Buwog-Prozess
Grasser: "Habe Dinge unterschrieben, ohne sie zu lesen"
19.06.2018Grasser-Prozess wird noch komplexer: Faktum Telekom wird einbezogen.
Der Prozess rund um Schmiergeldvorwürfe bei der Buwog-Privatisierung und beim Linzer Terminal Tower wird noch komplexer: Richterin Marion Hohenecker kündigte heute, Mittwoch, die Einbeziehung des "Faktum Telekom" wegen "subjektiver Konnexität" an. Dabei geht es um angebliche "Schwarze Kassen" der Telekom Austria und Verdacht auf Parteienfinanzierung.
Angeklagt sind im "Faktum Telekom" die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger, die auch im Grasser-Prozess auf der Anklagebank sitzen. Dazu kommt noch der frühere Telekom-Austria-Vorstand Rudolf Fischer. Fischer und Hochegger wird Untreue sowie Geschenkannahme als Machthaber vorgeworfen, Hochegger auch falsche Beweisaussage und Meischberger sowie einem weiteren angeklagten Ex-Manager der Telekom Geldwäscherei.
Grasser und die anderen, in der Telekom-Causa nicht Angeklagten, müssen dann zu diesen Prozessterminen nicht erscheinen.
Klarstellungen
Grasser hatte sich gestern wortreich für völlig unschuldig erklärt und die Vorwürfe der Anklage, er habe Schmiergeld genommen, zurückgewiesen. Sein Freund Walter Meischberger und sein früherer Geschäftspartner Peter Hochegger hätten ganz alleine gehandelt, mit ihm hätten die Beratung und die Millionenprovision des siegreichen Bieters bei der Buwog-Privatisierung nichts zu tun. Hohe Bareinzahlungen auf sein Konto erklärte er so, dass ihm seine Ehefrau Auslagen für sie in bar zurückgezahlt habe, er habe das Geld dann auf sein Konto bei der Meinl Bank eingezahlt.
Zu Beginn der heutigen Verhandlung machte Grasser zwei "Klarstellungen" zu seinen gestrigen Aussagen. Bei einem von ihm erwähnten Fest der "Kleinen Zeitung" in Klagenfurt zum 100-jährigen Bestehen des Blatts sei er persönlich nicht anwesend gewesen. Und in einer E-Mail an den mitangeklagten Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer sei die Erwartung von 960 Mio. Euro als Zielgröße für die Privatisierung der Bundeswohnungen nicht vorgekommen.
"Dinge unterschrieben, ohne sie zu lesen"
"Dinge die mir vorgelegt werden von Vertrauenspersonen, unterschreibe ich", so Grasser über die Vielzahl an Unterschriften, die er täglich leisten musste. Vermögensverwalter Norbert Wicki sei für ihn eine solche Vertrauensperson gewesen, also habe er den besagten Treuhandvertrag einfach unterschrieben – ohne ihn zu lesen.
Grasser braucht keine Bankbelege
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) hat sich heute am 42. Tag des Korruptionsprozesses gegen ihn und andere sehr vertrauensselig bei Bankgeschäften gegeben. Dass er öfters Bargeld an einen Mitarbeiter der Meinl Bank übergab, ohne dafür eine Bestätigung zu verlangen, bezeichnete Grasser heute - unter Gelächter im Saal - als durchaus üblich.
Er nehme bei Besuchen in der Bank ja auch nie Belege mit, die ihm ausgehändigt werden, sagte er am ersten Tag seiner Befragung durch Richterin Marion Hohenecker. Ob er dem Bankmitarbeiter der Meinl Bank das Geld im Kuvert während der Banköffnungszeiten übergab, wusste Grasser heute nicht mehr. Insgesamt übergab Grasser 500.000 Euro in bar an Mitarbeiter der Meinl Bank - in drei Raten: 100.000 Euro, 330.000 Euro und 70.000 Euro. Ein Mitarbeiter stückelte die Bareinzahlung von 100.000 Euro in vier mal 25.000 Euro und zahlte die Beträge auf ein Konto ein. Auch die anderen, bar übergebenen Gelder, wurden bei der Meinl Bank auf ein Konto einbezahlt.
