Die SPÖ verteidigt das Wahlrecht, FPö fordert Abschaffung von Proporz.
Ihrer Unzufriedenheit mit dem neuen Vorzugsstimmen-Wahlrecht beim Urnengang am 30. Mai haben heute, Dienstag, nochmals Burgenlands Grüne Luft gemacht. Den Anlass für die Empörung bildeten SPÖ-Briefe, in denen erneut von der möglichen Direktwahl des Landeshauptmannes per Vorzugsstimme die Rede ist.
"Vorzugsstimme für Hans Niessl"
In den Schreiben
an Jungwähler und andere Gruppen steht als Nachsatz: "Du kannst
den Landeshauptmann direkt wählen! Mit einer Vorzugsstimme für Hans Niessl!"
Das sei "eine glasklare Lüge", das sei auch keine
Auslegungssache, so Grünen-Spitzenkandidat Michel Reimon bei einer
Pressekonferenz in Eisenstadt. "Damit sind alle Grenzen überschritten",
es sei "definitiv nicht so, dass der Landeshauptmann mit Vorzugsstimme
direkt gewählt werden kann".
Offensichtlich habe Landeshauptmann Hans Niessl (S) das "Kunststück" zusammengebracht, "das Burgenland in Fragen des Wahlrechts auf das Niveau von Florida herabzusetzen", sagte Landessprecher Josko Vlasich. Damit spielte er auf die die US-Präsidentenwahl im Jahr 2000 an. Damals stand im Bundesstaat Florida das Ergebnis erst Wochen nach dem Urnengang fest.
Neuauszählung bei Ungereimtheiten
Die Grünen entsenden an
die 100 Wahlzeugen in den Gemeinden und Bezirken. "Wir werden sie
instruieren, dass sie ganz ganz darauf schauen, ob da irgendwo Stimmenraub
passiert", meinte Vlasich. "Wenn auch nur irgendwo eine
Ungereimtheit auftauchen sollte", werde er als Wahlkampfleiter der
Grünen einen Antrag auf Neuauszählung der Wahl einbringen.
"Die Menschen kennen sich vorne und hinten nicht aus, es gibt viel zu wenig an Information", kritisierte Vlasich. Den Wahlleitern werde auf 45 Seiten Erläuterungen "klar gemacht, was eine gültige und eine ungültige Stimme ist". Das Minimum dessen, was zu geschehen habe, sei, die restlichen Werbebudgets von jenen 700.000 Euro, die der Landeshauptmann sich "einverleibt" habe, zur Aufklärung der Bevölkerung zu verwenden. Das Wahlrecht müsse "fair erläutert werden", forderte Reimon.
NÖ als Vorbild
Eine Wahlanfechtung fassen die Grünen
vorerst nicht ins Auge. Gefordert wird aber eine Rücknahme der
Wahlrechtsänderung. In Niederösterreich, dessen Bestimmungen als Vorbild für
die Änderung im Burgenland dienten, hätten die Grünen nachgerechnet: Das
System habe dort der ÖVP zwei Mandate gebracht, so Reimon.
FPÖ will Proporz abschaffen
Die Freiheitlichen pochen auf
die Abschaffung des Proporzes. Dies wäre die wichtigste Bedingung bei
etwaigen Verhandlungen nach dem Wahlsonntag, erklärte Landesparteisekretär
Geza Molnar am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt. Auch
Bleiberecht, die Schulversuche und die Grundsicherung seien Themen mit
äußerst wenig Verhandlungsspielraum. "Das Bleiberecht kommt
für uns nicht infrage", betonte Molnar.
"Die alles entscheidende Frage wird die Abschaffung des Proporzes", so der Landesparteisekretär. Er pochte darauf, das zum Jahresende gescheiterte Verfassungspaket sofort nach der Landtagswahl wieder zu diskutieren und den Antrag "eins zu eins" in den Landtag einzubringen. Von der ÖVP erwartet sich Molnar jetzt "klare Aussagen", ansonsten "läuft sie Gefahr, dass sie sich selbst aus dem Spiel nimmt".
"Riesengroße Schweinerei"
Dass es bereits vor dem
30. Mai Absprachen zu einem FPÖ-SPÖ-Pakt oder umgekehrt mit Grünen und ÖVP
gebe, bestritt der Landesparteisekretär: "Beides entspricht nicht
den Tatsachen." Nun gelte es das Wahlergebnis abzuwarten: "Wir
sind bereit, mit allen zu sprechen." Als "Steigbügelhalter"
für den Landeshauptmann oder sich für Positionen kaufen zu lassen, hierfür
stehe man allerdings nicht zur Verfügung, betonte er. Molnar übte wie die
Grünen Kritik am "Vorzugsstimmenwahlkampf" der SPÖ und pochte
auf eine Änderung der Wahlrechtsordnung: "Das ist eine riesengroße
Schweinerei."
Mit dem Verlauf des Wahlkampfs zeigte sich Molnar "sehr zufrieden". Bis Samstag werde man noch kämpfen, um die Ziele - zweistelliges Ergebnis und das Brechen der SPÖ-Absolute - zu erreichen.
SPÖ: "Mehr Demokratie"
Die SPÖ Burgenland hat das
neue Vorzugsstimmen-Wahlrecht verteidigt. Durch die neue Regelung gebe es
"mehr Demokratie und mehr direkte Einflussmöglichkeiten für die
Burgenländer", erklärte Landesgeschäftsführer Robert Hergovich in einer
Aussendung.
Wie in anderen Bundesländern hätten nun die Menschen im Burgenland die Möglichkeit, "nicht nur einfach eine Partei anzukreuzen, sondern auch Persönlichkeiten zu wählen." Diese Regelung gelte für alle Spitzenkandidaten zur Landtagswahl. Er frage sich: "Wovor haben die Grünen - und auch die FPÖ - solche Angst?" Die "Herumreiterei auf diesem Thema kurz vor der Landtagswahl ist ein Armutszeugnis für das Demokratieverständnis der Grünen", so Hergovich.
Die von der SPÖ angestrebte "weit umfassendere Verfassungsreform" einschließlich der Abschaffung des Proporzes sei "an der Blockade der Steindl-ÖVP gescheitert". Um die Abschaffung des Proporzes zu ermöglichen, brauche es am Wahlsonntag "eine Zweidrittelmehrheit jenseits der ÖVP", so der SPÖ-Politiker.