Sommergespräch
Glawischnig: "Wir sind arm, aber ehrlich"
14.08.2010
Morgen Montag sitzt Eva Glawischnig mit Ingrid Thurnher und Böhler-Chef Raidl beim ORF-Sommergespräch. In ÖSTERREICH enthüllt sie schon heute ihre Pläne.
Keine Frage, Eva Glawischnig ist der Urlaub gut bekommen. Entspannt und braun gebrannt trifft ÖSTERREICH die gebürtige Kärntnerin im Palmenhaus im Wiener Burggarten an. Dabei hat sie wenig zu lachen: Acht Wochen vor der Wien-Wahl versinken die Landes-Grünen im Streit – nach Mariahilf hat sich mit der Josefstadt die zweite Bezirksgruppe gespalten. Eine Katastrophe. Glawischnig zeigt sich „extrem verärgert“, glaubt aber, dass es in Wien und auch in der Steiermark (Wahl am 26. September) Zuwächse geben wird. Sie startet mit klaren Ansagen in den Herbst:
● Rot-Grün für Wien. Für Wien strebt sie eine Regierungsbeteiligung an, wenn die SPÖ-Absolute fällt. An den SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl appelliert sie, Rot-Grün zu überlegen. Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen soll als Stadtrats-Kandidat mehr Wähler anlocken.
● Im Parlament kündigt Glawischnig eine härtere Gangart an: Misstrauensantrag gegen Finanzminister Pröll, Untersuchungsausschuss in Sachen Haider und Grasser. Die Skandale, so lässt sie aufhorchen, hätten sie „geschockt“.
● Gegen Sparpaket Glawischnig tritt anstelle von Sozial-Kürzungen für höhere Öko-Steuern ein – in erster Linie müsse der Diesel- dem Benzinpreis angeglichen werden.
Apropos Benzin: Der Toyota Prius für die Wahlkampf-Einsätze wird im Herbst von einem VW Polo Blue Motion abgelöst. Der sei bei den CO2-Werten (87 g) unschlagbar, weiß die Grünen-Chefin ganz genau.
"Skandale haben mich geschockt"
ÖSTERREICH: Wie war Ihr Jahr seit dem letzten Sommergespräch?
Eva Glawischnig: Eine richtige Rüttelstrecke. Ups and downs – Licht und Schatten.
ÖSTERREICH: Was war Licht – was war Schatten?
Glawischnig: Licht: Oberösterreich. Anschober hat die Regierungsbeteiligung verteidigt. Der Gewinn in Vorarlberg war schön. Schatten: Das Burgenland hat uns ein Stück zurückgeworfen.
ÖSTERREICH: Aber die Grünen streiten, ständig müssen Ihre Uralt-Rentner einspringen. In der Steiermark Kogler, in Wien jetzt Van der Bellen.
Glawischnig: Also zwischen Van der Bellen und Kogler liegen 17 Jahre. Werner Kogler ist der richtige Mann in der Steiermark. Aber keine Frage: Das in der (Wiener) Josefstadt ist extrem unerfreulich. Man streitet im Wahlkampf. Ich bin sehr verärgert.
ÖSTERREICH: Man hat den Eindruck, die Grünen seien eine Rentnerband.
Glawischnig: In Wien haben wir viele junge Leute auf den Listen. Über 25 im Alter von 18 bis 23.
ÖSTERREICH: Van der Bellen ist Polit-Pensionist, der exhumiert wird. Bei aller Wertschätzung.
Glawischnig: Er verkörpert das Wichtigste in der Politik, das es gibt: Anständigkeit.
ÖSTERREICH: Welche Rolle soll er in Wien spielen?
Glawischnig: Er kandidiert als Letzter auf der Landesliste. Man kann ihm Vorzugsstimmen geben – er steht für ein rot-grünes Projekt. Für unsere Regierungsbeteiligung.
ÖSTERREICH: Soll er Stadtrat werden, vielleicht für Finanzen?
Glawischnig: Er ist absolut einer der Kandidaten. Und einer der wenigen in Österreich, die sich wirklich gut bei Budgets auskennen.
ÖSTERREICH: Van der Bellen ist Ihre Ansage für Rot-Grün. Das trauen Sie sich zu sagen?
Glawischnig: Natürlich.
ÖSTERREICH: Sie appellieren schon heute an Michael Häupl: Machen wir Rot-Grün?
Glawischnig: Wenn er mutig genug ist. Wien hätte es nötig, innovativer zu werden.
ÖSTERREICH: Erwarten Sie in Wien und der Steiermark wirklich Zuwächse?
Glawischnig: In der Steiermark sicher – und in Wien ebenso.
ÖSTERREICH: Zwei Niederlagen – wäre Ihre persönliche Schmerzgrenze dann überschritten?
Glawischnig: Meine Schmerzgrenze sehen wir bei der Nationalratswahl 2013. Aber ich bin optimistisch.
ÖSTERREICH: Wo liegt denn das Potenzial der Grünen?
Glawischnig: Ich würde sagen bei 15 Prozent.
ÖSTERREICH: Sie wollen einen Misstrauensantrag gegen Finanzminister Josef Pröll.
Glawischnig: Ja, den hat er sich wirklich verdient.
