Ex-Kanzlerin

Große Trauer: Brigitte Bierlein ist tot

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Die ehemalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ist heute verstorben.

Sie war die erste - und bisher einzige - Bundeskanzlerin der Republik Österreich. Sie war Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Sie war Generalanwältin der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof: Brigitte Bierlein. Heute ist sie im Alter von 74 Jahren verstorben, wie der jetzige Bundeskanzler Karl Nehammer via X (vormals Twitter) bekannt gab. 

Bierlein erlag kurz vor ihrem 75. Geburtstag einer kurzen schweren Erkrankung, heißt es in einem Statement des Verfassungsgerichtshof, dem Bierlein rund 16 Jahre angehörte. 

 

Bierlein wurde genau heute vor fünf Jahren angelobt 

Die damalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs wechselte 2019 als Chefin einer Experten-Regierung ins Kanzleramt, als infolge des Ibiza-Skandals im Land politisch nichts mehr ging. Dies war der letzte Schritt einer doch sehr erfolgreichen Karriere, die sich zum allergrößten Teil in der Justiz abspielte. Als Bundeskanzlerin wurde Bierlein durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 3. Juni 2019 angelobt, also genau vor fünf Jahren.

Brigitte Bierlein

Bierlein und Van der Bellen bei der Angelobung der neuen Bundesregierung am 3. Juni 2019.

© APA/HELMUT FOHRINGER
× Brigitte Bierlein

Erste Frau an der Spitze des VfGH

Bierlein gilt hierzulande als "Pionierin". Nicht nur war sie erste Regierungschefin, auch am VfGH war die Wienerin die erste Frau, die es ganz an die Spitze schaffte. Sie selbst attestierte sich dereinst einen "gewissen Ehrgeiz".

Bierlein, Tochter eines Beamten und einer Künstlerin, verschrieb ihre Karriere der Justiz. Dabei hatte sie dereinst sogar überlegt, sich an der Kunstakademie einzuschreiben, ehe dann gemäß Rat der Mutter doch das Interesse am Recht Vorrang gewann. Die Kunst blieb Begleiterin der stets modische Akzente setzenden Juristin. Sie galt als Lieberhaberin des Theaters und der Malerei, gehörte auch dem Aufsichtsrat der Bundestheater-Holding an.

Bierleins Bilderbuchkarriere 

In nur vier Jahren hatte Bierlein das Jus-Studium absolviert, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen Leiterin.

In der Justiz war Bierlein schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte - und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten. Vor dem Wechsel in das Höchstgericht war sie nicht weniger als zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur, davor in Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft Wien tätig.

Politisch wurde Bierlein, der als Staatsanwältin eine gewissen Tendenz zu Law&Order zugeschrieben wurde, eher dem konservativen Sektor zugeordnet. Parteimitglied war sie jedoch nie. Als Bundespräsident Alexander Van der Bellen sie zur Bundeskanzlerin ernannte, kam dann auch Beifall von allen Seiten. Das gute halbe Jahr, das sie die Regierungsgeschäfte schnörkellos führte, war dann auch von Skandalen verschont.

Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, sie hätte es sich nicht vorstellen können, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen, sagte Bierlein in Interviews. Ihr langjähriger Lebensgefährte, der Richter Ernest Maurer, verstarb 2021.

In ihrer Freizeit besuchte Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie - wenn es die Zeit zuließ - Oper und Theater. Auch sammelte sie Kunst, hatte etwa einen (Josef) Mikl zuhause hängen. Nur am Rande mit Kultur zu tun hatte, dass sie zur Leiterin der Sonderkommission zum Skandal in der Wiener Ballett-Akademie bestellt wurde. Bierlein war auch in der Unabhängigen Opferschutzkommission gegen Missbrauch und Gewalt aktiv.

Brigitte Bierlein

Brigitte Bierlein am Mittwoch, 19. Juni 2019, im Rahmen einer Sitzung des Nationalrats im Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg.  

© APA/GEORG HOCHMUTH
× Brigitte Bierlein

So trauert die Politik

"Wir trauern um Österreichs erste Bundeskanzlerin. Brigitte Bierlein ist heute verstorben", verkündete Nehammer die Trauer-Botschaft. "Unser Land ist ihr zu großem Dank verpflichtet". Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zeigte sich "tief betroffen" über "den viel zu frühen Tod von Brigitte Bierlein". Mit ihr sei "eine starke Frau, eine gewichtige Stimme für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung" heute "von uns gegangen". "Sie wird mir immer in ehrenvoller und lieber Erinnerung bleiben", so Schallenberg. 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei "tief betroffen vom Tod von Brigitte Bierlein", schrieb dieser auf X. "Sie hat in vielen Funktionen der Republik treu gedient. Als Hüterin unserer Verfassung und auch als erste Bundeskanzlerin."