Dieses Konto lautete aber nicht auf Grasser, sondern es war ein Konto einer Schweizer Gesellschaft, der Ferint AG. Grasser machte am 21. Oktober 2005 einen Treuhandvertrag mit der Ferint AG. Den Treuhänder der Ferint, der den Vertrag ebenfalls unterschrieben habe, kenne er nicht. Vor dem Abschluss des Treuhandvertrags hatte er aber schon Bargeld an die Meinl Bank übergeben. "Ich kannte Julius Meinl persönlich ganz gut", sagte Grasser. Der Banker habe ihm gesagt, er hätte da eine Idee und habe ihm einen Bankmitarbeiter vorgestellt, der ihm dann die Ferint-Konstruktion vorschlug. Diese Ferint AG investierte dann die 500.000 Euro in einen Genussschein der Kärntner Hypo Alpe Adria-Bank, wobei der Name Grasser nicht auftauchte. Das Geld wurde dadurch auf rund 780.000 Euro vermehrt. Laut Grasser kamen die 500.000 Euro von seiner Schwiegermutter, die ihm das Geld in bar übergeben habe. Er habe es zwar physisch angenommen, aber war immer der Meinung es sei nicht sein Geld, sondern "das Geld meiner Frau oder meiner Schwiegermutter".
Selbstanzeigen
Hohenecker eröffnete heute die wohl mehrtägige Befragung Grassers mit den Selbstanzeigen seiner beiden damaligen Freunde Walter Meischberger und Peter Hochegger im Herbst 2009. Die beiden hatten die knapp zehn Millionen Euro schwere Provision aus der Buwog-Privatisierung nicht versteuert.
Damals traf sich Grasser mehrmals mit Meischberger und dessen mitangeklagtem damaligen Anwalt Gerald Toifl, obwohl er laut Eigenaussagen mit der Provision überhaupt nichts zu tun hatte. Grasser begründete die Treffen damit, dass er sich informieren wollte, was in der Causa Buwog noch auf ihn zukommen könnte. Umgekehrt habe er den Anwalt über die Buwog-Privatisierung informiert.
Dass bei den Meetings obendrein auch noch der ehemalige, nun ebenfalls angeklagte, Immobilienmakler Ernst Karl Plech dabei war, habe ihn nicht überrascht. Schließlich sei Plech ein väterlicher Freund von Meischberger gewesen. Zur Orientierung: Laut Staatsanwaltschaft ist die Buwog-Provision Schmiergeld dafür, dass die nötige Kaufsumme für die Buwog im Bieterverfahren verraten wurde - und zwar von Grasser. Mitgeschnitten sollen Meischberger, Plech und Hochegger haben, so die Anklage - Grasser und Plech dementieren aber, dass sie bei der Provision mitkassierten.
"Klar, dass die Optik nicht gut ist"
Grasser hat nach eigenen Angaben erst bei einem Treffen mit Meischberger - seinem Trauzeugen - im Herbst 2009 erfahren, dass Meischberger und Hochegger eine Buwog-Provion kassiert haben. Er sei aus allen Wolken gefallen. "Da war mir schon klar, dass die Optik nicht gut ist", so Grasser zur Richterin.
Ob er wissen wollte, wie viel die beiden kassiert haben, fragt Hohenecker nach. Antwort von Grasser: "Nein". Er habe sich gedacht, je weniger er wisse, desto besser sei es. Über die drei Konten in Liechtenstein, die laut Meischberger alle ihm gehören, laut Anklage aber je eines Plech und Grasser, sei bei den Treffen nicht gesprochen worden - mit einer Ausnahme.
Und zwar über die Briefkastengesellschaft "Mandarin", wo sowohl Meischberger als auch Grasser investiert hatten. Allerdings laut Graser rein zufällig, Grasser will von der Nutzung der "Mandarin" durch Meischberger nichts gewusst haben. Als er bei dem Treffen davon Kenntnis erlangt habe, sei ihm klar gewesen, dass dies "nicht ideal" sei.
Zur Sprache kam heute auch wieder die Kreditkarte von Grassers Frau Fiona, die öfters nicht funktioniert haben soll. Seine Gattin habe dann "durchaus nachdrücklich" telefonisch ihrem Bankberater, dem mitangeklagten Norbert Wicki, ihren Unmut kundgetan, so der ehemalige Minister. Hoheneckers Replik darauf: "Eine situationsbedingte Unmutsäußerung." Unter anderem mit der nicht funktionierenden Kreditkarte seiner Frau rechtfertigt Grasser Bareinzahlungen auf seinem Konto: Er habe in solchen Fällen die Ausgaben bezahlt, seine Gattin habe ihm später das Geld in bar zurückbezahlt. Laut Anklage hingegen korrespondieren die Bargeldeinzahlungen Grassers mit Bargeldabhebungen von einem Konto in Liechtenstein.