ÖSTERREICH: Warum?
Glawischnig: Jeder Mensch muss seine Steuererklärung rechtzeitig abgeben, sich an Gesetze halten. Nur nicht die Bundesregierung. Ich finde es unerträglich, dass sich der Finanzminister nicht an Gesetze halten will.
ÖSTERREICH: Sie werfen ihm Verfassungsbruch vor, weil er das Budget erst im Dezember vorlegen will?
Glawischnig: Das sagen alle, von Heinz Fischer abwärts. Wir lassen es ihm nicht durchgehen, denn hinter dem Budget verbirgt sich der größte Sozialabbau der 2. Republik.
ÖSTERREICH: Das wissen Sie?
Glawischnig: Ja, die Abschaffung zweier Pflegestufen droht. Arbeitslosengeld soll erst nach vier Wochen ausbezahlt werden. Im Bildungsbereich wissen wir schon, dass es zu Kürzungen kommen wird, die 13. Familienbeihilfe fällt – und so weiter.
ÖSTERREICH: Wo würden denn Sie sparen?
Glawischnig: Über neue Steuern muss man reden – da hilft nichts. Das ist ehrlich und weiß die Bevölkerung auch. Ist nur die Frage: wer und wo?
ÖSTERREICH: Da hat Ihnen aber die SPÖ die Show gestohlen, weil gegen die Banken- und gegen Spekulantensteuern werden Sie nichts haben.
Glawischnig: Ich habe nur etwas dagegen, dass man es immer auf die 1. Mai-Plakate schreibt – und im Herbst liegt man vor der ÖVP flach.
ÖSTERREICH: Und wie sieht es mit einer Öko-Steuer aus?
Glawischnig: In erster Linie bin ich dafür, dass man den Dieselpreis einmal dem Benzinpreisniveau anpasst, weil da geht es in erster Linie um Transit. Nirgendwo ist es so billig, durchzufahren, wie durch die österreichischen Alpen.
ÖSTERREICH: Wie sieht Ihr Öko-Leben aus? Haben Sie noch Ihr Hybrid-Auto?
Glawischnig: Nein. Nachdem mein Mann beide Kinder in den Kindergarten bringt, kann ich mit der Straßenbahn zur Arbeit fahren. Das ist für mich Luxus: Kipferl, Kaffee, Zeitung in der Bim.
ÖSTERREICH: Und Sie wollen in der Sondersitzung auch einen Untersuchungsausschuss zu Haider, Grasser und Buwog?
Glawischnig: Ja, aber ich habe den Verdacht, dass die FPÖ und auch das BZÖ sich jetzt wegen der ganzen Haider-Konten und Spendenaffären vor einem Untersuchungsausschuss fürchten. Deswegen könnte die Sondersitzung vielleicht gar nicht zustande kommen.
ÖSTERREICH: Sie wollen die Meischberger- und Grasser-Affäre prüfen und die noch nicht gefundenen Haider-Konten? Was ist denn Ihr Eindruck über die Enthüllungen?
Glawischnig: Ich bin absolut schockiert. Ich bin in die Politik gegangen, weil ich gedacht habe, es geht da um Ideen. Aber es geht in der Politik oft ums Geld. Das habe ich bitter lernen müssen. Mich erschüttert das maßlos.
ÖSTERREICH: Das hätten Sie sich nicht gedacht?
Glawischnig: Nein, in dieser Hinsicht beschreibe ich mich als vollkommen naiv. Ich habe mir gedacht, die haben vielleicht eine andere Vorstellung von Klimaschutzpolitik oder von Verkehrspolitik. Aber nein, tatsächlich werden Autobahnen gebaut, damit das BZÖ Geld bekommt.
ÖSTERREICH: Sie sind entsetzt.
Glawischnig: Absolut schockiert. Das muss Konsequenzen geben.
ÖSTERREICH: Welche?
Glawischnig: Ich meine, die ÖVP wehrt sich seit zehn Jahren gegen diese sogenannten gläsernen Parteikassen – die müssen aber jetzt kommen. Es geht darum, dass man alles nachvollzieht: Wer spendet? Woher haben SPÖ und ÖVP Geld für Riesenkampagnen? Woher nimmt FPÖ-Chef Strache seit eineinhalb Jahren Geld für seine Wien-Kampagne? Das geht sich mit der Parteienförderung nicht aus. Und das muss offengelegt werden. Dass da ein ausländischer Diktator wie Saddam Hussein unter Umständen eine österreichische Partei finanziert, das ist aberwitzig.
ÖSTERREICH: Die ÖVP hängt da mit drin?
Glawischnig: Schüssel muss zumindest Hinweise gehabt haben. Es hat jahrelang genug Anfragen von uns zu Eurofightern, Buwog und so weiter gegeben.
ÖSTERREICH: Und die Grünen? Wie sieht’s bei Ihnen aus?
Glawischnig: Wir legen jeden Cent offen. Ich kann Ihnen den Ordner über unsere Finanzen gerne geben.
ÖSTERREICH: Die einzige Jungfrau in diesem Sumpf? Sie machen ja auch Wahlkämpfe.
Glawischnig: (lacht) Wir sind arm, aber ehrlich.