 

 

 

Die NEOS zeigten sich in einer Aussendung tief betroffen. "Das ist ein trauriger Tag für Österreich", erklärte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in einer Aussendung. „Mit Brigitte Bierlein haben wir eine überzeugte, leidenschaftliche Demokratin verloren. Sie war als erste Bundeskanzlerin Österreichs ein Vorbild für viele", so Meinl-Reisinger. Sie hat unser Land durch turbulente und schwierige Zeiten gesteuert und dafür gesorgt, dass nach der Ibiza-Affäre wieder Stabilität in der Regierung eingekehrt ist. Auch als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes hat sie stets den Rechtsstaat und unsere Verfassung hochgehalten. Ich werde unsere guten Gespräche in Erinnerung behalten. Wir drücken ihrer Familie, ihren Freunden und Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern unser tiefes Beileid aus.“

Sigi Maurer: "Richtige Frau zur richtigen Zeit"

Auch Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer trauert um die ehemalige Bundeskanzlerin: "In diesen Stunden trauern wir um Brigitte Bierlein, die erste Bundeskanzlerin der Republik. Für mich und viele andere wird sie als die richtige Frau zur richtigen Zeit in Erinnerung bleiben. Meine Gedanken sind bei ihren Angehörigen und Freund:innen."

 

 

 

SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder erklärte via X: "Österreich trauert um seine erste Bundeskanzlerin. Brigitte Bierlein war eine Staatsdienerin im besten Sinne. Nach jahrelanger exzellenter Arbeit in höchsten Justiz-Ämtern hat sie im Land inmitten einer schweren politischen Krise für Stabilität gesorgt. Ohne Eitelkeit und Inszenierung, den Menschen und der Republik verpflichtet. Ich bedanke mich bei einer großen Österreicherin. Ruhe in Frieden, Brigitte Bierlein."

Schieders Parteikollege und SPÖ-Chef Andreas Babler schreibt via X: Die Nachricht über das Ableben von Brigitte Bierlein stimmt mich tief betroffen. Brigitte Bierlein hat unser Land durch eine schwere Zeit gebracht. Als erste Bundeskanzlerin Österreichs wird sie in die Geschichte eingehen. Mein Mitgefühl gilt ihren Angehörigen.

Kickl: "Österreich trauert um eine großartige Persönlichkeit"

„Brigitte Bierlein war eine großartige Persönlichkeit, eine exzellente Juristin und eine umsichtige Politikerin. Sie hat sich in einer schwierigen innenpolitischen Phase unseres Landes selbstlos in den Dienst der Heimat gestellt und als erste Bundeskanzlerin Verantwortung an der Spitze einer Expertenregierung übernommen. Allein dafür gebühren ihr unser höchster Dank, unser aller Anerkennung und unser öffentliches Angedenken", so FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung. Bierlein habe es in ihrer Amtszeit verstanden, die nötige Äquidistanz zu den Parteien zu halten und gerade dadurch parteiübergreifend eine tragfähige Vertrauensbasis zu schaffen. 

„Für mich sind folgende Worte aus ihrer Antrittsrede gleichermaßen einprägend wie charakteristisch für ihren Zugang zur Arbeit für die ‚res publica‘: ,Nichts hält das Gemeinwesen besser zusammen als die Verlässlichkeit. Lassen Sie mich das Zitat um den Begriff Vertrauen ergänzen“, erklärte Kickl weiter.

Von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter hieß es, der Verfassungsgerichtshofs verliere eine unparteiliche ehemalige Präsidentin und einen hochgeschätzten Menschen, Österreich eine entschlossene Verfechterin des Rechtsstaats.

Sobotka: "Vorbild für viele Frauen"

Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist vom Tod Bierleins tief betroffen. Österreich verliere "eine beeindruckende und außergewöhnliche Persönlichkeit". "Ihr Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit und ihre Integrität haben sie zu einer respektierten Persönlichkeit und einem Vorbild für viele Frauen gemacht. Als erste Bundeskanzlerin Österreichs hat sie in herausfordernden Zeiten für Stabilität sowie Vertrauen in die demokratischen Institutionen unseres Landes gesorgt. Sie hat mit dem Parlament stets ausgezeichnet kooperiert und war eine Grande Dame mit großem Verständnis für die politische Zusammenarbeit. Ihr Tod erfüllt mich mit tiefer Trauer und meine Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei ihrer Familie", so Sobotka. 

Auch die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures würdigte Bierlein. "Sie hat sich in einer für Österreich besonders schwierigen innenpolitischen Zeit nicht gescheut, Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Dafür gebühren ihr über ihren Tod hinaus höchster Respekt und Anerkennung", so Bures. 

"Mit tiefem Bedauern habe ich vom Tod der ehemaligen österreichischen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein erfahren", hieß es vom dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer. "Sie war eine bemerkenswerte Juristin und Politikerin, die als erste Frau in der Geschichte unseres Landes dieses Amt bekleidete. Sie hat in einer schwierigen Phase keine Minute gezögert, Verantwortung für ihre Heimat zu übernehmen."

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