Grasser: Haider forderte für Kärnten Vorverkaufsrecht
Richterin Marion Hohenecker ist heute in ihrer Befragung von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) auf dessen Verhältnis zum - mittlerweile verstorbenen - Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und das Kärntner Vorkaufsrecht auf die Villacher ESG-Wohnungen, Teil der Bundeswohnungen, eingegangen. Haider habe das Vorkaufsrecht einfach gefordert und auch bekommen, sagte Grasser.
"Er hat's verlangt, wir haben's ihm gegeben", sagte Grasser. Am 17. Juni 2002 erhielt das Land Kärnten ein Vorkaufsrecht für die ESG-Wohnbaugesellschaft, Teil der zu privatisierenden Bundeswohnungen, eingeräumt. Der Rechnungshof kritisierte später, dass der Bund für die Gewährung des Vorkaufsrechts nichts erhalten habe. "Ein Entgelt für die Gewährung des Rechts wurde nicht vereinbart. Eine Begründung für diese ausschließlich im Interesse des Landes Kärnten liegende Vereinbarung war nicht aktenkundig."
"Haider wollte in einem typischen Feldzug den Ausverkauf der Heimat verhindern", sagte Grasser heute. Außerdem habe Haider damals, 2002, die Bundesregierung in der Hand gehabt, schilderte er: Haider sei 2002 der "spiritus rector" (lenkender Geist, Anm.) der Bundesregierung von Wolfgang Schüssel gewesen.
Grasser wurde auch zu seinem persönlichen Verhältnis mit Haider befragt: Der ehemalige FPÖ-Chef und Kärntner Landeshauptmann sei zwar sein "Mentor" gewesen und habe ihm viel ermöglicht, später sei es aber zu mehreren Brüchen zwischen ihm und Haider gekommen: 1998, als ihm von Haiders Vertrauten vorgeworfen worden war, er hätte als Landeshauptmann kandidieren wollen. Auch beim FPÖ-Parteitag in Knittelfeld habe es einen schweren Bruch gegeben. "Ich hab ihm Knittelfeld zwar verziehen, aber nicht verstanden", sagte Grasser. Knittelfeld im September 2002 führte zum Bruch der ersten FPÖ-ÖVP-Koalition und zu vorgezogenen Neuwahlen.
Grasser schilderte dann die Vorgänge rund ums Kärntner Vorkaufsrecht an der ESG, das Kärnten bei der Privatisierung im Juni 2004 nicht ausübte. Er habe nach der Sitzung der Vergabekommission am 13. Juni 2004 Haider angerufen, damit Kärnten sich möglichst innerhalb von zwei Tagen entscheide und eine laut Vorkaufsrechts-Vertrag vereinbarte Wochenfrist nicht ausübe. Dies habe der Republik letztlich mehr Geld gebracht. Er habe Haider auch Unterlagen zukommen lassen.
Aus den Unterlagen der Kärntner Landesregierung geht hervor, dass Kärnten damals davon informiert wurde, es müsse 120 Mio. Euro für die Villacher ESG zahlen. Das war der Preis, mit dem das Österreich-Konsortium die ESG bewertet hatte. Der endgültige Bestbieter stand allerdings nach der Sitzung der Vergabekommission noch gar nicht fest, weil er abhängig war von der Ausübung des Kärntner Vorkaufsrechts, wie die Richterin betonte. Es habe "zwei Varianten" gegeben: Wenn Kärnten das Vorkaufsrecht ausgeübt und die ESG herausgekauft hätte, wäre die CA Immo vorne gelegen. Da Kärnten aber sein Vorkaufsrecht nicht ausübte, war das Österreich-Konsortium rund um Immofinanz und die RLB OÖ siegreicher Bieter.
Sommerpause ab August
In dem Strafprozess gegen 15 Angeklagte wird noch heute und morgen, dann drei Tage Mitte Juli und am 1. August im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts verhandelt. Dann geht der Prozess in die Sommerpause.