Das große Interview

Glawischnig: "Rücktritt? Das ist absurd"

08.04.2017

Eva Glawischnig startet nach Allergieschock neu. ÖSTERREICH gab sie ein erstes Interview.

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Wer den Schaden hat, hat den Spott – und auch eine veritable Parteikrise dazu. Eva Glawischnig feiert heute mit einem ÖSTERREICH-Interview ihr Polit-Comeback. Eine Woche nachdem die Grünen-Chefin mit einem Allergieschock ins AKH musste, hat sie sich jetzt ­weitgehend erholt.

Ihr Ehemann Volker 
Piesczek rief die Rettung

Lebensrettung. Berührend, wie sie erzählt, wie ihr Ehemann Volker Piesczek ihr das Leben gerettet hat – doch auch knallharte Ansagen kommen von Glawischnig. Wer glaubt, dass die Kärntnerin durch die Krise rund um die rebellische Parteijugend amtsmüde ist, hat sich getäuscht.

Grüner Bundeskongress wird jetzt vorverlegt

Spitzenkandidatin. Die Grüne ist entschlossen, als Spitzenkandidatin in die nächste Nationalratswahl zu gehen – der Bundeskongress soll angesichts der Neuwahlgefahr vorverlegt werden. Und: Glawischnig macht klar, dass das Vertrauen zu den Jungen Grünen rund um Flora Petrik zerstört ist.

 Der Rauswurf der Jugendorganisation hat intern Gräben in der Partei aufgerissen, die längst schon zugeschüttet schienen. So könnten bei der ÖH-Wahl im kommenden Mai gleich zwei grüne Listen antreten – die „Grünen Studierenden“ überlegen an diesem Wochen­ende, gegen die „offizielle“ Studentenliste GRAS zu kandidieren – ein Super-GAU für Glawischnig.

Doch auch in den Landesparteien hat es nach Glawischnigs radikalem Schnitt zu rumoren begonnen.

Die Grünen-Chefin hat jedenfalls nicht lange Zeit, sich zu erholen. Ab sofort will sie sich wieder an die Arbeit machen. Zum ersten Mal wieder zu sehen ist sie heute im ORF-Talk Im Zentrum, wo sie auf ihre hartnäckige Gegenspielerin Flora Petrik treffen wird (ORF 2, 22.00 Uhr).

»Ein zweites Mal möchte ich das sicher nicht erleben …«

 ÖSTERREICH: Frau Glawischnig, wie geht es Ihnen?

Eva Glawischnig: Schon deutlich besser. Ich verstehe jetzt, wie es den vielen Menschen mit Allergien in Österreich geht, die meine volle Solidarität ­haben. Danke für die vielen Genesungswünsche, die ich übrigens aus allen Parteien erhalten habe. Das war schon auch sehr ermutigend.

ÖSTERREICH: Was genau ist an diesem Samstag passiert?

Glawischnig: Bis jetzt hatte ich immer nur eine leichte Pollenallergie. Aber diesmal bin ich innerhalb von nur wenigen Minuten total angeschwollen, so dass ich überhaupt nichts mehr gesehen habe. In so einer Situation ist immer die Sorge, dass auch bei den Atemwegen Schwellungen auftreten. Der Volker hat Gott sei Dank nicht lange gefackelt und sofort die Rettung gerufen. Erst in der AKH-Notfallambulanz habe ich wieder etwas mitbekommen.

ÖSTERREICH: Sind Sie im AKH geblieben?

Glawischnig: Nein, ich wollte sofort wieder nach Hause, aber die Medikamente waren natürlich sehr schwer – Kortison verträgt nicht jeder.

ÖSTERREICH: Montag gab’s dann einen Rückfall?

Glawischnig: Ja, am ­Montag ist es mir wegen der Medikamente sehr schlecht gegangen. Jetzt, wo ich alles überstanden habe, geht’s an die Ursachenforschung. Ein zweites Mal möcht ich das nicht erleben.

ÖSTERREICH: Allergien haben ja auch mit der Umweltproblematik zu tun.

