Grasser kommt ins Gefängnis, sagt sein Anwalt Oliver Scherbaum im oe24-Interview mit Politik-Chefredakteurin Isabelle Daniel.
oe24.TV: Herr Scherbaum, Sie äußerten kürzlich Kritik an der Entscheidung des OGH im Fall Grasser. Warum sehen Sie das Urteil zur Richterbefangenheit als Problem?
Oliver Scherbaum: Es war eine verpasste Gelegenheit, das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Bei den vielen Fragen zur Befangenheit – insbesondere durch die Tweets des Ehegatten der Richterin – hätte man ein klares Signal setzen müssen.
oe24.TV: Vielleicht für jene Zuschauer, die das nicht so ganz genau verfolgt haben. Es geht um die Richterin im vorherigen Prozess, also nicht jetzt vor dem OGH-Urteil. Und deren Mann hat Tweets abgesetzt seinerzeit, die...
Scherbaum: ...despektierlich und zumindest die Unschuldsvermutung massiv verletzt haben. Und wir wissen, wie der oberste Gerichtshof hier entschieden hat, nämlich dass eine Befangenheit nicht vorliegen soll, weil diese Tweets ja nicht von der Richterin selbst, sondern von ihrem Ehemann gekommen sind. Ich kann dazu nur sagen, natürlich besteht so ein Anschein, weil wenn ein fachkundiges Familienmitglied sich hier so einmischt - ihr Mann ist auch Richter -. dann ist der objektive Anschein einer Beeinflussung gegeben.
oe24.TV: Aber ist eine Richterin verantwortlich für das, was ihr Mann postet?
Scherbaum: Natürlich nicht. Doch der OGH hätte bedenken müssen, dass ein Strafrichter-Ehemann im selben Haushalt lebt. Weltfremd zu glauben, es gäbe keine Gespräche über den Fall. Jeder vernünftige Dritte würde hier Zweifel haben – und das reicht für eine Befangenheitsentscheidung.
oe24.TV: Jetzt ist diese Formulierung, das Vertrauen in die Justiz wiederherstellen, eigentlich sehr hart, weil das heißt, dass das Vertrauen in die Justiz verloren gegangen sei. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?
Scherbaum: Das liegt, glaube ich, im Auge des Betrachters, wer das sagt. Für die Angeklagten ist es das nicht. 16 Jahre Verfahrensdauer, dann dieses Urteil – da wächst Misstrauen. Die Justiz muss höchste Ansprüche erfüllen. Hier wurde die Messlatte womöglich gesenkt, nur um eine Wiederholung des Mammutverfahrens zu vermeiden.
oe24.TV: Wie bewerten Sie die Haftaussichten für Grasser?
Scherbaum: Er muss antreten. Denn auch allfällige Rechtsmittel an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte haben ja keine aufschiebende Wirkung.
Ob er nach zwei Jahren (Halbstrafe) auf Fußfessel entlassen wird, hängt von künftigen Gesetzesänderungen ab. Derzeit sind nur 12 Monate elektronische Überwachung möglich. Wenn man das auf 24 Monate erhöht, wäre es schneller möglich für ihn mit Fußfessel nach Hause entlassen zu werden.