsten Jahre regieren.

ÖSTERREICH: Das ist Ihr Ernst: ein grüner Landeshauptmann für Kärnten?
Glawischnig: Das wäre mein Herzenswunsch. Aber realistisch ist unser Ziel, dass wir mal die ÖVP überholen.

ÖSTERREICH: Das könnte Ihnen mit Ihren bisherigen mickrigen 5 % aber auch gelingen …
Glawischnig: Mei, Sie sind böse! Im Ernst: Über 10 % sind unser Ziel – wenn es knapp 20 % werden, wäre das ein Traum. Und dann stellt sich schon die Frage: Warum soll die SPÖ nicht mal einen Grünen zum Landeshauptmann wählen?

ÖSTERREICH: Ist Kärnten ein Sonderfall, oder ist die Politik in ganz Österreich so korrupt?
Glawischnig: Dass die Politik in ganz Österreich korrupt ist, ist durch den U-Ausschuss belegt. Darum war es so wichtig, dass wir ihn durchgesetzt haben. Unterm Strich ist der U-Ausschuss ein großer Erfolg. Ohne ihn würde es das ganze Transparenzgesetz nicht geben, das wir entscheidend mitgestaltet haben und bei dem illegale Parteifinanzierung in Zukunft kaum mehr möglich ist.

ÖSTERREICH: Man hat den Eindruck, die Grünen liegen mit den Regierungsparteien derzeit politisch in einem Bett. Vor allem die Liebe zur SPÖ wird offenbar immer größer.
Glawischnig: Also lieben tue ich meine Kinder und meinen Mann. In der Politik bemühe ich mich um kon­struktive Zusammenarbeit.

ÖSTERREICH: Aber mit Ihrem Ja zum Euro-Rettungsschirm ESM haben Sie die große Mehrheit der Wähler brüskiert.
Glawischnig: In der Politik muss man auch mutig sein. Ich stehe zur Befürwortung des Rettungsschirms. Man muss langfristig denken – und langfristig muss Österreich wissen, dass es jederzeit ein Opfer der Finanzmärkte werden kann. Wie die FPÖ den Euro bekämpft, halte ich für selbstmörderisch.

ÖSTERREICH: Sie wünschen sich bei der nächsten Wahl 2013 Rot-Grün?
Glawischnig: Ich glaube, dass das dem Land sehr gut tun würde. Nicht nur Kärnten braucht jetzt einen politischen Neubeginn. Diese rot-schwarze Haxlbeißer-Koalition hält ja keiner mehr aus.

ÖSTERREICH: Rot-Grün ist aber in Wien auch keine rasende Erfolgsstory.
Glawischnig: Sie täuschen sich. Rot-Grün läuft in Wien hervorragend.

ÖSTERREICH: Das Chaos um das Parkpickerl …
Glawischnig: … ist heillos übertrieben, ein Sommertheater der Opposition. Das Parkpickerl ist eine Erfolgsstory. Alle Wiener wollen bessere Lebensqualität – und dass ihre Kinder weder Feinstaub noch Asthma-Anfälle haben.

ÖSTERREICH: Das wollen Sie mir jetzt aber nicht erzählen, dass das Parkpickerl gegen Asthma bei Kindern hilft?
Glawischnig: Ganz sicher! Es geht um Verkehrsreduktion und -beruhigung. Da hilft das Parkpickerl enorm, weil Sie nicht mehr für einen Parkplatz 100 Mal um Ihren Wohnblock kreisen müssen. Noch besser wäre eine City-Maut. Das sollte der nächste Schritt sein, und das hielte ich für grundvernünftig.

ÖSTERREICH: Was ist Ihr nächstes politisches Ziel?
Glawischnig: Ein großes ­Demokratiepaket durchbringen. Wir wollen, dass jede Initiative, die 30.000 Unterschriften hat, vom Nationalrat behandelt werden muss. Lehnt sie der Nationalrat ab, wird sie automatisch ein Volksbegehren. Sobald 250.000 Wähler unterschreiben, soll es künftig zu einer Volksabstimmung kommen, die bei 30 Prozent Beteiligung auch verbindlich ist.

ÖSTERREICH: Klingt gut, aber in Wien verhindern die Grünen ja die Volksbefragung zum Parkpickerl …
Glawischnig: Es wird eine Volksbefragung zum neuen Verkehrskonzept kommen. Aber zur Politik gehört auch Mut. Wir haben unseren 100.000 Wiener Wählern versprochen, dass wir fürs Parkpickerl und für billigere Öffi-Tarife sind. Das erfüllen wir. Die Mehrheit der Wiener – 62 % – hat kein Auto. Die haben ein Anrecht auf saubere Luft. Und über saubere Luft können Sie nicht abstimmen.



 
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