Glawischnig: Ja, es wird immer diskutiert, ob Al­ler­gien durch Feinstaub und Umweltgifte verstärkt werden. Tatsache ist, dass es in Österreich immer mehr Allergiker gibt.

ÖSTERREICH: Wie lange dauert die Rekonvaleszenz?

Glawischnig: Ich steige dieses Wochenende schon wieder ein. Auch in den ­Osterferien muss aufgearbeitet werden, was liegen geblieben ist. Für die Tage nach Ostern bereiten wir eine große Offensive im Wohn­bereich vor.

ÖSTERREICH: Der Allergieschock fällt in Ihre bisher schwerste politische Krise …

Glawischnig: Wenn Sie das so bezeichnen wollen. Ich habe aber auch in den vergangenen Wochen wahnsinnig viele positive Rückmeldungen erhalten, seitdem der Streit eskaliert ist. In den Medien sind dagegen Dinge spekuliert worden, bei denen ich mir wirklich gedacht habe: Das ist absurd. Fakt ist: Ich gehe mit voller Energie in die Arbeit für die bevorstehende Nationalratswahl.

ÖSTERREICH: Wie ist jetzt der Letztstand im Konflikt mit den Jungen Grünen?

Glawischnig: Grundsätzlich: Junge haben jedes Recht der Welt, alles zu kritisieren. Das ist nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht. Aber die ­Unterstützung gegnerischer Kandidaturen kann ich als Bundessprecherin nicht zulassen. Außerdem gab es etwa in der Zeitschrift der Jungen Grünen Beiträge, in denen Sätze standen, wie: Die Grünen müssen auf den Kopf gestellt werden – egal, ob sie das überleben oder nicht. Da habe ich dann schon den Eindruck gewonnen, dass unser Vertrauen missbraucht wurde.

ÖSTERREICH: Bei den Kompromissgesprächen mit den Jungen hat es doch immer Beteuerungen von Frau Petrik gegeben, sich mit Ihnen versöhnen zu wollen. Warum hat man nicht zusammengefunden?

Glawischnig: Es gab über Monate Gespräche, die Jungen zu versöhnen und eine Abspaltung zu verhindern. Aber nachdem es schließlich keine Zusage gab, auf die ­gegnerische Kandidatur zu verzichten, musste ich den Beschluss des erweiterten Bundesvorstandes – das ist das höchste politische Gremium nach dem Bundeskongress – auch ernst nehmen.

ÖSTERREICH: Ist die Tür ganz zugeschlagen? Wenn die Jungen nun doch auf die Unterstützung der anderen Kandidatur verzichten?

Glawischnig: Mit Flora Petrik und ihren sechs Vorstandsmitgliedern ist keine Vertrauensbasis mehr herstellbar. Auch von meiner persönlichen Seite nicht. Es ist jetzt Sache der Landes­organisationen zu schauen, wie man mit den Jungen weiter zusammenarbeiten kann. Meine ausgestreckte Hand ist aber da.

ÖSTERREICH: Dieser nach außen hin doch eigentlich läppische Streit mit der Jugendorganisation hat ja bei den Grünen eine Rücktrittsdiskussion um Ihre Person ausgelöst.

Glawischnig: Ja, allerdings rufe ich jetzt alle auf, bitte zur Arbeit zurückzukehren. Wir müssen uns wieder um Themen bemühen, die die Menschen tatsächlich betreffen. Natürlich war das kein schönes Bild, das wir in den letzten Tagen abgegeben haben. Ich würde mir auch wünschen, dass konkrete Kritik – die ja vollkommen legitim ist – künftig nicht nur anonym und medial weitergegeben wird. Für Kritik bin ich immer offen, aber es ist schwierig, wenn anonym Gerüchte in Umlauf gesetzt werden und die Probleme nicht ehrlich genannt werden. Ich habe deshalb zu einem erweiterten Bundesvorstand eingeladen.

ÖSTERREICH: Wann?

Glawischnig: Am 21. April, und die Einladung wird breiter als sonst üblich ausgesprochen. Dort möchte ich, dass wir uns gemeinsam nach vorne ausrichten.

