Die Altersstaffelung bei Fahrscheinen soll sozialem Modell weichen.
Die Tarifreform für die Wiener Öffis wird noch in der ersten Jahreshälfte konkrete Formen annehmen. Bis Ende Juni sollen nämlich die Ergebnisse der eingesetzten Arbeitsgruppe auf dem Tisch liegen, kündigte David Ellensohn, Klubobmann der Rathaus-Grünen, im Interview an. Künftig würden die Ticketpreise weniger nach Altersgruppen, sondern vielmehr nach sozialen Aspekten gestaffelt, beschrieb der Klubchef die Stoßrichtung. Er geht davon aus, dass die neuen Tarife mit Anfang 2012 umsetzbar sind.
Altersstaffelung
Die derzeitige Altersstaffelung mache nicht unbedingt Sinn. "Nach einer langen politischen Karriere muss man nicht unbedingt verbilligte Fahrscheine bekommen", spielte Ellensohn auf die Seniorenermäßigung an. Andererseits würde es sozialbedürftige Leute geben, die allein wegen ihres Alters keine Vergünstigung erhielten.
Neues Tarifsystem
Das neue Tarifsystem soll laut Klubchef nicht nur die Jahreskarten betreffen, sondern alle Ticketvarianten inkludieren. "Idealerweise" werde auch die Kernzone - sie umfasst derzeit nur den Stadtbereich - ins Wiener Umland ausgeweitet. Hier müsse es aber Gespräche mit Niederösterreich geben. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", zeigte sich Ellensohn zweckoptimistisch. Neben Vertretern der rot-grünen Koalition würden jedenfalls auch Experten aus diversen Bereichen in die Verhandlungen eingebunden, so Ellensohn. Vorschläge der Opposition seien ebenfalls willkommen.
Citymaut kein Thema
Was den Autoverkehr betrifft, sei eine Citymaut in den kommenden fünf Jahren - trotz äußerst schlechter Feinstaubwerte in der Bundeshauptstadt - kein Thema. In der Koalitionsvereinbarung sei ausdrücklich festgehalten, dass ein derartiges Gebührenmodell weder eingeführt noch Anträge dafür gestellt würden. In Sachen Umweltzonen - sie verbieten schadstoffintensiven Fahrzeugen die Einfahrt in bestimmte Stadtgebiete - hielt sich Ellensohn einigermaßen bedeckt: "Alles, was nicht dezidiert im Regierungspakt steht, ist Verhandlungsgegenstand." Die Ökopartei hatte in den vergangenen Jahren wiederholt Umweltzonen für Wien gefordert.
Man werde mit diversen anderen Maßnahmen versuchen, den motorisierten Individualverkehr zurückzudrängen. Ein Mittel sei etwa die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. Die Entscheidung darüber, in welchen zusätzlichen Bezirken das Parkpickerl kommt, werde wohl noch in diesem Jahr fallen, prophezeite der Grüne Klubchef. Sinnvoller seien jedenfalls "geografische Pakete" statt einer "Fleckerlteppichlösung". Bereits vor einigen Wochen hatten diverse Außergürtelbezirke Interesse angemeldet, kostenpflichtige Parkplätze einführen zu wollen.
"Klassenkampf"
Angesichts der geplanten Öffi-Tarifreform, ortet die ÖVP nun "Klassenkampf". Ellensohn hatte angekündigt, dass Kids aus sozial bessergestellten Familien ein geringeres Aktivcard-Guthaben zur Verfügung stehen könnte. "Jedes Kind sollte gleich viel wert sein und auch im selbem Maße gefördert werden", forderte VP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch am Freitag via Aussendung. Hier einen Klassenkampf zu konstruieren, sei abzulehnen.
"Mit Skepsis" reagierten die Stadtschwarzen auch auf Ellensohns Ankündigung, dass die Ticketpreise für öffentliche Verkehrsmittel künftig nach sozialen Aspekten anstatt nach Altersgruppen gestaffelt würden. "Anscheinend wollen die Wiener Grünen den Klassenkampf in die Verkehrspolitik tragen. Es ist nämlich zu befürchten, dass diese Reform auf dem Rücken des Wiener Mittelstandes und der Leistungsträger ausgetragen wird", so die Warnung von VP-Verkehrssprecher Wolfgang Gerstl.
FPÖ in Furcht
Neben der ÖVP hat auch die FPÖ ihren Unmut über die Pläne der Wiener Öffi-Tarifreform bekundet. Der blaue Verkehrssprecher Anton Mahdalik prophezeite angesichts der vom Klubchef der Rathaus-Grünen, David Ellensohn, angekündigten Preisstaffelung nach sozialen Kriterien "eine Art Che-Guevara-Liste", in der wohl jene Fahrgäste aufscheinen würden, die einer vergünstigten Jahresnetzkarte würdig seien. Dies solle den "100 Euro Jahresticket"-Umfaller vergessen machen.
"Sozialarbeitende Veganer in Birkenstocks, die einen Urton-Trommelkurs belegen und ihre Kinder in Montessori-Schulen stecken, dürften (auf der Liste, Anm.) dabei ganz oben stehen", mutmaßte Mahdalik am Dienstag in einer Aussendung.