ÖSTERREICH-Interview: Karl-Heinz Grasser geht jetzt in die Offensive.
Eine der Beschwerden, die Grasser in den nächsten Wochen einbringen wird, soll sich gegen den Amtsmissbrauch wenden, durch den aus Justizkreisen ständig Verschlussakten an Medien weitergegeben werden. Mit einer zweiten Beschwerde will sich der Ex-Finanzminister gegen die Verfahrensdauer wenden. Nach 16 Monaten Ermittlungen ohne konkretes Ergebnis fordert Grasser den Abschluss seines Verfahrens „noch vor dem Sommer“.
Tatsächlich ist Grasser derzeit in Österreich ohne Auftrag und Job, seinen Lebensunterhalt verdient er – anonym – durch „Financial Advisory“ für internationale Investoren und Firmen.
Grasser fordert Verfahrens- Abschluss vor dem Sommer
Höhepunkt der Grasser-Offensive soll eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) werden. Grasser will dort anzeigen, dass er in Österreich kein faires Verfahren mehr hat. Laut Juristen-Meinung stehen seine Chancen beim EGMR sehr gut: In Grassers Verfahren liege tatsächlich mehrfacher Amtsmissbrauch und eine bisher in Europa kaum gekannte Vorverurteilung vor.
Besonders dramatisch ist die Situation um die Telefonüberwachung von Grasser und seinem Trauzeugen Walter Meischberger. Insgesamt ließ die Justiz mehr als tausend (!) Telefonate von Meischberger und Grasser abhören. Abschriften wurden an Medien gegeben. Aus den Telefonprotokollen geht massive politische Einflussnahme im Grasser-Verfahren hervor. So wird in etlichen Telefonaten Ex-Justizminister Böhmdorfer angesprochen, der offenbar als Verbindungsmann zwischen Justiz und einigen Beschuldigten – definitiv nicht Grasser – agiert.
Das bringt auch politisch neue Brisanz.
Seite 2: Karl-Heinz Grasser im ÖSTERREICH-Interview
„Mein Leben ist zerstört"
ÖSTERREICH: Nach Ihrem Auftritt im ORF letzten Sonntag hagelt es Vorwürfe, Sie hätten hier eine Show abgezogen und würden die Medien gegen die Justiz mobilisieren …
Karl-heinz Grasser: Das Gegenteil ist wahr. Die Justiz mobilisiert die Medien gegen mich. Jeder Verschlussakt zu meiner Causa, jeder Schritt der Justiz steht sofort in allen Medien. Dieses Verfahren gegen mich wird einfach nicht fair geführt. Ich wehre mich nur – aus Verzweiflung.
ÖSTERREICH: Sie glauben, der Rechtsstaat funktioniert in Ihrem Fall nicht?
Grasser: Das, was bei mir passiert, ist Burundi – und eines Rechtsstaates nicht würdig. Mir hat ein Anwalt aus den USA gesagt, dass dort mein Verfahren längst eingestellt wäre. Weil bei so massiver Vorverurteilung und Anhäufung von Amtsmissbrauch eine objektive Verhandlung unmöglich wäre.
ÖSTERREICH: Setzen Sie jetzt konkrete Schritte?
Grasser: Ich werde in den nächsten Wochen zwei Beschwerden an die Oberstaatsanwalt und das Justizministerium richten. Eine wegen zu langer Verfahrensdauer, eine wegen Amtsmissbrauch. Und ich werde mich mit einer Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, weil ich der definitiven Meinung bin, dass ich hier kein faires Verfahren habe.
ÖSTERREICH: Die Justizministerin hat Ihnen vorgeworfen, Sie sitzen am hohen Ross und beschweren sich zu Unrecht.
Grasser: Mir vorzuwerfen, ich säße am hohen Ross, ist eine Gemeinheit. Mein Leben ist durch den Amtsmissbrauch der Justiz zerstört. Ich habe in Österreich keinen einzigen Auftrag mehr, kein Unternehmen will mit mir zusammenarbeiten, solange mein Fall von der Justiz nicht endlich abgeschlossen ist. Ich habe keinen Job mehr, kein Einkommen – ich sitze schon lange nicht mehr am hohen Ross, sondern bin verzweifelt, wie ich aus politischen Motiven zerstört werden soll.
Seite 3: SPÖ fordert U-Ausschuss
Grasser-Insider
SPÖ will U-Ausschuss
In die Diskussion um einen parlamentarischen U-Ausschuss zum Fall Grasser kommt jetzt Fahrt: Die SPÖ, die aus Rücksicht auf Koalitionspartner ÖVP bisher zurückhaltend war, geht nun in die Offensive: „Wir brauchen einen U-Ausschuss“, erklärt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, selbst Wirtschaftsanwalt, in ÖSTERREICH. Den Antrag dafür solle es am besten gemeinsam mit der ÖVP geben. „Bandion-Ortner lässt eine Chance nach der anderen aus. Wenn sie nicht handelt, muss das Parlament aktiv werden.“ Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter meint: „Es wird letztendlich zu einem parlamentarischen U-Ausschuss kommen.“ Hierfür gebe es auch schon Signale aus der ÖVP.
(fen)
Grasser vor der nächsten Einvernahme
Karl-Heinz Grasser beschwert sich bekanntlich gerne darüber, dass er kaum noch zu Wort komme. Ein Vorwurf, den er der Staatsanwaltschaft Wien bereits demnächst nicht mehr machen kann: Ein Justiz-Insider berichtet ÖSTERREICH schließlich, dass Grasser bereits kommende Woche einen Termin bei der Staatsanwaltschaft Wien habe. Der Ex-FPÖ-Finanzminister wird dann bereits zum dritten Mal als Beschuldigter in Sachen Buwog einvernommen werden. Grasser wird dort wohl zu seiner Liechtenstein-Stiftung antworten müssen.
Grasser-Freund Ernst Plech verkauft Immobilien
Es gibt bereits zwei Amtshilfeansuchen an Liechtenstein, um Licht in das Liechtenstein-Dunkel um Grasser zu bringen. Indes versucht der Grasser-Freund Ernst Plech – ebenfalls Beschuldigter – derzeit, seine Immobilien in Wien zu verkaufen. Für beide Herren gilt die Unschuldsvermutung.
Isabelle Daniel