ÖSTERREICH: Dennoch kursiert bei den Grünen auch die Frage, ob Sie überhaupt noch weitermachen wollen. Ziehen Sie sich aus der Politik zurück?

Glawischnig: Das ist vollkommen absurd. Schon 2009, als ich die Partei von Alexander Van der Bellen übernommen habe, hat man mir prophezeit, dass wir ein Drittel der Wählerinnen und Wähler verlieren werden. Das Gegenteil ist eingetreten. Wenn wir uns international anschauen, wie es den Grünen geht, ob in Deutschland oder den Niederlanden, waren wir sehr erfolgreich.

ÖSTERREICH: Aber es ist doch paradox. Vor wenigen Monaten haben die Grünen mit dem Wahlsieg Van der Bellens ihren größten Erfolg gefeiert. Auch ein persönlicher Erfolg für Sie übrigens, denn der Professor war Ihre Idee. Dennoch stehen die Grünen als zerstrittener Haufen da.

Glawischnig: In jedem Beruf kommt mal Gegenwind. Auch in der Politik. Ich rufe alle auf, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

ÖSTERREICH: Kein Rücktritt? Alle, die sagen, Sie seien der Intrigen müde, liegen falsch?

Glawischnig: Absolut. Ich denke nicht einmal an Rücktritt. Ich bin erst vor eineinhalb Jahren wiedergewählt worden. Ich habe mich immer vor allem für Inhalte interessiert, Geschäftsordnungen waren nie so mein Ding. Wir haben jetzt eine Riesenchance. Angesichts des Rechtsrucks, den es in der ÖVP sowieso gibt, aber auch bei Christian Kern, der dar­über diskutiert hat, ob wir 50 jugendliche Flüchtlinge aufnehmen sollen.

ÖSTERREICH: Sie denken also nicht daran, sich zurückzuziehen, und wollen auch als Spitzenkandidatin in die nächste Wahl gehen.

Glawischnig: Das ist gut zusammengefasst. Und ich werde ganz sicher am Bundeskongress für die Spitzenkandidatur antreten.

ÖSTERREICH: Und Sie wollen erreichen, dass die Grünen nach so vielen Jahren endlich an die Regierung kommen?

Glawischnig: Das bleibt nach wie vor das Ziel, ja.

ÖSTERREICH: Wie soll das ­erreicht werden? Mit einem pointierten Wahlkampf gegen rechts?

Glawischnig: Absolut – gegen Schwarz-Blau und gegen Rot-Blau. Wir sind der einzige Garant gegen eine blaue Regierungsbeteiligung. Schließlich werden wir im Wahlkampf mit einem ÖVP-Spitzenkandidaten Kurz konfrontiert sein, der Schwarz-Blau als sein persönliches Projekt verfolgt. Und mit einem Kanzler Kern mit einer rechten Flüchtlingspolitik. Ich mache mir Sorgen um Menschenrechte und Zusammenhalt in Österreich.

ÖSTERREICH: Sie rechnen mit Wahlen im Herbst?

Glawischnig: Damit müssen wir jetzt alle rechnen. Wir müssen uns jedenfalls darauf vorbereiten.

ÖSTERREICH: Private Frage: Wie beurteilen Sie Ihren Mann bei „Dancing Stars“?

Glawischnig: Er ist wahnsinnig motiviert und hat eine fast kindliche Freude am Tanzen. Ich bin am Karsamstag auch erstmals dabei.

ÖSTERREICH: Belastet der Stress Ihre Beziehung?

Glawischnig: Im Gegenteil. Er ist zwar hundemüde, aber in der Früh und abends gibt’s jede Menge zu erzählen.

ÖSTERREICH: Würde es Sie auch jucken, bei „Dancing Stars“ mitzumachen?

Glawischnig: Das könnte ich nie. Ich habe musikalische Hände, aber völlig unmusikalische Füße.

ÖSTERREICH: Tanzen werden Sie nicht mehr?

Glawischnig: Das geht sich in diesem Leben nicht mehr aus.

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